Politisches

Dienstag, 6. Juni 2006

Weck mich bitte auf aus diesem Alptraum -

denn auch bei uns sind elementare Menschenrechte so weit heruntergekommen, dass der Übergang zur Diktatur vielleicht nur eine Frage der Zeit ist. Können "wir Deutsche" etwa wirklich nichts mit der Freiheit anfangen?

Kai Schott.de:
Deutschlands Massenmedien sind im Wesentlichen meudalistisch gleichgeschaltet. Wer davon noch nicht überzeugt ist, der möge doch mal bitte ein paar Monate lang die Google News verfolgen. Dort werden ähnliche Nachrichten gruppiert dargestellt. Das führt dann dazu, dass einige Top-Nachrichten mehr als 100 Treffer haben können - jeweils in einer anderen deutschen Tageszeitung veröffentlicht, aber immer auf die gleiche Quelle zurückzuführen. Also eine Nachricht wird in zahlreichen Zeitungen verbreitet, hat aber im Kern einen einzigen Urheber. Das wird einem klar, wenn man Google News liest.
Ich kann das nur bestätigen, auch die News-Funktion von Web.de bringt diesen freiwillig gleichgeschalteten Journalismus zutage.
Google News

Auch "schön", vor allem, wenn man sich ausmalt, wie sehr dieses - wohl "gut gemeinte" - Instrumentarium zum Mißbrauch einläd:
Die Sperrverfügungen der Bezirksregierung Düsseldorf

Gefunden bei Liberale Stimme: Zensur des Internet: Deutschland

Samstag, 3. Juni 2006

Anläßlich der drohenden Fußball-WM ...

via: che:
World Cup Racism Help Line - Selbstorganisierte Hilfe und Beratung bei rassistischen Übergriffen.

Eine Initiative von Betroffenen und nichtstaatlichen Beratungsstellen in Berlin und Brandenburg. Am 8. Juni wird im Raum Berlin/Brandenburg eine 24 Stunden Notrufhotline für den gesamten Zeitraum der WM geschaltet. Opfer von rassistischer und rechtsextremer Gewalt erhalten dort Hilfe. Angeboten wird eine erste Beratung am Telefon in sechs verschiedenen Sprachen. Bei Bedarf werden Betroffene an professionelle Opferberatungsstellen weitergeleitet.

Notrufnummern:
Deutsch: 0160 5785085
Englisch: 0170 6094241
Spanisch: 0175 3715473
Französisch: 0151 18939081
Portugiesisch: 0160 6097023
Türkisch: 0170 6094258

... und auch ein paar sehr intereressante Links, von Aktiv gegen Abschiebung:
https://www.aktivgegenabschiebung.de/wm2006.html

Donnerstag, 1. Juni 2006

Stimmen aus dem Paralleluniversum

"Wer drei Mal im Jahr Nein sagt, braucht offenbar keine Hilfe", begründete der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Ralf Brauksiepe, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters die Verschärfungspläne.
Quelle: tagesschau.de Dreimal Nein führt zur Streichung
Zur Erinnerung: Wer dreimal Spargelstechen oder Hundekoteinsammeln verweigert, kriegt künftig keinen Cent Arbeitslosengeld II mehr - auch nicht für Miete und Heizung. Obdachlosigkeit als Strafe für "Fauheit" (oder für Widerstand gegen Schikanen).
Es ist m. E. fraglich, ob die “Harz IV” Gesetzgebung überhaupt verfassungsgemäß ist. Arbeitslosen soll zügig alles Geld gestrichen werden können

Und so ganz nebenbei, bei sven scholz entdeckt: politischer Winkeladvokatismus mit der freiwilligen Arbeitslosenversicherung für Selbstständige -> Bundestag streicht Arbeitslosenversicherung für langjährige Selbstständige Toll, so was nennt man, glaube ich, "Mittelstandsförderung".

Die einzig rationale Erklärung: Politiker, "Witschaftsweise", Unternehmensberater und nicht wenige Journalisten leben in einem Paralleluniversum, in dem es a)prinzipiell genügend Arbeitplätze für jeden gibt, b) Langzeitarbeitslose arbeitsscheu und sehr oft fiese Betrüger sind und c) ungeplante Ausgaben in Milliardenhöhe bei Harz VI allein auf die Schmarotzermentaliät der Langzeitarbeitslosen zurückzuführen sind - und nicht zu vergessen d) "die Wirtschaft" aus einer Handvoll Großunternehmen besteht.

