Politisches

Sonntag, 14. Juni 2009

Volk 1.0?

verlierer

"Verlierer des Tages" am 12.Juni.2009 war, laut BILD, Björm Böhning:
Der Sprecher der SPD-Linken, Björn Böhning (31), will den Gesetzentwurf der Großen Koalition zur Sperrung von Kinderporno-Seiten im Internet zu Fall bringen. Der Entwurf sieht vor, dass solche Websites durch Stoppschilder gekennzeichnet werden. Wer sie trotzdem aufruft, wird strafrechtlich verfolgt. Für Böhning ist das laut "Spiegel Online" nur "Alibi-Politik".

BILD meint: Stoppt Böhning!
Wer ist schon gegen Kinderporno-Gegner? (bildblog)

Offensichtlich wähnt sich BILD - mal wieder - auf der Seite der "schweigenden Mehrheit". Womit BILD, trotz Petition gegen Internetsperren und fühlbarem Gegenwind, der Bundesminsterin von der Leyen entgegenweht, leider nicht ganz unrecht haben dürfte. Bei Themen wie "Kinderpornographie" setzt nicht nur in Deutschland bei vor lauter Empörung vielen Menschen der kritische Verstand aus - sonst wären die Sperren in den skandinavischen Ländern und in Großbritannien nicht so reibungslos durchgesetzt worden.
Für Kenner der deutschen Mentalität ist die Internet-Bürgerrechtsbewegung, wie ich sie mangels eines besseren Begriffs nenne, keine Selbstverständlichkeit.

Daniel Kulla meinte 2007 in einem Kommentar für die "Jungle World" (Volk 1.0), dass Schäuble keine neue Stasi aufbauen wolle: er würde nur das verwirklichen, was sich die Deutschen wünschen.
Das ist, angesichts des Eifers, mit dem im Innen-, Wirtschafts- und Familienministerium, unterstützt u. A. von der BKA-Leitung, immer schlimmere Bedrohungen an die Wand gemalt werden, gegen die immer härter und mit immer mehr Kompetenzen für den Innenminister bzw. das ihm unterstellte BKA durchgegriffen werden muss, eine etwas überraschende Feststellung.

Andererseits: der "deutsche autoritäre Beißreflex" (nach Burks "Härter durchgreifen! Melden, durchführen und verbieten!") ist ja nicht nur in der BILD und ähnlichen Boulevardmedien (also gefühlten 90% der deutschen Medienlandschaft) und auf dem "rechten Flügel" der Unionsparteien sehr präsent. Der Eindruck, den Deutschen sei mehrheitlich "mehr Sicherheit" so viel Wert, dass sie dafür Freiheitsrechte und Privatsphäre willig opfern, oder ihnen seien Bürgerrechte einigermaßen schnuppe, solange sie "ihre Ruhe" hätten (und sie selber hätten natürlich nichts zu verbergen), ist angesichts dem, was Kulla zurecht feststellt, kaum zu zerstreuen:
Wer sich in Deutschland für das Recht auf Privatsphäre einsetzt, vertritt eine Minderheitenposition und kann sich auf keine Civil Liberties Union stützen, nicht auf libertäre Fraktionen in den Regierungsparteien oder auf eine starke Bürgerbewegung, die wie in Irland Biometrie in den Ausweisen verhindern könnte.
Es gab auch in der BRD und zwar schon lange vor "1968" Ansätze zu einer breiten Bürgerrechtsbewegung. Es darf auch nicht die Rolle der DDR-Bürgerrechtler beim Sturz des "Kasernenhof-Sozialismus" unterschätzt werden. Aber breiter Konsens wurden die Bürgerrechte in der angeblichen deutschen "Konsensgesellschaft" nicht.
Seit einigen Jahren gibt es, von beflissenen Medien unterfüttert, einen deutlichen "Rollback" der Bürger- und Menschenrechte. (Übrigens ein europaweit zu beobachtendes Phänomen.) In dieser Sichtweise stehen die "alten 68er" für Werteverfall, Gruppenegoismus, heimliche Herrschaft über gesellschaftliche Diskurs. Die "Internetrebellen" und "Piraten" von heute sind, aus dieser Perspektive, in jeder Hinsicht die Nachfahren der langhaarigen Gammler und Haschrebellen von damals: Menschen, deren Motive und Ziel "man", nicht nur in der BILD, nicht versteht oder nicht verstehen will, und denen man alles, aber nur nichts Gutes, zutraut.

