Religion, Magie, Mythen

Montag, 19. Juni 2006

Drei Jahre Gefängnis für “schwere Gotteslästerung”?

Manchmal sind die unfreiwilligen Scherze des Stoi-Bärs gar nicht zum Lachen:
Stoiber will Gotteslästerung härter bestrafen
Stoiber nannte die derzeit geltende Gesetzgebung «völlig stumpf und wirkungslos», weil der entsprechende Paragraph 166 des Strafgesetzbuches eine Bestrafung nur dann vorsehe, wenn der «öffentliche Frieden gefährdet» sei und «Aufruhr» drohe.

Stoiber will dagegen Gotteslästerung schon dann mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestrafen, sofern jemand bewusst auf den religiösen Empfindungen anderer Menschen herumtrampele. «Es darf nicht alles mit Füßen getreten werden, was anderen heilig ist», sagte Stoiber. Wohin die Verletzung religiöser Gefühle führen könne, habe der Streit um die Mohammed-Karikaturen in diesem Jahr «auf alarmierende Weise» gezeigt, mahnte der CSU-Chef.
(Hervorhebungen von mir M.M.)
Den letzten Satz kann man so verstehen, dass sich Äh-dmund auf die Seite der sich durch die Karrikaturen beleidigt fühlenden Moslems stellt. Wobei es einiger Aufhetzung, Lügen, entstellenden Darstellungen und Fälschungen bedurfte, bis besagte Momlems sich wirklich empört zeigten (und auch dann waren es nicht so schrecklich viele). Wie dem auch sei: Die mit der medienwirksamen Empörung über die Mohammed-Karikaturen auf die Tagesordnung geratene Debatte um den Schutz religiöser Symbole heitzt Stoiber regelmäßig an.

Das unfreiwillig komische Element: Noch vor gut zwei Wochen meinte Stoiber, eine Neuauflage das früheren Gotteslästerungsparagrafen (der auch ohne Gefährdung des öffentlichen Friedens griff) sei aber sei "keine wünschenswerte Option". "Wir haben das drei Mal versucht und sind drei Mal gescheitert."

Was muß man eigentlich so alles anstellen, um für 3 Jahre in den Bau zu wandern? Beleidigung reicht dafür jedenfalls nicht aus. Denn schlimmstenfalls stellt eine Gotteslästerung eine Beleidigung dar. Im Regelfall ist sie schlicht Kritik oder Satire.

... sofern jemand bewusst auf den religiösen Empfindungen anderer Menschen herumtrampele.
Wenn man das so sieht, gäbe es eine nette juristische Handhabe für Asatrúar, etwas Wirksames gegen inwändig braune Hohlköppe zu tun, die die Namen der Götter und die germanische Mythologie für üble Nazipropaganda mißbrauchen. Oder für Wicca und andere Hexen, gegen offen hexenfeindliches "Brauchtum" - zu dem sogar stillisierte Hexenverbrennungen auf Volksfesten gehören - vorzugehen. Aber leider scheint Stoiber das nicht so gemeint zu haben. Sein erklärtes Hauptziel ist: Mehr Schutz für die angeblich gefährdeten christliche Empfindungen. Als Machtmensch und angesichts der traditionell engen Bindungen zwischen CSU und den großen Kirchen käme ihm die Rückkehr traditionell "christlicher Werte" ins Herz der Gesellschaft zupaß.

Nachtrag: Gotteslästerung: Kirchen gegen härtere Strafen Mit Ausnahme des Sprechers des Erzbistums München und Freising, Winfried Röhmel, der den Vorstoß Stoibers begrüßte.
Was wiederum ganz gut ins Schema paßt.

