Politisches

Montag, 28. April 2008

Update: Gegendemo gegen Nazikundgebung in Hamburg am 1. Mai

Das Hamburger Bündnis gegen Rechts (HBgR) organisiert am 1. Mai eine Gegendemonstration gegen die von der NPD und den "Freien Nationalisten" (überwiegend Neonazis, denen die NPD noch "zu lau" ist) geplante Kundgebung in Hamburg Barmbek.
Getragen wird die Gegendemo von einem breiten Spektrum aus Gewerkschaftlen, AnwohnerInnen- und Bürgerintiativen, politischen Parteien und politischen Gruppen und Organisationen.

Das Ziel: Es sollen sich so viele Menschen in Barmbek versammeln, dass es den Neonazis nicht möglich wird, ihre menschenverachtenden und rassistischen Parolen zu verbreiten. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßt die angekündigten Proteste und verurteilt den Aufmarsch der Neonazis.
Antifaschisten protestieren gegen den bundesweiten Naziaufmarsch in Barmbek.

Noch einmal hinweisen möchte ich auf das Freiluft-Konzert mit Deichkind, Samy Deluxy, Jan Delay, Plemo usw. am 29. April (also morgen abend!) am Busbahnhof Barmbek. Info

Update: Es gibt Probleme mit der Genehmigungsbehörde hinsichtlich der Route für die Gegendemonstration am 1. Mai - die Fuhlsbüttler Straße, wichtigste Einkaufs- und Gastronomiestraße in Barmbek, soll für den stark gesicherten Naziaufmarsch reserviert werden, während die Gegendemo deutlich räumlich getrennt auf Nebenstraßen verwiesen wird.

Deshalb haben verschiedene Gruppen vorgeschlagen, sich nach der Demonstration an und in den zahlreichen geöffneten Cafés und Bars der Fuhlsbüttler Straße zu versammeln, in der Hoffnung, dass sich dort so viele Menschen versammeln, dass kein Platz mehr für die Neonazis. Ab 13.00 Uhr lautet also das Motto “Barmbek nimmt Platz!”

Treff für die Gegendemo in Barmbek: 1.Mai 2008, 10 Uhr Wiesendamm.

Noch ein Nachtrag: Wieso schreibe ich das alles hier, es steht doch längst auf dem npd-blog: "Barmbek nimmt Platz!"?

Donnerstag, 24. April 2008

75 Jahre Bücherverbrennung -

Vor 75 Jahren brannten überall in Deutschland zuerst Bücher. Später wurden Menschen verbrannt - im Wesendlichen mit der gleichen "Begründung". Hierzu schrieb ich vor einem Jahr einen ausführlichen Beitrag: "Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen", dem ich später einen weiteren Beitrag zu diesem ebenso traurigen wie wichtigen Thema folgen ließ: Bandlöcher - Persönliche Nachträge zum Thema Bücherverbrennung.

Denn es geht nicht in erster Linie um Nazi-Deutschland. Das es der absolute Tiefpunkt der Zivilisation und ein Verbrecherstaat ohne Beispiel war brauche ich niemandem mehr zu erzählen. Es geht darum, dass die Bücherverbrennungen von 1933 in einer langen "Traditionslinie" stehen und Resultate eines Denkens sind, das auch heute noch wirkt.
Es ist daher weniger beschämend als bezeichnend, dass es nur in wenigen der vielen deutschen Städte, in denen Bücher verbrannt wurden, Erinnerungszeichen gibt.

In der "europäischen Kulturhauptstadt" 2010, in Essen, gibt es immerhin ein kleines Mahnmal. Es steht auf dem Gerlingplatz, ist allerdings hinter einem Jägerzaun versteckt und wirkt leider ziemlich schäbig. Es sieht ganz so aus, als ob es dabei bleiben würde. Mehr dazu auf hpd-online: Erinnerungszeichen zur Bücherverbrennung....