Ein zweiter Punkt trägt sehr zum Eindruck des "Volkes 1.0" bei: die schnelle Resignation.

Da finde ich ein Beispiel aus einem immer noch ziemlich autoritär geprägtem Land ermutigend, Widerstand ist zweckmäßig:
Im Jahr 1950 unterzeichneten die Philippinen das Abkommen von Florenz, das den Import von Büchern aus dem Ausland jeglicher Zollgebühren enthebt. Entgegen dieses Vertrages wurden aber in den letzten Jahren Zölle auf importierte Bücher erhoben - ein nicht zu vernachlässigendes Hindernis für die Bildung der Massen. Seit Beginn dieses Jahres eskalierte die Situation. Die Buchhändler, mit massiven Verkaufsrückgängen konfrontiert, zahlten die Zollgebühren zähneknirschend. Eine "Sturzflut von Kritik und Widerstand" brachte Präsident Arroyo dazu, das Finanzministerium anzuweisen, keine Zölle mehr auf importierte Bücher zu erheben.

Ich hoffe, dass der noch lauer Gegenwind, der den regierungsamtlichen Verfassungsgegnern ins Gesicht weht, zum Sturm wird, auf dass auch hier eine Sturzflut von Kritik und Widerstand den sich abzeichnenden neuen Obrigkeitsstaat hinwegspült.

Dabei darf ein Hindernis nicht aus den Augen verloren werden:
Vielleicht täte eine Kampagne gut, die diesem Schlag von Blockwarten klarmacht, dass die Grundlage ihrer Häme darin besteht, dass niemand etwas über sie selbst herausfindet.
Also: JEDER hat etwas zu verbergen - und sei es vor den neugierigen Nachbarn, dem Chef, dem Finanzamt - oder gegebenenfalls den hartnäckigen BILD-Reportern!

Donnerstag, 28. Mai 2009

Wie vertuscht man sechs Atombombenexplosionen?

Selbst sehr kleine nukleare Sprengsätze, sogenannte Micro Nukes, erreichen die Wirkung von ca. 1000 Tonnen des konventionellen Sprengstoffs TNT. Der Schaden dürfte entsprechend sein. Abgesehen davon ist die radioaktive Kontamination auch relativ "sauberer" Atombomben mühelos selbst mit einfachen Messgeräten nachweisbar.
Man sollte also meinen, dass sich eine nukleare Explosion etwa so gut verstecken lässt wie ein Elefant in der Achselhöhle.

Trotzdem: Laut der vom Bundeskriminalamt veröffentlichen polizeilichen Kriminalstatistik gab es zwischen 1990 und 2007 insgesamt 7 Fälle, davon ein Versuch, von "Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie". Das heißt: Es müsste demnach sechs Atombombenexplosionen in Deutschland gegeben haben.
Wer es nicht glauben möchte: Polizeiliche Kriminalstatistik, Gundtabelle - ohne Tatortverteilung - ab 1987, Tabelle 1, Schlüssel 6751, Seite 139 von 188 - PDF-Ausgabe

Gefunden bei Jan Schejbal: BKA: 6 Atomexplosionen in Deutschland.

Nach Recherchen von utopia:
Keine Ahnung unter dieser Nummer - Keine Ahnung unter dieser Nummer - Teil 2 hat keiner so wirklich eine Ahnung, woher diese Fälle herkommen. Die meines Erachtens wahrscheinlichste Erklärung: Erfassungsfehler.