Freitag, 9. Juni 2006

Zwischen Anti- und Philosemitismus

"Das Schrecklichste nach dem Antisemitismus ist der Philosemitismus"
Egon Schwarz, jüdischer Publizist

Neulich wurde mir, so durch die Blume und über Bande, zu verstehen gegeben, dass ich 1. wohl ein Philosemit und 2. deshalb in Sachen Palästina-Frage und (Anti-)Islamismus voreingenommen sei.
Immerhin ist das ein Fortschritt. Denn ich trage gelegentlich einen Anhänger, der mich in den Augen bestimmter Menschen, wenn nicht gleich zum Nazi, dann doch zum "völkischen" Antisemiten stempelt:

Thorshammer

Zu diesem Symbol liest man z. B. so etwas:
Thorshammer:
Bei diesem Zeichen handelt es sich um den Hammer des altnordischen Gottes Thor. Er gilt als der stärkste der altnordischen Götter. Er ist Gott des Blitzes und des Donners und repräsentiert Stärke und hohes Alter. In der heutigen rechtsextremistischen Szene wird diese altnordische Bedeutung ersetzt durch das Symbol der völkischen Verbundenheit. So gilt er beispielsweise als Symbol des Widerstandes gegen die Religion aus dem Orient. Der Thorshammer findet sich u.a. auf Kleidungsstücken, ist aber besonders verbreitet als Anhänger für Halsketten. Das Verwenden dieses Zeichens ist nicht strafbar.
Zeichen und Symbole der Rechtsextremismus

Der Hammer dabei ist nicht der, dass Thor mitnichten "hohes Alter" repräsentiert. Und auch nicht die ziemlich freihändig erstellten Vermutungen, wofür Mjönir bei rechtsextremen Germanenschwärmern stehen könnte. Sondern die im Kern richtige Aussage, weshalb Rechtsextremisten - beleibe nicht nur Neo-Nazis - so gerne spirituelle Symbole heidnisch-germanischer und heidnisch-keltischer Herkunft mißbrauchen.
Während die straßenüblichen Neo-Nazis weniger für germanische Götter als für göttliche Germanen schwärmen und den Thorshammer vor allem als Ersatz für verbotene Symbole verwenden, gibt es vor allem in der "Neuen Rechten" Versuche, ihre Ideologie der Ungleichwertigkeit quasi-religiös zu fundieren.
Das ist nichts Neues, schon Houston Stewart Chamberlain, die Ariosophen um 1900 und auch ein Teil der Nationalsozialisten versuchten, germanische Mythologie - oder das, was sie dafür hielten, zu reaktivieren. (Texte zur Ariosophie und zum "rechten Heidentum" in: ODINS AUGE - Beobachtung gesellschaftlicher Tendenzen (ehem. “Ariosophieprojekt”) ).
Mit dem Bekenntnis zu einem „neuen Heidentum“ germanischer bzw. indogermanischer Prägung führen z.B. Alain de Benoist und Sigrid Hunke diese unselige Tradition in modernisierter Form fort.
Allen verbalen Versuchen sich vom offenen Antisemitismus abzugrenzen zum Trotz, bleibt die Zielrichtung dieses "Heidentums" eindeutig: Christentum und Judentum werden als Gegenpositionen und Feindbilder modelliert, Werten der liberalen Demokratie und der Gleichwertigkeit aller Menschen wird eine Weltanschauung entgegengesetzt, in der die Höherwertigkeit bestimmter "Rassen" (ersatzweise: Kulturen) und die völkische Gemeinschaft zentral sind.

Für die meisten Rechtsextremisten ist das "neue Heidentum“ pure Ideologie und nicht etwa "Religion". Eine "Religion" nämlich wirkt durch ihre eigene Kraft zur Sinnstiftung und Welterklärung, durch die Fähigkeit, Menschen einen "Glauben" zu vermitteln, durch ein Angebot der Transzendenz. Das sucht man bei Benoist vergeblich und bei Frau Hunke und den Ariosophen ist es ziemlich dünn und an den Haaren herbeigezogen.
Allerdings - es gibt durchaus ernsthaft "religiöse" Ásatrú bzw. Anhänger der Forn Siðr, die stramm antisemitisch sind. Meist fängt das mit einer scharf anti-christlichen Haltung an. Und allzu oft endet es in einer antisemitisch-antimodernen Ideologie:
Das Christentum ist eine Religion der Schwäche und des Selbsthasses, die von Juden für Juden geschaffen wurde.
(Aus dem wohlweislich nicht verlinkten Online-Zine für Nazi-Black-Metal BlutKriegSieg.)