In diesem Paralleluniversum ist es nur logisch, dass die schmarotzenden, faulen Arbeitslosen, die unser Sozialsystem mutwillig ruininieren, mit allen Mitteln zur Arbeit gezwungen werden müssen. Blöd nur, dass die meisten Deutschen nicht in diesem Pralleluniversum leben. "Sinnlos herumgammeln" - Kauder will Arbeitslose zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten

Nachtrag, 3.6. :
Kaum Missbrauch beim Arbeitslosengeld II (Sach ich doch!)
Experte nennt Hartz-Streit «skandalös»
Datenschützer kritisieren Hartz-IV-Fortentwicklungsgesetz
Stimmungsmacher der Hartz-Republik
und auch das noch:
Hartz IV-Software: 28 Millionen Euro Schaden

Montag, 29. Mai 2006

"Don't get lost in Hamburg-Ost"

Bei Heise-Telepolis fand ich einen Artikel, der meinen Blogbeitrag von gestern auf's Trefflichste ergänzt:
Gefährliche Stadtviertel

Neben der "virtuell angestiegenen Kriminalität" gibt es, angefacht durch die Diskussion um Paralelgesellschaften, Gewalt an Schulen und "no go areas", virtuelle Slums. Einige dieser Slums, die es nur in der Welt der Vorstellung gibt, befinden sich angeblich in Hamburg.
Die unüberbietbare Meisterleistung im Orten eines virtuellen Slums leistete sich erwartungsgemäß die Bild-"Zeitung" (Sitzt der Hauptredaktion: Hamburg). Sie ortete in Steinwerder einen Ort, in dem sich Ausländern verschiedener Nationalitäten (vor allem Türken und Araber) vom Rest der Bevölkerung abschotten und oft nach ihren eigenen Gesetzen leben. Das Dumme ist nur: Der Stadtteil besteht aus Hafen-, Industrie- und Gewerbeflächen. Wohngebiete gibt es hier nicht. BILDblog: In the Ghetto
Eine vergleichbare Fehlleistung schaffte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, als er im Zusammenhang mit der Rütli-Schule und Neukölln auch namentlich Stadtteile in Hamburg als Slums bzw. verslumt erkennen wollte. Er bezeichnete Billbrock als einen solchen Slum - ein Industriegebiet ohne nennenswerte Wohnbevölkerung. Möglicherweise hatte er Billbrock mit Billstedt verwechselt, einen benachbarten Stadteil mit in der Tat überdurchschnittlichem Ausländeranteil. NDR: Hamburg-Billstedt wehrt sich gegen Schäuble-Äußerungen
Weder ist Billstedt als Ganzes ein Slum, noch gibt es - "Problemviertel" wie die Trabantenstadt Mümmelmannsberg hin, hohe Arbeitslosigkeit her - auch nur Ansätze einer Verslummung, wie ich aus eigener, beinahe täglicher Anschauung, weiß.

Was es allerdings gibt, dass sind Stadteile, die, wie Hamburg Erster Bürgermeister Ole von Beust gegenüber dem Obdachlosenmagazin "Hinz & Kunzt" zugab, "gekippt" sind. Die Bankrott-Erklärung. Stadtteile mit hoher Arbeitslosigkeit, leerstehenden Gebäuden, miesen Spielplätzen und verlotterten Grünanlagen. Nur: diese "Problemviertel" sind nicht zwangsläufig Gebiete hoher Kriminalität und fast nie "Ghettos", in denen sich eine "Parallelgeschellschaft" entwickelt hätte. Der typische "gekippte" Stadtteil ist eher "sozialer Totpunkt" als "sozialer Brennpunkt".