Die Frage nach der Zuverlässigkeit der BKA-Statistiken, besonders bei seltenen Delikten, bleibt allerdings im Raum.

Mittwoch, 27. Mai 2009

Außenseiter "stören" - auch wenn sie niemanden stören

Es sind zwei Meldungen, eine aus Kopenhagen, eine aus Hamburg, die an sich wenig miteinander zu tun haben:
«Christiania» unterliegt gegen dänischen Staat (netzeitung)
Nach über 37 Jahren soll der "Freistaat Christiania" in Kopenhagen endgültig aufgelost werden. Ein Gericht sprach dem dänischen Staat das volle Nutzungsrecht über das Gelände der alternativen Wohnsiedlung zu. Damit ist die Regierung von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen ihrem erklärten Ziel, die international berühmte "Hippie-Republik" in einen ganz normalen Stadtteil mit einem ganz normalen Wohnungsbauprojekt zu verwandeln, schon sehr nahe gekommen.

Nach 20 Jahren: Hausboot-Pionier muss gehen (abendblatt)
Schon seit 1989 wohnt der Frührentner Holger Buhr in einem kleinen Hausboot in der Billwerder Bucht - einem kaum noch genutzten Binnenhafen im Osten Hamburgs. Die Hafenverwaltung Hamburg (HPA) hat ihm jetzt nach fast 20 Jahren die offizielle "wasserrechtliche Genehmigung" für den Liegeplatz seines schwimmenden Zuhauses entzogen und droht mit hohem Zwangsgeld, wenn er den Platz nicht räumt. Begründung: Buhr betreibe dort keine "hafenkonforme Nutzung", und reines Wohnen im Hafen sei verboten. HPA-Sprecherin Karin Lengenfelder: "Und was illegal ist, wird nicht dadurch legal, dass es schon 20 Jahre andauert."

In dem einen Fall geht es um ein weltbekanntes gelungenes Experiment autonomen Lebens - im anderen Fall nur um das kleine Hausboot eines einzelnen Individualisten.
Der Denkmechanismus hinter den beiden Entscheidungen ist allerdings derselbe: Quertreiber und Aussenseiter werden nicht geduldet. Selbst wenn es eine Touristenattraktion wie Christiania ist, an der sich kaum ein Kopenhagener je gestört hat, oder um ein Hausboot, das 20 Jahre lang niemanden störte, und wahrscheinlich auch in Zukunft niemanden stören dürfte, geht.
Es geht ums Prinzip.
Dem Konservativen ist unwohl in einer Welt, in der nicht alles am Platz bleibt und nicht alles seinen geregelten Gang geht. Dass die dänische konservative Regierungskoalition von der lang geübten Praxis der Toleranz abgeht, hängt vordergründig mit dem Problem des Drogenhandels zusammen. (Wobei es nur um Hasch geht, "harte Drogen" werden von den Christanianern nicht geduldet.) Was sie wirklich treibt - und was Rasmussen sogar offen zugibt - ist die offenbar unerträgliche Vorstellung, es gäbe einen "rechtsfreien Raum". Also genau das, was auch das böse Internet für viele Konservative so bedrohlich erscheinen lässt. Schlimmer noch: sowohl Christiania wie das Internetzdingens beweisen, dass es auch ohne Top-Down-Entscheidungsmodelle geht, dass Selbstorganisation und Basisdemokratie funktionieren. Dass Anarchie nicht automatisch zur Rechtlosigkeit und zum allgemeinen Bürgerkrieg führt.