Zurück zu mir. Nach meiner Selbsteinschätzung bin ich gewiß kein Antisemit. Was ist Antisemitismus?
Philosemit überigens auch nicht. Denn auch ein Philosemit sieht in Juden "etwas Besonderes" - Juden sind für ihn irgendwie keine normalen Menschen. Für mich schon. Ohne Einschränkung. Schon gar nicht gehöre ich zum Typ des "Gefühls-Philosemiten", der gerne Jude wäre oder sich sogar eine gefälschte "jüdische Identität" zulegt. Weshalb - hat jemand mit (mutmaßlich echter) jüdischer Identität so formuliert:
Und das komische Gefühl hat man auch oft bei Leuten, die sich eine jüdische Identität erfinden. Was im Prinzip das Dümmste ist, was man machen kann, denn Judentum ist weder cool noch lässig und hat auch keine Vorteile, es ist einfach eine verstaubte Religion mit sterbenslangweiligen Funktionsträgern.
(aus: Rebellen ohne Markt - Deja vu bei Ayaan Hirsi Ali)

Bei allem Respekt vor der jüdischen Tradition, der jüdischen Philosophie, der jüdischen Religion und all dem, was "das Judentum" für die menschliche Zivilisation geleistet hat: Der Don Alphonso hat Recht!

Wieso ich für einen Philosemiten gehalten werde? Vielleicht, weil meine pro-israelische Haltung für bestimmte Leute wahlweise nur durch einen "deutschen Schuldkomplex" oder eben durch "Philosemitismus" "erklärbar" ist. (Meine wirklichen Gründe sind komplex und sprengen den Rahmen eines Blogs.)
Oder einfach, weil ich in manchen Foren diesen Avatar verwende:
Davidsstern
Dabei ist das Hexagramm - (auch "Davidstern" genannt) nicht immer - und erst in relativ neuer Zeit - Symbol des Judentums. Auf das Hexagramm kam ich, weil ich mich ernsthaft mit so obskuren Sachen wie Magie und Hexerei beschäftige und nicht auf das auch von mit gernl verwendete Pentagramm (siehe links oben in der Titelleiste) zurückgreifen wollte.
Ich merkte - und zwar recht bald - dass sich antisemitische Heiden, die sonst gern den Vorwurf des Antisemitismus von sich weisen, mit dem harmlosen Hexagramm wirksam aus der Reserve locken lassen. Ein Grund mehr, das Hexagramm zu verwenden.

Ad Astra!

Dienstag, 2. Mai 2006

"Die Apokalyptische Matrix"

Es sieht so aus, als ob der apokalyptische Wahn zu einer globalen Kulturströmung geworden ist - und das die Gefahr eines weltweiten "Krieges der Religionen" (gern fälschlich als "Krieg der Kulturen" bezeichnet) durchaus real ist.
Die scharf religionskritische Giordano Bruno Stiftung weist in diesem Zusammenhang auf die Arbeit von Victor und Victoria Trimondi hin. Die als Kritiker der tibetischen Buddhismus bekannt gewordenen Trimondis zeigen in ihrem Buch "Krieg der Religionen", wie Fanatiker die Legitimation für Gewalttaten aus der apokalyptischen Literatur ihres jeweiligen Glaubens ableiten.

In einem vorab auf der Website der Giordano Bruno Stiftung veröffentlichten Artikel für die Zeitschrift MIZ fassen die Trimondis ihre Forschungsergebnisse und Ansichten auf wenigen Seiten zusammen.
Download des Artikels "Die Apokalyptische Matrix" (pdf)
Zusammenfassung der Buches auf der Website von Victor und Vitoria Trimondi: DIE APOKALYPTISCHE MATRIX - Kommt es zu einem Krieg der Religionen?