Bezeichnend finde ich den Verweis des Kulturreferenten Prof. Scheytt, der auf den befürchtenden "allgemeinen Vandalismus" und hohe Folgekosten hinweist. Ich fürchte, dass das mehr ist als eine der gängigen Ausreden, wenn man etwas ohnehin schon nicht will.

Es ist leider tatsächlich absehbar, dass es "Vandalismus" gegen ein aufälligeres Mahnmal geben wird - und zwar weniger "allgemeinen Vandalismus" als mutwillige Verwüstung durch Neonazis / Dummdeutsche. Damit sind nicht nur "Folgekosten" verbunden, sondern vor allem ein "Imageverlust" - die gern verdrängte, aber in allen deutschen Städten mehr oder weniger vorhandene "braune Szene" samt Mitläufern und Beifallklatschern würde sichtbar.

Ich bin für solche Mahnmale. Am Besten unübersehbar und absichtlich "störend" gestaltet - und aus solidem Edelstahl - denn es wäre naiv, den "Vandalismus" nicht gleich mit einzuplanen. Und nicht nur in Essen.

Donnerstag, 17. April 2008

29. April: Gegendemo mit Live-Konzert!

Am 1. Mai planen Rechtsextreme in Hamburg-Barmbek einen Aufmarsch.
Es gibt selbstverständlich eine Gegenveranstaltung - und zwar eine, die sich lohnt: am 29. April ab 16 Uhr am Busbahnhof Barmbek. Mit Live-Konzert. Mit zum Teil sehr prominenten Musikern.
Mit dabei sind: Deichkind - Schneller Autos Organisation - Holger Burner & Phillie Brandt - Samy DeLuxe - Jan Delay - Miss Leema - Silly Walks Soundsystem - Turbostaat - Knarf Rellöm Trinity - Plemo.

Weitere Infos zum Konzert gibt's hier!

Dienstag, 25. März 2008

Vom olympischen Geist

reporter ohne grenzen

Ja, ja, ich höre immer wieder, dass Sport und Politik nichts miteinander zu tun hätten. Für diese gespielte Naivität hätte ein "alter Grieche" unsere Sportfunktionäre, sich mit Sportlern schmückende Politiker und die an Sportlern verdienende Industrie laut ausgelacht. Denn das antike Olympia war eine hoch politische (und nebenbei auch hoch religiöse) Veranstaltung. Und die antiken Athleten waren allesamt "Profis".

Natürlich will China eine große Propagandashow abhalten. Selbstverständlich wird auch zu Olympia 2008 gedopt und manipuliert werden, wie bei allen vorhergegangenen olympischen Spielen - tendenziell wahrscheinlich mehr, denn der Gastgeber hat das staatliche Dopingsystem ähnlich perfektioniert wie seine Internet-Zensur und seine Überwachungssysteme - auch dank bereitwilliger Hilfe "westlicher" Unternehmen.
Selbstverständlich werden die zahlreichen akkreditierten Journalisten über die wahren Zustände in China abseits der Sportstätten nicht berichten können - wenn sie denn überhaupt wollen, was ich bei den meisten Journalisten ohnehin nicht annehme.
Und selbstverständlich ist die "Tibet-Frage" nicht der einzige blutig unterdrückte Widerspruch in einem Land, dass den Beweis zu liefern scheint, dass erfolgreicher Kapitalismus keine Bürger- und Menschenrechte braucht. Nur haben die Tibeter das Glück, dass sie mit dem Dalai Lama einen Medienliebling als Vertreter ihrer Exilorganisation haben. Die ebenso unterdrückten Uiguren z. B. können von ähnlicher Aufmerksamkeit nur träumen.
Und selbstverständlich wird ein Boykott, wenn er dann wider Erwarten kommen sollte, ohne Wirkung bleiben.
Denn bekanntlich werden selbst größte Widersprüche in der europäischen Außenpolitik hingenommen, um Geschäfte in China zu sichern.