Vituelle Slums und "no-go-areas" finden sich nicht nur bei recherchefauler Boulevardjournalisten und vorurteilsbeladenen Politikern, sondern, wie eine im Telepolis-Artikel erwähnte Studie zur Videoüberwachung zeigt, auch in den Köpfen ganz normaler Bürger.
Das Hauptargument für Videoüberwachung ist das mutmaßlich beeinträchtigte "subjektive Sicherheitsgefühl" der Bürger sowie eine gewisse Anzahl von "Kriminalitätsbrennpunkten" in der Stadt. Dabei haben diese angeblich unsicheren Orte anscheinend gerade bei jenen Menschen einen besonders schlechten Ruf, die weder dort wohnen, noch sich dort zu irgendeinem Zeitpunkt aufhalten.
Die befragten Bewohner von St. Georg, dem Innenstadtbereich, in dem auch der Hamburger Hauptbahnhof liegt, fühlen sich nach eigenen Aussagen überall in Hamburg sicher. Ihre Mitbürger aus Boberg, einem suburbanen Wohndorf am Rande Hamburgs, zeigen hingegen eine auffällige Unsicherheit vor allem in den Stadtteilen, in denen sie nie verkehren und nach eigenen Aussagen dies auch dann nicht würden, wenn dort eine Kameraüberwachung vorhanden wäre.
Boberg gehört zum im Osten Hamburg gelegenen Stadteil Lohbrügge, der wiederum zum Bezirk Bergedorf gehört. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, das Boberg unmittelbar an Billstedt und an Billbrook angrenzt. Das in der Tat beinahe dörflich wirkende Boberg hat eine Besonderheit, die sich möglicherweise in den Unfragergebnissen niedergeschlagen hat: eine neu errichtete Eigenheimsiedlung, beworben als "das Dorf der Zukunft", die bewußt als Alternative zur üblichen anynomen Vorortsiedlung mit spärlicher Infrastruktur entworfen wurde. Dorfanger Boberg. Das "Dorf" zieht vor allem junge Familien mittlerer Einkommensschichten an, die sich im "normalen" städtischen Umfeld nicht wohl fühlen, aber andererseits die Annehmlichkeiten einer städtischen Umgebung nicht missen wollen. Etwas verallgemeinert ausgedrückt: wer in das "Dorf" zieht, sucht Geborgenheit. Die Bedrohung ist "da draußen", in jenen Stadtteilen "von denen man so viel hört" (in Zeitungen und von Politikern, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben), die man aber andererseits gar nicht kennt. Folglich ist fast ganz Hamburg auf der "Boberger Gefahrenkarte" "unsicher" (einschließlich des praktisch unbewohnten Steinwerders und einiger in Wirklichkeit "gutbürgerlicher" Viertel) oder "eher unsicher" und nirgendwo ist es wirklich "sicher". Die befragten Bewohner des innerstädtischen St.Georg fühlen sich in Hamburg überall "sicher" oder "eher sicher". Kein Wunder eigentlich, gilt doch St.Georg als "sozialer Brennpunkt" - wer täglich die Erfahrung macht, im "wilden" St. Georg sicher zu leben, der glaubt auch nicht mehr, dass es in Harburg brandgefährlich sei - egal, was die BILD oder diverse Politiker behaupten - und das auch, wenn er Harburg tatsächlich nur aus dem Zugfenster oder von der Autobahn aus kennt.
Aber auch auf der Karte der St. Georgianer gibt es "helle Flecken", Gebiete, in denen man sich "nur" "überwiegend sicher" fühlt.
Abgesehen vom übel beleumundeten Wilhelmsburg sind das die im Osten gelegenen Stadteile Billstedt, Billbrook (!) (anscheinend weiß man selbst in St. Georg nicht immer, dass da eigentlich niemand wohnt), Allermöhe (wohl wegen des Neubaugebietes Neu-Allermöhe, das eine schlechte Presse hat) und interessanterweise Lohbrügge, der Stadtteil, zu dem auch Boberg samt dem idyllischen "Dorf der Zukunft" gehört.
Ich kenne Lohbrügge recht gut, da ich hier schon seit Jahren wohne. Der Grund, weshalb Lohbrügge und der Bezirk Bergedorf, zu dem Lohbrügge gehört, "im Osten" (Hamburgs) einen schlechten Ruf genießt, hat übrigens Parallelen zur Diskussion um "national befreite Zonen" im "Osten" (Deutschlands): Lohbrügge gilt als Hochburg der Rechtsextremisten. In den 80er und 90er Jahren völlig zurecht, Lohbrügge war eine Hochburg der "Nazisklns", die DVU erziehlte (relativ) hohe Wählerzahlen. Bis sie 1993 dichtgemacht wurde, befand sich hier Zentrale der NL (Nationalen Liste). In Lohbrügge war es den Strategen um Christian Worch und Thomas "Steiner" Wulff - beide seit Jahrzehnten als Naziführer bekannt und mehrmalig vorbestraft - gelungen, 1996 den bis dahin größten Aufmarsch von Skins, Alt- und Neonazis zu organisieren.

Seitdem ist es, auch Aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit, spricht genervter Bürger und der keineswegs kleinen linken und autonomen Szene, und wegen "interner Zerfallserscheinungen" der Neo-Nazi, ruhiger geworden. NPD, Reps und DVU spielen im Bezirk Bergedorf keine Rolle mehr. Ein 1999 geplanter Aufmarsch am "Heß-Wochenende" in Bergedorf / Lohbrügge wurde wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verboten.
Wer Augen im Kopf hat, erkennt aber, dass es hier nach wie vor eine, wenn auch im wesendlichen "unauffällige", aktive rechtextreme Szene gibt. Flugblätter, Plakate, Aufkleber und gesprühte (meist ultra-platte) rechte Parolen zeigen, dass es in Hamburg-Ost nach wie vor mehr Rechtsextremisten gibt, als in andere Stadtteilen. Es leider immer noch immer wieder "Aktionen" gegen die "linken" Kulturzentren "Unser Haus / Cafe Flop" (in Bergedorf) und "Lola" (in Lohbrügge), darunter wiederholte Brandanschläge.
Es gibt auch nach wie vor Kneipen und Läden, die man tatsächlich als "no go area" für "femdländisch Aussehende" bezeichen könnte. (Ich nenne sIe lieber Kneipen und Läden, die man als "deutsch Aussehender" gefälligst boykottieren sollte.)

Dennoch ist Lohbrügge alles andere als eine "no go area". Es dürfte hier mehr Afrikaner geben als in halb Brandenburg, ohne dass es rasstische Zwischenfälle geben würde. Lohbrügge ist inzwischen sozusagen eine "virtuelle" Nazi-Hochburg.

Randbemerkung: "Don't get Lost in Hamburg Ost" ist ein Underground-Film, der Medien-Klischees über die Drogenszene und Rechtsextremisten mit den Mitteln des Horrorfilms satirisch durch den Kakao zieht und in Lohbrügge gedreht wurde.