Im Falle des Hausbootes geht es, wie die HPA offen einräumt, darum, drohende Nachahmereffekte einzudämmen. (Im Wahlkampf malte der Rechtpopulist und spätere Innensenator Schill einst das Horrorgemälde drohender "Amsterdamer Verhältnisse" auf Hamburgs Kanälen und Fleeten an die Wand, mit Hausbootssiedlungen als unkontrollierbaren Brutstätten des Verbrechens. Schill ist schon lange weg vom Fenster, seine Angstbeisser-Mentalität hingegen nicht.)
Ein Liegeplatz in einem kaum noch genutzten Hafenteil ist billig (Holger Buhr zahlt 196 Euro im Jahr) und es gibt viele Hafenanlieger, z. B. Kaibetriebsgesellschaften, die nichts gegen Hausboote hätten. Da da könnte ja jeder kommen, so was untergräbt die Autorität der "Port Authority" und letzten Endes des Hamburger Staates! Zwar hat man in Hamburg, im Prinzip jedenfalls, nichts gegen Hausboote - nur sollen die sich gefälligst an die von den zuständigen Behörden aufgestellten Regeln halten: Am Mittelkanal z. B werden jetzt 5 (in Worten: fünf) Hausboot-Liegeplätze individuell ausgeschrieben. (Ich kenne die Ecke: da passen locker 50 Hausboote hin - ohne den spärlichen Bootsverkehr auf dem Kanal zu stören.)
Doch auch dabei will man nichts dem Zufall überlassen. Zeichnungen und ein Modell müssen die Bewerber einreichen. Eine Jury mit etlichen Beamten entscheidet dann, wer den Zuschlag bekommt. Architekten und andere Fachleute sollten auf jeden Fall zurate gezogen werden, heißt es in der Ausschreibung. Hausboot-Pionier Buhr: "Mit meinem Boot habe ich da doch niemals eine Chance."

Samstag, 16. Mai 2009

... ich mach' ma' Werbung.

(Natürlich unbezahlt.)
Wahlwerbespot der "Piratenpartei":


Es gibt außerdem ´ne interessante Umfrage bei den "Piraten":
https://twtpoll.com/hct6ek

Freitag, 3. April 2009

Meine Güte, was haben die Angst ...

Nun findet er statt, unter quasi kriegsmäßigen Sicherheitsmaßnahmen: der NATO-Jubiläumsgipfel.
Offiziell ist es die Angst vor Terroranschlägen und die Angst vor Unruhen, die durch diese tief in die Bürgerrechte eingreifenden Sicherheitsmaßnahmen gebändigt werden sollen - in der "Sicherheitszone 4" stehen die Bürger unter Hausarrest: nur in Begleitung eines Polizisten dürfen sie ihre Wohnung verlassen - und ob es bei Demonstrationsauflagen, die sogar Kaputzenpullis verbieten, wirklich um "Aufruhrbekämpfung", und nicht um Schikane geht, wage ich doch sehr zu bezweifeln. (Auch wenn es zweifellos gewaltbereite "Demonstranten" gibt - schließlich wollen z. B. die kackbraunen Kameraden von der NPD auch mitmischen.)

Klaus N. Frick brachte im Zusammenhang mit dem Belagerungszustand einen interessanten Aspekt ins Spiel: er geht, obwohl ich weiß, dass er keineswegs "unpolitisch" ist, und im "Kriegsgebiet" Großraum Mittel- bis Südbaden wohnt, nicht demonstrieren.

Damit hat er recht. Worum geht es bei so einem Gipfel, wie überhaupt bei ähnlichen Gipfelereignissen. Um Entscheidungen, um Strategien, um Verhandlungen? Im Zeitalter der elektronischen Kommunikation schwerlich. Die eigentliche Arbeit wird ohnehin im Vorfeld, auf Staatsekretärs und Experten-Ebene, erledigt, und um sich zu verständigen, braucht kein Politiker und auch kein hoher Militär persönlich anzureisen.
Es geht um reine Symbolik. Und es geht auch den Demonstranten um reine Symbolik. Den Terroristen - wenn sie überhaupt ein militärisch gesichertes "Ziel" ins Visier nehmen - erst recht.
Aus diesem Grund ist der an sich logische und sympathische Vorschlag, solche Treffen künftig auf einer Bohrinsel im Nordatlantik stattfinden zu lassen, wohl nicht umsetzbar.