Das interessante am Ansatz der Trimondis ist, dass sie eine gemeinsame Struktur, eben die "apokalyptische Matrix", bei "fundamentalistischen", fanatischen Anhängern aller "Weltreligionen" finden:
Die apokalyptischen Matrix hat die Form eines „Dramas“ vom Untergang der Welt und ihrer Neuerstehung. Sie weist in allen Glaubensrichtungen die folgenden gleichen Inhalte, Handlungsabläufe und Zielrichtungen auf:
1. Die Geschichte der Menschheit ist der irdische Ausdruck eines kosmischen Krieges zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis. In diesem universellen Kampf stehen sich Gott und Satan, Engel und Teufel, Oberwelt und Unterwelt als unversöhnliche Feinde gegenüber. Wenn sich die Weltgeschichte der apokalyptischen Entscheidungsschlacht nähert, ist jeder Mensch gezwungen, sich für oder gegen Gott zu entscheiden.
2. Die gegenwärtige Periode in der Menschheitsgeschichte ist gekennzeichnet durch die zunehmende Herrschaft des Bösen, die sich ausdrückt im sittlichem Verfall und sexuellen Exzessen, in Ungläubigkeit, Korruption, Krieg, Gewalt, Ungerechtigkeiten, Verbrechen, Seuchen, Naturkatastrophen und Wirtschaftskrisen. Die Gegenwart, so wie sie ist, wird radikal abgelehnt.
3. Ein Dämon, der Satan oder dessen Stellvertreter, ergreift die Gewaltherrschaft über diese Welt der Niedertracht. Mit Vorspiegelungen, Betrug, Hinterhältigkeit, Manipulation, Terror und Mord zwingt er einen Großteil der Menschheit unter sein Kommando und wird zum Weltenherrscher. Dann versucht er nach dem Throne Gottes zu greifen.
4. Kurz bevor der satanische Welt-Imperator alle seine Ziele erreichen kann, inkarniert sich im letzten Augenblick das Gute in der Gestalt eines „Militanten Messias“, der als Anführer einer „kosmischen Armee“ aus Menschen und Überwesen (Engeln, Göttern, Heroen) mit extremer Härte, mit Zorn und mit gnadenloser Grausamkeit gegen die „Koalition des Bösen“, den Teufel und sein Pandämonium antritt und diese dann endgültig vernichtet. Beide Parteien kämpfen mit allen Arten von Massenvernichtungswaffen und setzen auch Naturkatastrophen und Seuchen als Kampfmittel gegeneinander ein.
5. Die Anhänger des „Militanten Messias“ bezeichnen sich als „Gotteskrieger“, die bereitwillig das Martyrium auf sich nehmen, um dadurch sofortige „Erlösung“ zu erlangen.
6. Vernichtet werden am Ende alle, die nicht den „wahren“ Glauben haben, erlöst werden dagegen alle Rechtgläubigen. Diejenigen, welche die apokalyptischen Kriege überleben, müssen sich einem Gericht stellen, das die restlichen Rebellen und Ungläubigen zu unsäglichen Höllenqualen verurteilt.
7. Nach seinem triumphalen Sieg über das Böse errichtet der „Militante Messias“ einen weltweiten, autoritativen „Gottesstaat“ (eine Theokratie oder eine Buddhokratie) mit dem eigenen Glauben als einziger Religion. Ein totalitärer Staat, in dem alle Gesetze von „Gott“ und nicht von den Menschen erlassen werden, in dem die absolute Macht durch ein militantes Priesterkönigtum ausgeübt wird und in dem die Frauen eine untergeordnete Rolle spielen, ist das Ziel jeder traditionellen Endzeitvision. Dieser religiöse Machtstaat wird in den apokalyptischen Schriften als das „Paradies auf Erden“ beschrieben.
8. 1000 Jahre (ein Millennium) lang dauert dieses paradiesische „Reich des Guten“. Danach geht es ebenfalls unter und der gesamte Planet Erde wird vernichtet.