Sonntag, 28. Mai 2006

Die Wonnen der virtuellen Bedrohung

Es ist ein (zumindest für "schlappschwänzige Liberale" und "naive Gutmenschen" wie mich) ein Skandal:
Die Zahl der Verbrechen sinkt, doch das Strafrecht wird systematisch verschärft. Wobei beides seltsamerweise der "öffentlichen Meinung" entgeht. Immer mehr Menschen werden zu Immer längeren Gefängnisstrafen verurteilt Womit nicht nur erz-konservative bis reaktionäre Klotzköppe, also die Typen, die gerne "mehr Härte" fordern, vor allem, wenn es sie nicht betrifft, schwer einverstanden sind. Die Zeiten sind - unnötigerweise - hart, und der "Zeitgeist" ist auf Abwehr, Abschreckung und (Gegen-) Angriff gestimmt.

Sabine Rückert schreibt hierzu in der "Zeit":
Ab in den Knast
»Chronik eines vermeidbaren Verbrechens«, nannte Focus TV diesen Beitrag, der am 20. Februar auf Sat.1 ausgestrahlt wurde – und gerade solche Sendungen tragen am allerwenigsten dazu bei, Verbrechen wie dieses künftig zu vermeiden. Trotzdem ist diese Art der Berichterstattung inzwischen üblich geworden, wenn es auf dem Bildschirm um Kriminalität und vor allem um Delikte gegen Leib und Leben geht: Das Thema wird gefühlsgeladen präsentiert, es wird mit allen Mitteln Stimmung gemacht gegen einen, der ohnehin auf niemandes Unterstützung rechnen kann – den Täter. Das bringt Einschaltquoten und erzeugt bei allen Beteiligten ein gutes Gefühl und nebenbei politischen Druck auf die Justiz und den vermeintlich zu weichen Gesetzgeber. Bloß gedient ist damit niemandem – dem Recht nicht, der Öffentlichkeit nicht und am allerwenigsten den Opfern. Der Sender ist der Einzige, der profitiert – auch in Carolins schrecklichem Schicksal war noch ausreichend Platz für Werbung.
Hervorhebung von mir.
via: lawblog Scheinheilig

Hierzu auch, bei Sven Scholz: Wenn politische Entscheidungen nicht mehr auf Fakten basieren Unbedingt lesen!

Journalisten sind natürlich durch den Zeitgeist - in diesem Fall von einer irreal übersteigerten Verbrechensangst - geprägt. Aber es sind nicht zuletzt Journalisten, die diesen Zeitgeist prägen. Burkhard Müller-Ullrich schrieb schon vor gut 10 Jahren:
Ein wachsender Prozentsatz aller veröffentlichten Informationen handelt von Dingen, die gar nicht stattgefunden haben, sondern bloß als Drohungen im Raum stehen. Indem jedoch dauernd neue Gefahren halluziniert werden, greift eine Art Agonie des Realen um sich, weil niemand imstande ist, den Tatsachengehalt der im Dutzend aufgeblasenen Befürchtungsmeldungen zu kontrollieren.
Medienmärchen S. 20
Diese Entwicklung ist, denke ich, unter anderem dem von Müller-Ullrich zurecht gescholtenen "Gesinnungsjournalismus" geschuldet.
Auch populistischen Politiker tragen zum panischen Zeitgeist bei, denn Gesetzesverschärfungen nach spektakulären Verbrechen bringen gute (Boulevard-)Presse und Wählerstimmen. Sicher spielt auch die "deutsche Mentalität" eine große Rolle - sowohl die im wesendlichen ungebrochene autortiäre Denk-Tradition wie auch die deutsche Passion, die "German Angst", das offensichtlich sinnstiftenden allgegenwärtige Gefühl der Bedrohung.

Aber die Durch-Kommerzierialisierung der Medien und die damit einhergehende Tendenz, dem "Medien-Konsumenten" die Last des Nachdenkens zu ersparen, scheint mir der wesendliche Nährboden zu sein, auf dem das wonnige Spiel mit virtuellen Gefahren gedeiht. Wie Sven beobachte ich außerdem eine zunehmende Vermischung zwischen "Fiktion" und "Realität" - nicht etwa in den viel gescholtenen Computerspielen, auch nicht im mit immer "realistischeren" Special-Effects arbeitenden Kino, sondern vor allem im Fernsehen. Das fängt bei den Gerichtsshows an und hört bei den modischen "Dokudramen" noch lange nicht auf.

Tatsächlich wirken die Medien hauptsächlich als Zeitgeistverstärker ohne Intelligenz-Input (Müller-Ullrich).
Rationale Sicht-und Herangehensweisen werden durch ein diffuses “Fühlen” abgelöst - so was nannte man mal "gesundes Volksempfinden", gemeint war eine brisante Mischung aus Hass, diffuser Lebensangst und blindem Glauben an "einfache Lösungen".

Aufwändige Therapien kosten Geld - und werden als “Kuscheln” diffamiert. (Denn es muß "hart durchgegriffen werden".) Auch wenn Therapie am Ende billiger sein dürfte als lebenslange Sicherungsverwahrung, mal ganz vom Leid abgesehen, dass potenziellen Opfern erspart bleibt, wenn ein Täter dank Therapie nicht rückfällig wird.