Warum stelle ich trotzdem diese Graphik in mein Blog?
Weil eines nicht selbstverständlich ist, nicht nur in China: Die freie Meinungsäußerung. Die wir bei uns leichtfertig verspielen, die wir uns unbedacht klauen lassen, unter dem Vorwand der "Sicherheit". Die falsche Alternative "Sicherheit oder Freiheit" ist in China der Vorwand, Bürger- und Menschenrechte zu ignorieren. Leider eifern auch "westliche" Politiker diesem Vorbild nach.

Eines kann man vom Leistungssport tatsächlich lernen: Wer resigniert hat schon verloren.

Angeregt durch Stefan Niggemeier.

Montag, 25. Februar 2008

Erfreuliches Ergebnis der Hamburger Bürgerschaftswahl

Trotz beschämend niedriger Wahlbeteilung und der Tatsache, dass Ole von Beust trotz deutlicher Verluste der CDU wohl Erster Bürgermeister bleibt - über ein Ergebnis der Bürgerschaftswahl habe ich mich gefreut: Über das Abschneiden der DVU - sie kommt auf 0,8% der Stimmen. NPD-Blog: Hamburg: DVU bleibt unter einem Prozent.

In den Wahlkreisen Altona sowie Rotherbaum/Harvestehude/Eimsbüttel Ost lag die DVU sogar hinter “Die Partei“ (einem parodistischen Projekt der Satirezeitschrift "Titanic"). Im Stadtteil St. Pauli holte “Die Partei” sogar 2,3%, die DVU hingegen 0,6%.
Dabei waren in Hamburg die "Umweltbedingungen" für Freys Gartenzwerg-Nazis günstig: eine sehr niedrige Wahlbeteiligung, ein lahmer Wahlkampf zwischen CDU und SPD - und ein ohne Zweifel (siehe die Erfolge der "Schill-Partei" vor einigen Jahren) vorhandenes Potenzial "rechts von der Mitte". Dennoch konnte die DVU kein Bein an Land bekommen.
(Und wer vermutet, der andere "Partner" im "Deutschlandpakt", die NPD, hätte es leichter: Bei der letzten Wahl 2004 in Hamburg hatte die NPD "machtvolle" 0,3 Prozent der Stimmen erreicht.)

Montag, 28. Januar 2008

Botschaft aus einem Paralleluniversum?

Auf welt.de: Merkel sieht Regierungsauftrag bei Koch

Sonntag, 6. Januar 2008

Mythische Politik

Nach einem sarkastischen Ausspruch werden Politiker vom Volk gewählt, um Probleme zu lösen, die das Volk ohne Politiker gar nicht hätte.

Dass es sich beim Wahlkampfgetöse um die "Harte Hand" gegen "Jugendliche Gewalttäter" um "brutalstmöglichen Populismus" handelt, dürfte inzwischen bei Allen, die sich nicht nur aus der "Bild" informieren, angekommen sein. Trotzdem stärkt die CDU, bis hinauf zur Kanzlerin, dem Wahlkämpfer Koch den Rücken.
Warum? Weil ein Politiker, der verspricht, gegen eine allgemein gehasste Tätergruppe "hart durchzugreifen", automatisch den Zuspruch eines großen Teils der Bevölkerung erhält. Was nicht (nur) daran liegt, dass der "autoritäre Persönlichkeitstyp" in Deutschland besonders verbreitet wäre.
In den USA hat sich schon lange herausgestellt, dass ein Politiker, der verspricht "Tough on Crime" zu sein, vor allem ansonsten wenig an Politik interessierte Wähler an die die Urnen treibt. Bei notorisch geringer Wahlbeteiligung - ein Dauerproblem in den USA und ein wachsendes Problem in Deutschland - ist der "Angstpopulismus" bzw. "Hasspopulismus" tatsächlich ein "gutes" Rezept zum Machterwerb und Machterhalt. Es ist vor allem der großzügigen Anwendung dieses "Patentrezepts" zu "verdanken", dass die USA inzwischen Weltrekordhalter beim Verhängen von Haftstrafen sind und fragwürdige Einrichtungen wie "Boot Camps" für jugendliche Straftäter in manchen Bundesstaaten flächendeckend anzutreffen sind.