Die allgemeine Gültigkeit der apokalyptischen Matrix für alle Glaubensrichtungen zeigt jedoch die ganze Absurdität des messianischen Endzeit-Wahns. Obgleich sie sich in einen gegenseitigen „Heiligen Krieg“ verstricken und sich in einer Konkurrenz um die Erlangung der Weltenherrschaft befinden, teilen die Apokalyptiker aller Religionen sehr ähnliche traditionalistische Wertvorstellungen insbesondere in ihrer konservativen Haltung gegenüber der Geschlechterfrage. Auch in ihren politischen Visionen ähneln sie sich. Vertreter der amerikanischen Christlichen Rechte, religiöse Zionisten, revolutionäre Islamisten, Hindu-Fundamentalisten und Dalai Lama Anhänger alle träumen von einer globalen Theokratie (bzw. Buddhokratie) ihres jeweiligen Höchsten Wesens. Insofern ist es im eigentlichen Sinne falsch vom „Kampf der Kulturen“ zu sprechen, denn die sich gegenseitig bekriegende „Kultur-Muster“ decken sich inhaltlich, strukturell und programmatisch in vielen Punkten. Die „Guten“ und die „Bösen“ im apokalyptischen Welttheater sind einander sich bekämpfende „Brüder“, die vom selben zerstörerischen dualistischen Geist, wenn auch jeweils mit umgekehrtem Vorzeichen, getrieben werden.
Interessant ist übrigens, dass sich Elemente dieser "apokalyptischen Matrix" auch bei "Fundamentalisten" weltlicher Heilsbewegungen, wie z. B. dem Kommunismus, finden lassen.
Die Gefahr religiöser Gewalt stammt nach Ansicht der Trimondis aus den Religionen selbst, aus ihrer blutigen Vergangenheit, insbesondere jedoch aus ihren Heiligen Texten. Das heißt, Toleranz und Friedfertigkeit sind nur Oberflächenphänomene, die jederzeit von "authentischeren", fanatischen, kriegerischen religiösen Strömungen hinweggeschwemmt werden können.

Mir stößen allerdings schon bei der Zusammenfassung zwei Dinge unangenehm auf:
Die Trimondis kultiviren wieder einmal ihr bevorzugtes Feindbild, den tibetischen Buddhismus, eine in der Praxis ausgesprochen friedfertige Religion. Wie schon in ihren umstrittenen Buch "Der Schatten des Dalai Lama" stellen sie dabei das Kalachakra-Tantra-Ritual in den Mittelpunkt, in dessen Mittelpunkt in der Tat ein apokalyptischer Text steht, in dem von einer "Letzten Schlacht zwischen Buddhisten und Muslimen" die Rede sein soll. Das wirkt sich allerdings weder auf die Rhetorik des Dalai Lama, noch auf die auf eine parlamentarische Demokratie und gewaltfreier Kompromiss-Lösung des Tibet-Konfliktes hinarbeitende tibetische Exilregierung, noch auf die von Dalai Lama in der Öffentlichkeit vertetenenen philosophischen, sprituellen und religiösen Lehren aus. Es ist gut möglich, dass es einen militanten buddhistischen Fundamentalismus gibt - die Trimondis nennen den „apokalyptischen Terrorismus“ des japanischen Sekten-Gurus Shoko Asahara (der allerdings schwerlich dem tibetischen Buddhismus nahestand - und auch vom japanischen Zen-Buddhismus nur das übernahm, was ihm in den Kram passte).
Es ist meines Erachtens aber ziemlich paranoid, den tibetischen Buddhisten und dem Dalai Lama zu unterstellen, sie wären insgeheim gewaltbereite Streiter für eine weltweite "Buddhokratie".

Der zweite Punkt ist die fast zur Quasi-Religion geronnene Religionsfeindschaft der Trimondis (bei der Lektüre ihres Dalai Lama-Buches kam mir der Begriff "strenggläubige Atheisten" in den Sinn). Genauso, wie einige militante "Muselfresser" den Islam an sich für eine gefährliche, menschenverachtende und gewaltigbereite Ideologie halten, so halten die Trimondis offensichtlich alle Religionen für gefährliche, menschenverachtende und gewaltigbereite Ideologien. Wobei sie sich in ihrem Pessimismus und ihrer Kompromisslosigkeit ironischerweise gar nicht mehr so sehr von religösen Apokalyptikern unterscheiden.

(Ich nehme die Gelegenheit war, auf diese meiner Ansicht nach sehr unterstüzenswerte Petion der Giordana Bruno-Stiftung hinzuweisen: "Nicht den Bock zum Gärtner machen!“ GBS-Petition gegen die religiöse Fundierung von Bildung und Erziehung . Amüsantes Detail: ich stehe auf der Unterschriftenliste genau unter dem Schriftsteller Max Kruse ("Urmel aus dem Eis").

Samstag, 22. April 2006

Wer hat's erfunden?