Dass Politiker auf unverantwortlichste Art und Weise diese virtuellen Ängste für ihre Zwecke nutzen liegt auf der Hand. Wer Angst hat muckt nicht auf. Totalitäre Staaten haben Propagandaministerien, die Angst, Hass und Vorurteile verbreiten, in vielen Demokratien übernehmen die Medien (vor allem das kommerzielle Fernsehen) diesen schmutzigen Job freiwillig, er bringt ja Quote. Bei den weniger kommerziellen Medien bringt es zumindest Aufmerksamkeit - die sattsam bekannten Angst-Themen erlauben es, sich ohne Anstrengungen und durch bloßes Dreschen leeren Strohs engagiert und moralisch überlegen zu fühlen.

Dienstag, 23. Mai 2006

"No go areas"

Ein paar Gedanken zur der Diskussion um gewaltätigen Rassismus in Deutschland, die dankenswerterweise durch ein paar klare Worte des ehemaligen Regierunssprechers Uwe-Karsten Heye in die richtige Bahn gelenkt wurde. Wo Heye recht hat, hat er recht. Zusatzlich befeuert durch die wahrscheinlich "gut gemeinte" Website nogoarea.de, in der praktisch der gesamte "Osten" als "No go Area" für "erkennbar Nichtdeutsche" dargestellt wird. Wobei der Schockeffekt durchaus beabsichtigt ist:nogoarea-info. Dennoch halte ich "gut gemeint" und "gut gemacht" auch in diesem Fall für zwei verschiedene Dinge.

In den USA versteht man unter "no go area" Bereiche, in denen die staatlichen Institutionen nicht mehr in der Lage sind, Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten und somit vor der zunehmenden Gewalt und der Verwahrlosung in gesamten Stadtvierteln resignieren. So etwas gibt es (ansatzweise) leider auch in Deutschland - eben jene Stadtteile, die man besser nachts meidet, da man sonst gefahr läuft, überfallen und niedergeschlagen zu werden - auch als "erkennbarer" Deutscher. (In einigen "Ghettos" sogar: gerade als Deutscher. Diese Tatsache muß bekanntlich gerne zum Aufrechnen und Verharmlosen rassistischer Gewaltaten herhalten. Wobei: ein "weißer" Deutscher mit eingeschlagem Schädel und ein Schwarzer (Ausländer, Moslem, Jude usw.) mit eingeschlagenem Schädel sind immer noch zwei Menschen mit eingeschlagenen Schädeln.) Wobei es in solchen "verwahrlosten" Stadtteilen besonders gefährdete Gruppen gibt - so viel ich weiß, wurde der Begriff "no-go-area" zuerst von Frauengruppen gepägt, die vor bestimmten "gefährlichen Ecken" warnen, in denen allein gehende Frauen oft Vergewaltigern zum Opfer fallen.

Die "national befreiten Zonen" sind dagegen eine ganz andere Sorte "no go area". Bereiche, in denen "Recht und Ordnung" nach Maßgabe einer nicht legitimierten Gruppe (konkret: Nazis) "aufrechterhalten" wird. Also das, was man in den USA "Gangland" nennt - eine kriminelle Gang "beherrscht" ein Gebiet, wobei die Kriminellen in diesem Fall z. B. keine Drogenhändler oder Schutzgeld-Erpresser, sondern politisch Kriminelle sind. Äußerlich ist alles ruhig und ordentlich - solange "man" sich nach den "Spielregeln" der herrschenden Gang richtet. Das fällt vielen Bewohner besagter Zonen leider deshalb leicht, weil die "Spielregeln" der Nazis sich weitgehend mit den Vorstellungen weiter Bevölkerungsteile von "Recht und Ordnung" decken. Die berüchtigtigen rechtsextremistischen Leitbilder in der Mitte der Gesellschaft.

"No go areas", in denen die "staatliche Ordnung" zusammengebrochen ist, lassen sich nicht mit jenen gleichsetzen, in denen (Polit-)Kriminelle die "Ordnung" übernommen haben - oft unter Wegsehen oder sogar Billigung der offiziellen Staatsorgane.

Was speziell die "braunen Zonen" im "Osten" betrifft - da grassiert ein flächendeckender Denkfehler: Die Schuld (auch schon ein fragwürdiger Begriff!) für die eigene, schwierige Situation auf andere zu schieben. Bevorzugt Menschen, denen "man" auch "habhaft" werden kann. Arbeitslosigkeit ist keine Entschuldigung für Rassismus. Nicht mal eine Erklärung.
Und die gern von konservativen Politikern bemühte "DDR-Vergangenheit" (immerhin über 16 Jahre her) taugt auch nicht so recht als Erklärung für die traurige Tatsache, die Volker Pispers so beschrieb: "Schau mal rüber in Osten: realer Ausländeranteil ist unter zwei Prozent, gefühlter Ausländeranteil liegt bei fünfzig". Eher schon das, was nach ´89 geschah. Unter reger Beteilung konservativer Politiker.