Warum Angst- bzw. Hasspopulismus funktioniert, erläutere ich mal am Beispiel eines Sexualmordes an einem Kind. Dieses Verbrechen erregt bei einem moralisch halbwegs "normalen" Menschen unweigerlich tiefe Abscheu - und ganz intuitiv, aus dem "Bauch heraus" den Impuls nach Vergeltung. Es erfordert ein großen Ausmaß an moralischer Anstrengung, an Vernunft, an geistiger Reife, auf "Rache" zugunsten eines an zivilisierteren moralischen Normen orientierten Verhaltens zu verzichten - was ganz einfach damit beginnt, dass auch für einen dringend Tatverdächtigen die Unschuldsvermutung gilt, oder das der Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" auch in solchen Fällen gilt.

Es ist anstrengend, bei bestimmten Verbrechen einen kühlen Kopf zu behalten. Primitiven Rachegelüsten zu folgen, fällt dagegen leicht. Deshalb ist es relativ einfach (da nehme ich mich nicht aus) an solche "niederen Instinkte" zu appellieren.

Politiker wie Koch appellieren also an einen uralten Mythos: den der gerechten Vergeltung. Sie appellieren auch an ein uraltes Verhaltensschema: in Zeiten der Gefahr scharrt sich die Horde um den Anführer. Weshalb ein Politiker dieses Typus alles tun wird, um Angst zu verbreiten und um Feindbilder zu konstruieren. (Mögen sie auch so virtuell sein wie das vor einigen Wochen von Koch angekündigte Burka-Verbot zugrunde liegende. Bisher wurde an hessischen Schulen noch nie eine Schülerin im Ganzkörperschleier gesichtet.)
Hinzu kommt ein geschichtlich gesehen relativ moderner Mythos: der Glaube an die Abschreckung durch harte Strafen.

Nicht zu vergessen ist der Aspekt, dass die Mehrheit der Hass- und Angstpopulisten keineswegs kühl kalkulierende Machtmenschen sind. Sie werden selbst von Angst und Hass getrieben, wenn auch nicht unbedingt von den selben Ängsten und tiefen Abneigungen, an die sie beim Wahlvolk appellieren.

Weil der Appell an den "inneren Schweinehund" so einfach und, da er auf tiefe Schichten unserer Psyche zielt, so wirksam ist, stellt er eine große "inheränte" Gefahr für die Demokratie dar. Demokratie ist, daran sei erinnert, etwas anderes eine Herrschaft, die die Zustimmung einer Bevölkerungsmehrheit genießt. Hitler genoss zwischen 1936 und 1942 die uneingeschränkte Unterstützung einer überwältigenden Mehrheit der Deutschen - und Stalin ist im heutigen Russland immer noch extrem populär.

Es gibt aber noch einen anderen Grund, weshalb gesetzgeberischer Aktionismus bei Politikern und bei nicht wenigen Wählern so beliebt ist: er simuliert Handlungsfähigkeit. Auf vielen Problemfeldern kann "die Politik" wenig ausrichten, zumindest nicht kurzfristig. Ein wirkungsloses (oder gar kontraproduktives) Gesetz zu verabschieden, zeigt dem Wähler: "Wir tuen was" - und signalisiert dem politischen Entscheider, dass er wirklich etwas zu entscheiden hat.
Ein aktuelles Beispiel, aus faz.net: Kampf gegen ein Phantom.
Die Initiatoren der sogenannten Umweltzonen in der Hauptstadt Berlin und in Hannover und Köln haben ein unerwartetes Problem. Denn der gesundheitsschädliche Feinstaub, den Fahrverbote in den Umweltzonen vermindern sollen, hatte bereits vor deren Start zum Teil dramatisch abgenommen.
Auch wenn das Feinstaub-Problem damit nicht vom Tisch ist, zeigt sich offensichtlich, dass auch weniger drastischen Maßnahmen als die "Umweltzonen" (deren Nutzen ohnehin umstritten ist, da der Feinstaub sich nicht an Grenzen hält) greifen. Aber "hartes Durchgreifen" ist populär und vor allem: jeder bekommt mit, "das was getan wird".
Das Beispiel der Umweltzonen ist auch in andere Hinsicht ein gutes Beispiel: Vielen ihrer Befürworter haben ein anderes, meiner Ansicht nach sinnvolles, aber wahrscheinlich unpopuläres, Ziel auf der Agenda: das Auto als Verkehrsmittel möglichst ganz aus den Innenstädten zu verdrängen. So ein Ziel über den "Verstand" zu vermitteln ist schwierig. Einfacher geht es über Angst.