Ein Treffen auf einem Kriegsschiff, wie damals bei der Verabschiedung der "Atlantik-Charta" wäre in seiner Symbolik heute entlarvend. Auf eine andere Art entlarvend, wie es der "Gipfel der Angst" in Baden-Baden und Straßburg ist.

Dienstag, 31. März 2009

.. warum ist es so ruhig in Deutschland?

Zumindest einen Teil der Antwort nennt
momorulez:
Der Großteil der Journalisten von GQ über “Radio Energy” bis hin zu “Akte 09″ ist schlicht apolitisch.
Ein anderer ist in der Angst vor den Konsequenzen zu suchen, die es haben könnte, wenn man den Mund aufmacht. Pantoffelpunk hat das in Bezug auf das Internet und ein bizarres Gerichtsurteil so formuliert:
Schon wenn UserInnen Krimialisierung und Schikane nur fürchten müssen, ist die Freiheit des Wortes dahin und der Geist des Internet tot.
Wir sollten uns davon nicht unterkriegen lassen: wikileaks (spezieller Link).

Dienstag, 17. März 2009

Input-Output Menschenbild bei Politikern

"Ein grundlegendes Manko der Killerspiel-Debatte ist das schlichte Menschenbild, das ihr zugrunde liegt. Unterstellt wird, dass das Spielen gewalthaltiger Spiele Gewaltbereitschaft stärkt. Eine einfache Input-Output-Vorstellung. Ohne Frage ist es problematisch, wenn Jugendliche oder Kinder sich stundenlang in Welten aufhalten, in denen Empathie und zwischenmenschliche Reaktionen nicht gefragt sind. Aber für die direkte Übertragung von Handlungsmustern aus Spielen in reale Situationen ließen sich bisher kaum Belege finden.
Erika Berthold, Publizistin und ehrenamtliche Gutachterin der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) - Quelle: tagesschau.de

Mich erstaunt es wenig, dass dieses schlichte "Input - Output"-Menschenbild besonders unter Politikern recht weit verbreitet zu sein scheint. Es entspricht, einfach gesagt, der Lebenserfahrung, die sich aus einer typischen Politikerkarrierre ergibt (oder auch einer typischen Lobbyistenkarriere, oder einer im Bereich Public Relations / Werbung Propaganda): erfolgreich ist der, der mit geringem Aufwand andere Menschen manipuliert. Ein gut geschulter und geübter Manipulator erkennt die "Knöpfe", die er "drücken muss" , um eine gewünschte Reaktion beim "Opfer" hervorzurufen. (Oder sie, obwohl Frauen oft anders manipulieren als Männer.)
Tatsächlich sind manche menschliche Verhaltensweisen so leicht vorhersagbar, dass es zum "Knöpfedrücken" keiner besonderen Menschenkenntnis bedarf - man muss nur in etwa wissen, wie das Opfer "tickt". (Seit dem legendären Bestseller "Manipulieren - aber richtig! - Die acht Gesetze der Menschenbeeinflussung" erschienen zahlreiche Ratgeber mit Tipps, wie man so was macht. Wenn auch nur wenige so erhellend sind wie "Joki" Kirschners Klassiker aus den 1970ern.)
In der parteipolitischen Arena weiß ein manipulationswilliger Politiker über seine Gegner und ihre Verhaltensweisen in der Regel gut bescheid, und das Spektrum an möglichen Reaktionen ist ohnehin begrenzt - jedenfalls im Vergleich zum sprichwörtlich unberechenbaren Verhalten eines typischen Teenagers.
Wenn man nun einige Jahrzehnte lang erfolgreich mit einfachen Tricks manipuliert und intrigiert hat, dann überrascht es nicht, dass sich das Menschenbild auf ein simples "Reiz - Reaktions"-Schema verengt. Womöglich hält man sich als erfolgreicher Manipulator für einen genialen Menschenkenner, und diese Psychologen, Psychiater und sonstige Seelenklempner können einem viel erzählen, wenn der Tag lang ist, man weiß schließlich aus langer Praxis, wie simpel gestickt die menschliche Seele in Wirklichkeit ist!