Ach ja, und auch das noch: die Hardcore-Nazis vom "Schutzbund Deutschland" (die mit der Kampagne: "Du bist nicht Deutschland - Du bist BRD") versuchen, die Diskussion um "no go areas" in ihrem Sinne umzudrehen. Nach der Methode der Gleichsetzung von weichen Birnen und Kieselsteinen. (Für Leute mit starken Magennerven: Bitte selbst eintippen oder copy-paste anwenden, die verlinke ich noch nicht mal mit "nofollow" Attribut - und ich habe immerhin die Hamas verlinkt!)
www.schutzbund-deutschland.de/index.php?section=propagandal&rid=aufkleber

Mittwoch, 17. Mai 2006

Und wieder mal: Was "jeder weiß", stimmt garantiert nicht!

Wer einen Israelkritiker binnen zehn Minuten älter aussehen lassen will als den Stones-Gitarristen Keith Richards, muss ihn nur mit ein paar interessanten Fakten konfrontieren.
Eine Fundsache bei der (oft zurecht) berüchtigten "Achse des Guten": Leben in der zionistischen Hölle. Claudio Casula nimmt anhand eigentlich wohl bekannter, da jederzeit nachschlagbarer, Fakten die Legende von der "brutal unterdrückten arabischen Minderheit in Israel" auseinander. Die israelische Araber (immerhin 20 % der iraelischen Staatsbürger) leben in relativem Wohlstand, mit sehr guter medizinischer Versorgung und allen demokratischen Rechten besser als die meisten ihrer Brüder in den arabischen Ländern.
Bei allen großen und kleinen Ungerechtigkeiten, die der arabischen Minderheit in Israel widerfahren mögen, kann sich nach allen Umfragen nur eine winzige Minderheit vorstellen, als Palästinenser in Palästina zu leben. Wohlgemerkt: nicht einmal, wenn dafür kein Umzug notwendig würde. Und das, obwohl sie schon seit 1948 unter israelischer „Besatzung“ lebt.

Total anderes Thema, gleiches Motto: "Jeder weiß", dass der Koka-Anbau in Südamerika mit äußerster Härte bekämpft werden muss. Diesen Blogbeitrag bei "gebloggte Welten" nimmt den hinter dem "War on Drugs" stehenden Mythos gründlich auseinander: Markt und Kokaproduktion (via che)
Klasse aufklärerischer Beitrag - und auch die Kommentare sind lesenswert! (Obwohl Boliviens Präsident Evo Morales nicht unbedingt mein Held ist.)

Donnerstag, 11. Mai 2006

Der Sommer kommt früh dieses Jahr

Damit meine ich nicht nur das gerade herrschende ungewöhnlich sonnige Wetter, sondern auch die zahlreichen "typischen Sommerlochthemen" in der derzeitigen politischen Berichterstattung. Wohl weniger, weil es an wichtigen politischen Themen mangeln würde, sondern, weil diese wichtigen Themen irgendwie unangehm sind. Oder um die absehbaren (gewollten?) Folgen bestimmter politischer Entscheidungen zu verschleiern: liberale Stimme: Umverteilung bei den Familien.
Den sommerlichen Klassiker "Schuluniform" hatten wir schon, jetzt kommt das alte bildungsbürgerlich-konservative Repertoire-Gruselstück "Sprachliche Überfremdung" in neuer Inszenierung:
"Wenn es also nicht anders geht, muß ein Sprachgesetz her", so Prof. Walter Krämer, Vorsitzender des Vereins Deutsche Sprache (VDS). "Widersinnigerweise ist alles in Deutschland reguliert – zum Teil überreguliert – aber die Sprache kann jeder nach Laune verbiegen".
In einem Sprachgesetz sollten deutsche Unternehmen und Institutionen verpflichtet werden, mit ihren Kunden deutsch zu sprechen. (Mit Tucholsky: "Deutsche, kauft deutsche Zitronen!")
Irgendwie typisch deutsch - vor allem das "Argument", mehr Regulierung damit zu rechtfertigen, dass schon so viel bei uns reguliert ist. Nicht ganz so typisch deutsch ist die Idee mit dem Gesetz - der Unsinn ist offensichtlich bei Frankreichs vielbelächeltem Sprachgesetz abgekuckt. Gegen das branchentypische "Denglish" in Public Relations und Unternehmensberatung (sorry, consulting) dürfte es sowieso nicht helfen.

Samstag, 6. Mai 2006

"Wie ham ja soooo sehr aus unserer Geschichte gelernt ..."