Donnerstag, 6. Dezember 2007

"Die Linke" ist doch eine sehr normale deutsche Partei ...

"Die Linken" treten mit dem Anspruch auf, sich grundsätzlich von den anderen im Bundestag vertretenen Parteien zu unterscheiden. Nimmt man Katina Schubert von der "Linken" als Beispiel, scheinen sie nicht allzu viel von freier Meinungsäußerung zu halten, das Internet nicht so recht verstanden zu haben und viel Wert auf symbolische Maßnahmen "gegen Nazis" zu legen, die heutigen Rechtsextremisten wenig weh tun dürften. Also ganz auf Regierungslinie.

Jedenfalls legt ihre Strafanzeige gegen das Internetlexikon Wikipedia wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole diese Vermutung sehr nahe: Nazis raus aus der Wikipedia. Die Wortwahl klingt - bis auf das Adjektiv "erfreulich" - jedenfalls seltsam vertraut: "Seine erfreulich offene Struktur macht „Wiki“ leider auch zu einem wenig kontrollierbaren Einfallstor für rechte und rechtsextreme Ideologien."
Ja, es stimmt, dass Rechtsextreme (und andere) Ideologen immer wieder versuchen, ihren Hirnmüll in der "Wikipedia" unterzubringen. Wie man sich anhand der Diskussionen zu zeitgeschichtlichen Themen überzeugen kann, hat er dort keine nennenswerte Überlebenszeit. (Anders z. B. als in gedruckten Nachschlagewerken, so fand sich in den Auflagen bis 1996 der "Propyläen Geschichte Deutschlands" mutmaßlich neu-rechtes und geschichtsrevisionistisches Gedankengut.)

Außerdem würde die Strafanzeige nur die deutsche Wikipedia betreffen. Oder beabsichtigt Frau Schubert, deutschen Nutzern künftig den Zugriff auf "ausländische" Wikipedias zu verweigern? (Analog der Umleitung auf Google.de - die sich übrigens umgehen läßt.)

Wie dem auch sei, gegen rechtextremes Gedankengut in den Köpfen der Menschen helfen solche Aktionen nichts. Dagegen hilft nur Aufklärung. Und keine kleinkarierten Verbote, die sich durchaus mal gegen Antifaschisten wenden können. Oder gegen auffällige Lederknöpfe.

(Via: ZAF )

Donnerstag, 22. November 2007

Es geschah in Mölln - vor 15 Jahren

Am 23. November 1992 verübten Neonazis Brandanschläge auf zwei Wohnhäuser in Mölln, die von türkischen Familien bewohnt wurden. Dabei starben drei Menschen und neun weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Es war "nur" ein Anschlag von zahlreiche Brandanschläge gegen Migranten und Asylbewerber, die zwischen 1991 und 1993 in Deutschland vor allem, aber nicht nur, von Neonazis verübt wurden.
Ein Anschlag von vielen.