Aktueller Anlaß: Das am 20.04.2006 vorgestellte 'Bündnis für Erziehung', initiiert von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, soll Massnahmen zur 'besseren' Kindererziehung auf der Basis 'christlicher Werte' erarbeiten. Nicht er seit Kurzem, sondern seit eh und je verbreiten selbst liberale, demokratisch gesonnene und kritische Christen immer wieder die alte Legende:
Ohne Kirche würden wir noch Menschen fressen und uns gegenseitig umbringen. (Von den illiberlalen, undemokratisch gesonnenen und unkritischen Christen, die nach wie vor die Kirchenhierachien dominieren, will ich schweigen. Ebenso von den televangelilkalen Sturmtruppen und Fundamentalisten jeglicher Bauart.)

Jeder, der oder die sich auch nur überflächlich mit Kirchengeschichte befasst hat, der oder die auch nur mal die Bibel wirklich gelesen hat, müßte eigentlich wissen:

Alles, was am Christentum nicht jüdisch ist, ist heidnisch.

Nur zur Erinnerung: Das Christentum war, schon als es vom jüdischen Renegaten Paulus gegen den Widerstand der noch lebenden Jesus-Jünger, einschließlich Petrus, gegründet wurde, zutiefst anti-jüdisch. Weil seine Glaubensinhalte aber unzweifelhaft jüdisch waren, folgte ein dreister Diebstahl: schon die frühen Christen klauten, pardon übernahmen, zuerst die jüdische Bibel, die Moral, die Gesetze - um dann "die Juden" pauschal dafür zu versdammen, dass sie die "Göttlichkeit" des Juden Jesus, der selbst laut Evangelien niemals behauptet hatte, Gott zu sein, nicht anerkennen wollte.
Da ich kein Christ bin, gehe ich nicht darauf ein, inwiefern die besagte Initiative christlich legimiert ist. Es gibt durchaus Christen, die, wie Momo meinen: "Wohlverstandenes Christentum ist Glaube, nicht Indoktrination" und aus dieser Position heraus das "Bündnis für Erziehung" kritisieren Die Mutterkreuzlerin und die Bischöfin

Aber es soll hier nicht nur um Glaubensinhalte gehen.

Was meint Frau von der Leyen mit "christlichen Werten"?
Werte wie Respekt, Verlässlichkeit, Vertrauen und Aufrichtigkeit sind Leitplanken, die unseren Kindern helfen, ihren Weg ins Leben zu finden.
Dazu ist zweierlei zu sagen: Erst einmal, dass die genannten Begriffe keine (moralischen) Werte, sondern Sekundärtugenden sind. Sinnvolle Sekundärtugenden, sicherlich, aber auch solche, mit denen sich auch eine Diktatur betreiben ließe. Zweitens, dass die "Leitplanken" schwerlich originär oder gar exklusiv christlich sind.

Hinzu kommt die sowohl in den christlichen Kirchen wie in der deutschen politische Traditon tief verwurzelte Auffassung, Werte von oben herab, per "Gebrauchsanweisung" vermitteln zu können. Zwei verwandte Formen des utopischen Denkens sind wohl, zumindest in Deutschland, unausrottbar: Der feste Glauben an die Macht der Erziehung sämtliche sozialen Probleme lösen zu können und das durch häufiges Versagen ungetrübte Vertrauen in "Top down"-Ansätze: hier die Elite der "Entscheider" die sagt, wo es lang geht, dort das dumme Volk, das zur Einhaltung der moralischen Vorschriften und Sekundärtugenden programmiert erzogen werden muss.

Zurück zur Ausgangsfrage: Wer hat's Erfunden? Woher stammen die Grundlagen der westlichen Demokratie, des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, von der Frau von der Leyen irrtümlich meint, die ersten 19 Artikel seiner Verfassung seien nur eine "Zusammenfassung der 10 Gebote"?

Pauschalisiert läßt sich sagen:
Die Perser erfanden die föderalistische Regierungsform, die Griechen die Demokratie, die Juden die Gleichheit vor dem Gesetz, die Phönizier die Marktwirtschaft, die Römer die offene Gesellschaft, die Chinesen den Beamtenstand, die Isländer den Parlamentarismus. (Keine der genannten Kulturen war christlich geprägt.)
Gewaltenteilung ist eine Errungenschaft der Aufklärung und der amerikanischen und der französischen Revolution, ebenso die universalen Menschenrechte (einschließlich Religionsfreiheit). Sie mußten bekanntlich gegen den Widerstand der eng mit dem Feudalsystem verbundenen Kirchen durchgesetzt werden.