Eine notwendige Ergänzung zum Beitrag Antisemitismus auf Schwedisch
Ein Problem des deutschen Umgangs mit Antisemitismus ist die Konzentration auf die Vergangenheit. Das ist dann problematisch, wenn es um die Auseinandersetzung mit Antisemiten geht, die weder "Deutsche" noch "Nazis" sind.
Hendryk M. Broder läuft manchmal, wenn er nicht mit seinen persönlichen Lieblingsfeinden beschäftigt ist, zu alter Form auf. Z. B. hier: Welcome, Mr. President!
Die Deutschen, die so stolz darauf sind, sich ihrer Vergangenheit zu stellen, haben keinen Bezug zur Gegenwart. Sie rufen „Wehret den Anfängen!“ und „Nie wieder 33!“ - und sie meinen es wörtlich. Nie wieder soll die NSDAP an die Macht kommen, und nie wieder soll die Judenfrage in Deutschland gelöst werden. Hitler war ein böser Mann, und wer den Holocaust leugnet, kommt vor Gericht. Was freilich im Nahen Osten passiert, ist eine andere Geschichte. Und wenn ein iranischer Politiker, der schon eine halbe Million iranische Kinder als Minenspürhunde im Krieg gegen den Irak geopfert hat, in aller Ehrlichkeit sagt, wie er sich die nächste Endlösung der Judenfrage vorstellt, so ist das zwar nicht nett, entbindet die Deutschen aber nicht von der Pflicht, gute Gastgeber zu sein.

So ist es eben, wenn man immer nur den Anfängen wehren will und das Ende der Geschichte nicht im Auge hat.
(Die als "Minenspürhunde geopferten Kinder" spielen auf die Zeit an, als Ahmadinejad zu den Revolutionsgardisten gehörte - die sich in der Tat nicht scheuten, im Krieg gegen den Irak massenhaft Kindersoldaten einzusetzen - vor allem für Minenräumarbeiten. Die Verluste waren schrecklich.)
Noch um einiges schärfer äußert sich Liza zu diesem traurigen Thema: Welcome to Germany!.
Da läuft etwas falsch, und zwar gründlich. Eine wirksame Alternative zum drohenden Krieg der USA (und Verbündeter) gegen den Iran wären wirtschafliche Sanktionen, zumal unter einem Krieg vor allem die keineswegs durch die Bank mullahfreundliche iranische Bevölkerung leiden würde - und das Regime aller Erfahrung nach im Kriegfall sie zuerst die "Verräter in den eigenen Reihen", sprich die gar nicht wenigen Oppositionellen, vorknüpfen würde. Am besten wäre natürlich eine Kombination aus Unterstützung der Opposition und gezieltem Boykott.
Wer könnte am wirksamsten Sanktionen verhängen? Richtig, die Deutschen!
„Wenn es unter den westlichen Nationen überhaupt eine gibt, die [dem iranischen Atomwaffenprogramm] mit wirksamen Sanktionen begegnen könnte, ist es die deutsche“, führte der deutsche Politikwissenschaftler Matthias Küntzel Ende letzten Jahres im Transatlantic Intelligencer aus. „Heute ist Deutschland mit konstanten Wachstumsraten von über 20 Prozent das mit Abstand wichtigste Lieferland für den Iran. So wurden in 2004 Güter im Wert von 3,6 Milliarden Euro aus Deutschland in den Iran exportiert. Gleichzeitig ist die Bundesrepublik der größte Abnehmer iranischer Nichtölprodukte sowie der größte Gläubiger des Iran.“
Und wer macht auf Appeasement? Na klar, auch die Deutschen! Wobei langfristig gesehen sowohl ein Krieg gegen den Iran (wohl mit deutscher Beteiligung) wie auch ein dank "Bombe" zur lokalen Großmacht avancierter Iran volkswirtschaftlich erheblich teuer kämen, als ein paar "Exportausfälle" - vor allem wenn Israel als wichtiger "High Tech"-Standort und stärkste Industrienation des "nahen Ostens" "ausfällt". Von ethischen und moralischen Fragen ganz abgesehen. Aber hierzulande haben ja leider die in Kostenstellen denkenden "Betriebswirte" das Sagen, auch jene, die sich manchmal "liberal" schimpfen.
Ahmadinejad hat leider auch "richtige" deutsche Freunde. Auf der äußersten politischen Rechten aufgrund weitgreifenden ideologischer Schnittmengen Allianz zwischen Neonazis und radikalen Islamisten? und Deutsche Neonazis solidarisieren sich mit 'islamischen Völkern' - idgr: Die unheilige Allianz zwischen Hakenkreuz und Halbmond
Der ideologische Kitt, der die deutschen Neonazis und die iranischen Mullahs zu Verbündeten macht, ist der Kampf gegen "Judentum" und vermeintliche Imperialisten. (Nur eine Frage der Zeit, wann man auf Seiten der NPD zwischen "guten" und "schlechten" Islamisten unterscheiden wird - und vielleicht sogar darauf kommt, dass "Iran" "Land der Arier" bedeutet .... )
Auf der politische "Linken" schlagen sich Leute wie Werner Pirker in der "Jungen Welt" nach dem Motto "der Feind meines Feindes ..." ganz "antiimperialistisch" auf die Seite eines Regime, das reaktionärer ist als alles, was es im Westen gibt. Siehe wieder mal Che, der hat da nämlich vollkommen recht: Es pirkert mal wieder - auch damit:
"antideutscher, philosemitischer, kryptorassistischer Mythos auf der einen Seite, antiamerikanischer, antizionistischer neostalinistischer Mythos auf der anderen."
Ich hoffe sehr, dass ich mit diesem Beitrag nicht zu weit in die antideutsche, philosemitische und kryptorasstische Ecke begeben habe.
zwischen Gut und Böse