Anfang der 90er Jahre gab es in Deutschland eine bis dahin beispiellose Serie von xenophoben Anschlägen.
Xenophob - wörtlich "gast-ängstlich" - beschreibt den Charakter dieser Anschläge besser als die deutsche Entsprechung "fremdenfeindlich" oder "ausländerfeindlich" - und sogar "rassistisch". Es läuft darauf hinaus, Menschen, die im Wortsinn "nicht normal" sind, die also eine Norm, wie ein Deutscher gefälligst zu sein hat, nicht erfüllen, zu eliminieren - wobei das Spektrum des "Eliminieren" von (Zwangs-)Assimilieren über Vertreiben bis Umbringen reicht.

Leider goss die "große Politik", trotz allerlei Betroffenheitsadressen, trotz Empörung über die rechtsextremistischen Täter, kräftig Öl ins Feuer. Die Brandanschläge gingen einher mit einer - anders kann man es nicht nennen - Hetzkampagne gegen Asylbewerber. Teilweise wird das der Taktik der Unionsparteien geschuldet sein, das vermeintliche Wählerpotenzial am "rechten Rand" abzuschöpfen - die "Republikaner" profilierten sich damals mit fremdenfeindlichen Parolen. 1993 gipfelte die Auseinandersetzung um die Asylkampagne der CDU in einer de-facto Abschaffung des Asylrechts (Grundgesetzänderung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP).
Allerdings ist xenophobes Denken keine "Spezialität der politisch Rechten". Man könnte sogar darüber spekulieren, dass die Xenophobie eine Reaktion auf gut gemeinte, aber unkritische, "Multi-Kulti-Seeligkeit" gewesen sein könnte. Oder darüber, dass nach der Vereinigung Deutschlands der verschüttete Nationalismus ans Tageslicht kam. Aber das sind, denke ich, Randfaktoren. Der entscheidende Faktor war wohl primitive ökonomische Konkurrenzsangst - die Angst vor dem "Sozialschmarotzer". Die bis heute gern politisch instrumentalisiert, ja gefördert wird - bis weit in die SPD und "die Linke" hinein.

Die angeheizte xenophobe Stimmung in der Bevölkerung gipfelte in den Ausschreitungen von Rostock/Lichtenhagen (1992) sowie den Brandanschlägen in Mölln (1992) und Solingen (1993). Insgesamt wurden im Jahr 1992 mindestens 25 Menschen aus xenophoben Motiven ermordet.

"Mölln" stellte einen Wendepunkt innerhalb dieser Anschlagserie dar.
Die beiden Brandanschläge in der Nacht zum 23. Novemer 1992 zeigten, dass solche Anschläge keine "ostdeutsche Besonderheit" waren. Sie hatten, auch das war neu, kein Asylbewerberheim zum Ziel, sondern seit Jahre in Deutschland lebende türkische Einwanderer. Und anders als andere, eher "spontane" Brandanschläge war der Anschlag von Mölln ein kaltblütig geplanter Mord. In einem der Häuser gossen die Täter zunächst Benzin in das Treppenhaus und zündeten es an. Damit war der Fluchtweg blockiert. Dann warfen sie warfen einen Molotowcocktail auf die Rückseite des Hauses. Für die 51 jährige Großmutter und zwei Mädchen, 10 und 14 Jahre alt, die sich im ersten Stock aufhielten, gab kein Entkommen. Wegen dieses kaltblütigen Plans wurde zunächst auch in Richtung "Hamburger Unterwelt" ermittelt. (Mölln ist nicht allzu weit von Hamburg entfernt.) Aber es bestanden von Anfang an wenig Zweifel, dass die Täter in Neonazi-Kreisen zu suchen waren. (Beim Notruf meldete sich in der Brandnacht ein Anrufer mit den Worten: "In der Ratzeburger Straße brennt es. Heil Hitler!" und später "In der Mühlenstraße brennt es. Heil Hitler!")
In der Folge wurde es östlich von Hamburg "unruhig", es organisierte sich eine "türkische Bürgerwehr", es gab Schlägereien zwischen türkischen und deutschen Jugendlichen, die oft, aber leider nicht immer, Neonazis waren. "Mölln" war Thema in den Hauptnachrichten, auch international. Was ich höchst peinlich fand: Bundeskanzler Helmut Kohl fuhr damals, statt an der Trauerfeier teilzunehmen, direkt zum Berliner CDU Parteitag.