Freitag, 21. April 2006

Schlecht, dass sie nicht verglichen hat ...

Die ersten 19 Artikel unseres Grundgesetzes fassen doch im Prinzip die zehn Gebote zusammen.
Bundesfamilienministerin von der Leyen, im Zusammenhang mit dem von ihr angestreben "Bündnis für Erziehung".

Gut, dann sehen wir doch mal nach:
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Zehn Gebote

Mehr zum Thema "von der Leyen & ihr Bündnis für (christliche) Erziehung":
heise telepolis:Die Integrationsunfähigkeit der deutschen Minister
Jens Scholz: Ui, da schwebt sie

Süddeutsche Zeitung:Erziehung leicht gemacht
Zeit online:Zurück in die 50er Jahre
taz: Von der Leyen: Ärger mit den Werten

IBKA:Von der Leyens Märchenstunde: Christliche Erziehung

Donnerstag, 13. April 2006

Auf den Weg zum "Gottesstaat"

Der neueste Vorschlag zur Überwindung der religiösen Toleranz von CSU-Generalsekretär Markus Söder:
Aus diesem Grund setzt sich Söder für ein stärkeres Blasphemie-Verbot im Strafrecht ein. Alle zentralen religiösen Symbole müssen besser vor ungehemmten Verunglimpfungen geschützt werden. „Wir brauchen ein klares Blasphemie-Verbot im Strafrecht. Dazu muss § 166 StGB um konkrete Schutztatbestände erweitert werden.
... ach übrigens, die "ungehemmte Verunglimpfung" (der Streit um die Mohammed-Karikaturen läßt schön grüßen):

Popetown-Jesus

Nachtrag: die evangelische Kirche in Bayern zieht nach und läßt diese nicht mehr im Dorf und findet die CSU-Initiative ganz prima: Bayern strebt besseren Schutz religiöser Gefühle an

Und, eine persönliche Anmerkung: ein Gott, der sich von Kleinigkeiten wie Satiren tötlich beleidigen läßt, der verdient es einfach nicht, ernst genommen und verehrt zu werden. Wenn Christen bzw. Moslems bzw. andere ihrem Gott so eine Haltung zutrauen (ich traue es J'h'w', Allah und dem "Dreieinigen" übrigens nicht zu - und auch allen anderen Götter, die so ich kennen, nicht), dann spricht es nicht gerade für sie und für ihr Gottesbild. Gotteslästerung ist es, wer meint, ein Gott würde nicht durch offensichtliche Unterdrückung und Verfolgungen in seinem Namen gelästert werden. Verunglimpfung der Religion ist, mittels Religion Unterdrückung und Verfolgung zu rechtfertigen.

Montag, 27. März 2006

Xenu rulez!

... und noch ein "me too"-statement: Offensichtlich kommt man als religiöser Fanatiker mit jeder Drohung durch, wenn man sich beleidigt fühlt. Auch wenn man nur Mitglied einer eher lächerlichen Sekte ist.
We have a new cartoon-blasphemy scandal. No, it’s not Islamists burning down Kentucky Fried Chicken stores in Pakistan because a few Danish cartoonists had the gall to draw the prophet Muhammad. Now it’s Scientology versus the popular and hilarious cartoon television programme South Park. And the Scientologists, like the Islamists before them, are winning.
Die ganze Meldung bei Sunday Times online: Hey Chef, these guys are killing free speech

Xenu ist übrigens ein böser galaktischer Herrscher aus - nein, nicht etwa einem besonders trashigen SciFi-Cartoon der alleruntersten Qualitätsstufe, sondern aus der religiösen Lehre der "Church of Scientology" (tm). alien

(Via fdog.)

Übrigens: im sekteninternen Sprachgebrauch von Scientology bedeutet "ethisch" soviel wie "den Interessen der Scientology-Organisation dienlich". Diese Sprachregelung scheint auch bei anderen Organisationen gebräuchlich zu sein.