Donnerstag, 4. Mai 2006

Antisemitismus auf Schwedisch

Eigentlich wäre es eine Marginalie: die schwedische Luftwaffe zieht sich von einer gemeinsamen Übung mit den Luftwaffen befreundeter Nationen zurück. Wäre da nicht die übel klingende Begründung: Schweden macht nicht mit, weil die Israelis auch dabei sind - womit Israel offensichtlich nicht mehr zu den befreundeten Nationen gezählt wird.
Verteidigungsministerin Leni Björklund sagte, sie habe ihre Entscheidung wegen der Teilnahme ‚eines Staates, der sich nicht an internationalen Friedenssicherungs-Einsätzen beteiligt’ geändert. Ein anderes schwedisches Regierungsmitglied argumentierte weniger diplomatisch: ‚Israel handelt nicht im Namen des Friedens und sollte nicht an einer solchen Darbietung teilnehmen!’
Liza äußert in seinem Blog den üblen, und wohl zutreffenden, Verdacht, dass diese Entscheidung nicht zuletzt dem in Schweden weit verbreiteten "Antizionismus" geschuldet ist. Alter Schwede!

Antisemitismus im friedlichen Musterland im Norden?
Über das rosarote Schwedenbild mancher Deutscher habe ich mich ja schon mal ausgelassen: Bullerbü ist überall. Meine schwedische Freundin äußerte einmal den Verdacht, der gute Ruf Schwedens in Deutschland würde auch daher kommen, dass man "als Schwede" Dinge sagen dürfte, die in Deutschland wegen der Nazivergangenheit "politisch inkorrekt" sind. Soweit es um Dinge wie Sonnenwendfeiern geht, wünsche auch ich mir etwas "nordische Lockerheit" bei angeblichen "Tabuthemen". Im Falle des Antisemitismus vermisse ich den "unbefangenen" Umgang vieler Schweden mit "NS-belasteten" Themen nicht im Geringsten.
Erst vor knapp zwei Monaten hatte eine Studie zutage gefördert, dass 36 Prozent der schwedischen Bevölkerung „eine mindestens ‚teilweise ambivalente‘ Haltung gegenüber Juden“ hat. Mehr als ein Viertel bejahten die Frage, ob „die Juden großen Einfluss auf die Weltwirtschaft haben“, genauso viele möchten „keinen Juden als Ministerpräsidenten“. Die Dunkelziffer ist vermutlich noch weit höher – derlei Umfragen fassen die Definition von Antisemitismus zumeist ziemlich eng.
Die Umfrageergebnisse sind in Deutschland übrigens nicht wesendlich besser. Der Unterschied: eine offen anti-israelische Position, die mit alten anti-semitischen Klischees arbeitet, ist in Deutschland, der "Auschwitz-Keule" sei Dank, die Sache von Rechtsextremisten und schäbigen Populisten. Im nicht "belasteten" Schweden ist diese Haltung tief im politischen Establishment verankert. Und auch um diese "Unbefangenheit" beneiden, fürchte ich, nicht wenige Deutsche ihre nördlichen Nachbarn.

Nachtrag: Schweden hat am 5. 5. als erstes europäisches Land einem Hamas-Minister, nämlich Atef Odwan. eine Einreisegenehmigung erteilt – Anlass ist eine von Palästinensern organisierten Konferenz in Malmö. Schweden bewilligt Hamas-Minister Visum

Und eine Klarstellung:
Nicht jeder Unterstützer der Palästinenser ist auch Antizionist. Nicht jeder Antizionist ist zwangsläufig Antisemit. Aber jeder Antisemit ist auch Antizionist.
Von daher ist mir jeder Palästina-Unterstützer äußerst suspekt, der es mit dem Existenzrecht Israels und der Ablehung des Terrorismus nicht so genau nimmt. Geschweige denn, jemanden zu einer Konferenz einzulande, der das Existenzerecht Israels offen ablehnt und in der Vergangenheit Terrorismus befürwortet hat.

Noch etwas: Ich finde die "Ausschwitz-Keule" - der Hinweis auf die besondere deutsche Verantwortung wegen des millionenfachen Mordes - ist ein zwar Wirksames, aber zu grobes Instrument, um Antisemiten zu stoppen. Zumal sie hat keinen Bezug zur Gegenwart hat.

Zur Frage, wie viele Antisemiten es in anderen europäischen Ländern gibt: Antisemitismus sinkt, Israelfeindschaft steigt in Europa. Deutschland liegt mit traurigen 36% der Befragten, die antisemitische Ressentiments an den Tag legten, ganz vorn.
Vielleicht noch schlimmer: 45 % der befragten Europäer glauben, dass Israel keinen Frieden im Nahen Osten wolle (und nur 7 % glauben, dass Palästina keinen Frieden will).

Nachtrag vom 17. Mai:
Da hamma den Salat: Hamas-Minister widerrechtlich in Europa.
Mit einem schwedischen Visum hat ein Mitglied der radikalen palästinensischen Hamas-Regierung mehrere europäische Länder besucht - trotz eines Verbots der Europäischen Union.

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