Der zweite Faktor ist in unserer Kultur begründet: es muss jemand gefunden werden, der Schuld hat. Wer mit den Fingern auf einen "Schuldigen" zeigen kann, entlastet sich selbst. Hinzu kommt, dass unsere (politische) Kultur keine reine "Schuldkultur" ist, sie trägt außerdem sämtliche Merkmale der "Schamkultur", in der die öffentliche Wertschätzung als höchstes Gut gilt. Wer, als Politiker, schnell einen Schuldigen benennt und diesen energisch bekämpft, gilt als tatkräftig. Selbst dann, wenn der Schuldige nur ein "Sündenbock" und die "Bekämpfung" reiner Aktionismus ist.

Beide Faktoren zusammen tragen entschieden zur simplen "Küchenpsychologie" unserer Politiker bei. (Wobei dieses Modell natürlich stark vereinfacht ist, selbst Minister sind selten so simpel gestrickt.)

Immer daran denken:
Wer Angst hat, lässt sich leichter täuschen, ist also leicht manipulierbar.
Auch Manipulatoren sind manipulierbar und werden manipuliert.

Mittwoch, 18. Februar 2009

Reformgeschädigte Umweltverwaltung

Die besten Umweltschutzgesetze nützen nichts, wenn die Umweltverwaltung schlecht funktioniert.
In fast allen Bundesländern haben die Landesregierungen in den letzten Jahren allerdings, um Kosten zu sparen, und die Verwaltung effizienter zu machen, die Strukturen reformiert. Wie üblich bedeutet "Kosten sparen" Personalabbau. Arbeiten die "gestrafften" Verwaltungen, wie von den verantwortlichen Politikern, versprochen jetzt auch effizenter?

Das Öko-Instituts hat im Auftrag der "Stiftung Zukunftserbe" untersucht, wie sich die Rahmenbedingungen für die Unweltverwaltungen durch die Strukturreformen verändert haben und wie Verwaltungsangehörige damit umgehen.

Die Studie zeigt, dass die Umweltverwaltungen in den betrachteten Bundesländern (Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen) zum Teil deutlich geschwächt wurden.
Ein Ergebnis: die Personaldecke ist jetzt für viele Aufgaben zu schwach, es haben sich auch bestehende Experten-Netzwerke aufgelöst.
Es fehlt bei dem Reformprozessen auch an einer konstruktiven und kritischen Beobachtung und Bewertung, weshalb selbst wenig aufwendige Nachbesserungen unterbleiben.
Reform mit Folgen: Die Umweltverwaltung ist geschwächt.

Die Studie "Umweltrecht ohne Umsetzer - Die Strukturreformen in den Umweltverwaltungen ausgewählter Bundesländer und ihre Herausforderungen"> (pdf)

Donnerstag, 22. Januar 2009

"Antisemitismus? Nö, wir Deutsche doch nicht ... "

Ich gebe zu, ich habe bei “Hart aber fair” zum Thema "Gaza-Krieg" irgendwann genervt abgeschaltet.
Deshalb verweise ich besser auf Reinhard Mohrs schonungslose Besprechung auf "Spon": Gaza-Krieg bei Plasberg - Schlamassel mit der deutschen Schuld.