Sonntag, 12. März 2006

Die EMMA ruft zum Widerstand

Bravo, EMMAnzen! So klare Ansagen ohne irgendwelche Seitenhiebe wünsche ich mir auch von anderen Medien:
Nachdem die Welt den Faschismus, den Nazismus und den Stalinismus überwunden hat, sieht sie sich nun einer neuen totalitären, globalen Bedrohung gegenüber: dem Islamismus. Wir – Schriftsteller, Journalisten, Intellektuelle – rufen darum zum Widerstand gegen den religiösen Totalitarismus auf und zur Unterstützung der Freiheit, Chancengleichheit und säkularen Werte für alle. (...)
(...) Wir weisen jeden Kulturrelativismus zurück, der es hinnimmt, dass Frauen und Männern aus der muslimischen Kultur im Namen einer Rücksichtnahme auf “andere” Kulturen und Traditionen ihr Recht auf Gleichheit, Freiheit und säkulare Werte vorenthalten wird. Wir weigern uns, unseren kritischen Geist aus der Furcht zu verleugnen, der Islamophobie bzw. des Rassismus beschuldigt zu werden.(...)
Der ganze Text: Manifest: Gemeinsam gegen den neuen Totalitarismus

Inhaltlich knüft das Manifest an das am 1. März vom französischen Satiremagazin Charlie Hebdo veröffentlichte "Manifest der 12" an. (Hier die englische Version von Jyllands-(Kom)Posten - aber trotzdem: MANIFESTO: Together facing the new totalitarianism)

Via: Freunde der offenen Gesellschaft

Nachsatz: was für den Islamismus gilt, gilt sinngemäß auch für andere Formen des religiös begründeten Totalitarismus. Allerdings können z. B. christlich-fundamentalistische Gruppen im Moment die Demokratie nicht derart in Bedrängnis bringen. Im Moment!
Ich bin der Ansicht, dass der in Offenbarungsreligionen immanente Anspruch auf absolute Wahrheit der jeweiligen Offenbarung zu Intoleranz, Iliberalität und straffer Hierarchie (gr. "heilige Herrschaft") führt - wenn ihn nicht Einhalt geboten wird! Nur solche Religionsgemeinschaften, die bereit sind, auf den absoluten Wahrheitsanspruch ihrer Offenbarung zu verzichten, sind demokratieverträglich.
Dazu gehört, dass sie den Vorrang "weltlicher" Rechtsvorschriften jederzeit anerkennen, von ihrem religiös begründeteten moralischen Codex abweichende moralisch-sittliche Haltungen nicht bekämpfen und den Unterschied zwischen mytischen "Glaubenwahrheiten" und wissenschaftlichen Erkenntnissen kennen und respektieren.

Samstag, 11. Februar 2006

Einfach göttlich: Datenbank für Götter

So, wenden wir uns etwas erfreulicherem zu: den Götter!

Soeben habe ich eine Online-Datenbank entdeckt, die für überzeugte Polytheisten wie mich ein Quell der Freude ist:
Godchecker - your Guide to the Gods
Die Datenbank umfasst derzeit über 2.850 Götter. Es ist natürlich kein bierernst gemeintes mythologisches Lexikon, sondern eher ein göttlicher Spaß.

Kleine Kostprobe - unter "Donar" findet man u. A.:
DONAR: The Original Thundergod who donated the symbol of the Thunderbolt to THOR.
This symbol was in the form of a swastika. It should have been used on the Nazis and not by them. Despite their Teutonic twaddle the Nazis were not nice or Norse.
Dem ist aus heidnischer Sicht nur zuzustimmen, selbst wenn man nicht der Ansicht ist, dass Thor der mythologische Nachfolger Donars ist.

Mittwoch, 8. Februar 2006

In Reykjavík wird neuer Ásatrú-Tempel gebaut

In Islands Hauptstadt Reykjavik sollen innerhalb der nächsten Jahre drei neue Gebetshäuser errichtet werden, berichtete die Zeitung Fréttabladid.
Drei Religiongemeinschaften wurden städtische Grundstücke zugesagt: Der Russisch Orthodoxen Kirche, der Vereinung der isländischen Muslime und der Vereinigung der (neu heidnischen) Ásatrú.

Für die Ásatrúar ist ein 1.500 - 2.000 Quadratmeter großes Grundstück vorgesehen, auf dem ein 700 Quadratmeter großer Tempel errichten werden soll.

Quelle Iceland Review:
New places of worship erected in Reykjavík

Via:Witchvox

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