Nach 1990 fühlten die Neonazis, dass sie "Oberwasser" bekamen, dass "rechte" Themen wie die (angebliche) "Asylantenschwemme" die Wahlkampfveranstaltungen bestimmten. Das (vermeindlich) hilflose Agieren der "Gutmenschen" zwischen Lichterkette und Mahnadresse bestärkte sie noch in ihrem Selbstbewußtsein.
Allerdings nahmen auch die Aktivitäten der "Antifa" zu - wobei es die "Antifa", im Sinne einer einheitlichen politischen Weltanschauung oder einer einheitlichen Strategie, nie gab. Was die Antifa zusammenhält, ist der gemeinsame Gegner. Vor allem schaffte es die Antifa damals erstmals Bundesgenossen bis weit ins bürgerlich-liberale Spektrum zu gewinnen. Ich merkte das daran, dass Gegendemonstranten gegen Nazi-Veranstaltungen in der Regionalpresse nicht mehr gewohnheitsmäßig als "linke Chaoten" oder ähnlich bezeichnet wurden. (Eine Tendenz, die sich leider nicht bei allen Zeitungen bzw. Medien durchgesetzt hat!)

Im Jahr nach den Anschlägen gründete sich in Mölln der Verein "Miteinander Leben e.V." Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, das Zusammenleben von deutschen und MigrantInnen in der Region zu verbessern und Aufklärungsarbeit gegenüber rechtsextremistischen Auswüchsen in der Gesellschaft zu betreiben.

Und heute?
Diese pogromartige Stimmung Anfang der 1990er-Jahre gibt es zum Glück heute nicht mehr. Aber die Gefahr der Xenophobie ist natürlich nicht verschwunden. Immer wieder kommt es zu Gewalt gegen Einwanderer, "Ausländer", da reicht ein Blick in die Verfassungsschutzberichte.
In der Nacht vom 1. auf den 2. Juni 2007 versuchten mehrere Neo-Nazis mit Hilfe eines Fahrradständers in die Internationale Begegnungsstätte in Mölln einzudringen. Bei diesem Haus handelt es sich um das Brandhaus in dem 1992 drei Menschen ums Leben kamen.Nach dem den Nazis das Eindringen misslang, schlugen diese eine Scheibe ein, verklebten AntiAntifa-Aufkleber und flüchteten bevor die Polizei eintraf.
(Quelle: Indymedia)

Es gibt in der Kleinstadt Mölln eine aktive "Anti-Antifa", personell wohl eher klein, aber mit unangenehm hohem Gewaltpotenzial. Anfang 2007 machte sie erstmals durch Angriffe auf "Ausländer" (oder Menschen, die sie dafür hielten), Aufkleberaktionen auf das Brandhaus in der Mühlenstrasse, sowie Observationen von einzelnen "Linken" (oder Menschen, die die Anti-Antifa dafür hält) von sich reden.

Zur Zeit finden antifaschistische Aktionswochen in Mölln statt, um den Brandanschlägen zu gedenken und über Naziaktivitäten und Strukturen zu informieren.

Auf "MUT gegen rechte Gewalt":Stadt mit Stigma

5 Jahre alter, aber immer noch aktueller, Artikel der "Jungle World":
Lieber zum Parteitag

Mittwoch, 14. November 2007

SPD-Bundestagsabgeordnete in Dosen?

Jedenfalls ging mir das beim heutigen Einkauf durch den Kopf:
SPD-Bundestagsabgeordnerter
(Foto: M. Marheinecke)

Der Anlass meines Vergleichs dürfte bekannt sein: Weniger unerträglich

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