Das wirklich Peinliche ist nicht, dass in dieser Runde ein (Ex-)Politiker wie Norbert Blüm offensichtlich unreflektiert die Klischees des sekundären Antisemitismus bedient. Denn der "sekundäre Antisemitismus" ist das Produkt eines - allzu berechtigenten - schlechten Gewissens. Er speist sich aus Gefühlen der Scham und Abwehr von nachträglicher Mitverantwortung für nationalsozialistische Verbrechen, weshalb auch vom "Schuldabwehr-Antisemitismus" die Rede ist. Typisch für "sekundäre Antisemiten" ist Pauschalkritik am Staat Israel in Form von NS-Vergleichen. Wenn Blüm darauf hinweist, dass "wir Deutsche", gerade weil wir jene Verbrechen begangen haben, sozusagen verpflichtet seien, anprangern, wie die Palästinenser heute von Israel schikaniert, gequält und gedemütigt würden, dann ist ihm vielleicht gar nicht bewusst, dass er Israel und Nazideutschland gleichsetzt. (Ich schließe mich der Ansicht an, dass unsere Einzige "historische Pflicht" in dieser Sache die ist, zum Gaza-Konflikt vorsichtig zu sein oder die Klappe zu halten.)
Aber das ist halb so schlimm. Selbst Norbert Blüms völlig unsinniger Satz "Christen können keine Antisemiten sein!" ist nicht das Schlimmste.
Schlimmer sind die Reaktionen des Publikums, abzulesen z. B. an den Diskussionen im Spon-Forum. Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Menschen, die sich offensichtlich selbst nicht als Antisemiten begreifen, sich eindeutig antisemitisch äußern. Vor allem Friedmann scheint, durch seine polarisierende, aber scharfsinnige Art, die Fassade manches heimlichen Judenhassers zerkratzt zu haben. Ich schätze Friedmans Art zu diskutieren nicht sonderlich, aber offensichtlich wirkt sie. Der offene Hass auf "die Juden" scheint in Deutschland sehr weit verbreitet zu sein. Gut, es gibt auch in anderen Ländern Europas Antisemitismus, oft sogar ausgeprägter als hierzulande. Und auch der Antisemitismus in Deutschland ist oft gewissermaßen "importiert", Sache der moslemischen Minderheit. Für den es aber ein "öffentliches Verständnis" gibt, das ich nicht nachvollziehen kann. Für Antisemitismus gibt es ebenso wenig eine Entschuldigung, wie für Rassismus. Reinhard Mohr bringt es auf den Punkt:
Der Verdacht liegt nahe, dass die Geysire des Unbewussten exakt zwischen "Tabu" und "Tabubruch" liegen, zwischen Schuldgefühlen und dem Drang, sie zu überwinden – dass es also doch untergründige Verbindungen zwischen Israel-Kritik und einem Antisemitismus gibt, der aus den Untiefen der Geschichte kommt und sich immer wieder neu auflädt.
Sehr empfehle ich in diesem Zusammenhang den Aufsatz: Karikaturen, Puppen und Plakate: Alter Judenhass in neuen Gewändern! Denn Israel und "die Juden" haben auch falsche Freunde - Antiislamisten zum Beispiel:
Bei Wiedenroth dürfte die Solidarität mit Israel nur vorgeschoben sein - in erster Linie zum Zwecke der Verächtlichmachung von Muslimen. Israel und die Juden sind nur willkommen, wenn man sie gegen den Islam verwenden kann.
Nachtrag für Leute mit guten Nerven: Die "Hart aber Fair"-Sendung auf der WDR-Website: https://www.wdr.de/themen/global/webmedia/webtv/getwebtv.phtml?p=4&b=215

Montag, 19. Januar 2009

Wenigstens ein erfreuliches Ergebnis der Hessenwahl

Das Ergebnis der Hessenwahl war sehr vorhersehbar. Erfreulich ist es nicht, auch wenn "Wahlsieger" Koch bzw. dessen CDU nicht wesentlich mehr Stimmen erhielt, als bei der allgemein als "katastrophal für die CDU" bezeichneten letzten Wahl.

Trotz Finanzkrise, trotz der Schwäche der "großen Parteien" CDU und vor allem SPD, trotz beschämend geringer Wahlbeteiligung, trotz alles in allem für rechte Demagogen "günstigem" Politikklima: die NPD bekam mit knapp 0,9 % wieder einmal verdienterweise kein Bein an Land. Schrumpfkurs für Hessisch-Rechtsaußen

Dafür üben sich die kackbraunen Kameraden in "neuen" Verschwörungstheorien und
"neuen" Strategien.

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