Politisches

Dienstag, 29. August 2006

Iranischer Präsident setzte braune Schleimbombe ein

Für alle, die immer noch glauben, die Aussagen des Iranischen Präsidenten Ahmadinejad würden von den "westlichen Medien" "böswillig verzerrt" oder "fehlerhaft übersetzt" : Auf der offiziellen Website des Iranischen Staatspräsidenten kann man seit Kurzem jenen Brief lesen, den der iranische Staatspräsident an die deutsche Bundeskanzlerin geschrieben hat. https://president.ir/eng/ahmadinejad/cronicnews/1385/06/06/index-g.htm
(Übrigens gibt es dort auch die offiziellen englischen Übersetzungen der Reden Ahmaninejads - für alle, die immer noch glauben, er sei doch gar nicht aggressiv und schon gar kein Antisemit, das sei doch alles nur "hineininterpretiert".)
Es fängt schon peinlich schleimig an:
"Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, seien Sie herzlich gegrüßt!

Ich hätte diesen Brief nicht geschrieben, wenn Deutschland nicht der Mittelpunkt der großen Entwicklungen in Wissenschaft, Philosophie, Literatur, Kunst und Politik gewesen wäre und keine wichtige positive Rolle bei internationalen Interaktionen zur Förderung des Friedens gespielt hätte; wenn manche Weltmächte und bestimmte Gruppen ständig mit einem starken Willen das große Deutschland nicht als Verlierer und „Schuldner“ des Zweiten Weltkrieges dargestellt und es ständig erpresst hätten; wenn Sie nicht eine weltoffene Politikerin wären, die mit bitteren und guten Erfahrungen in zwei Gesellschaften mit unterschiedlichen Staatsformen, Normen, Sitten und Bräuchen an der Spitze Deutschlands steht mit Privilegien, die lediglich Frauen vorenthalten sind, wie z.B. einer stärkeren menschlichen Emotionalität mit Erscheinungsformen göttlicher Barmherzigkeit im Dienste des Volkes und mit gemeinsamer Verpflichtung aller Gläubigen Menschen zur Wahrung der Menschenwürde und -rechte mit der Überzeugung, dass wir alle die Ergebenen des erhabenen Gottes sind, der uns allen eine Würde geschenkt hat und kein Mensch höher und erhabener ist als der andere und unter keinem Vorwand eine Gesellschaft entrechtet, eingeschränkt, erniedrigt und beim Fortschritt verhindert werden darf; und schließlich wenn es die - zwar unterschiedliche - Niedergedrücktheit unserer Völker und unsere gemeinsame Verpflichtung zur Förderung der Gerechtigkeit als die wichtigste Grundlage zur Sicherung von Frieden, Sicherheit und Gleichheit der Menschen nicht gäbe.
(Ja, richtig, ein Satz! Na, vielleicht gelten Bandwurmsätze und plumpe Schmeicheleien im Persischen als "guter Stil".)
Von da ab hat der Brief verblüffende Ähnlichkeit mit NPD-Wahlkampfpropaganda, z. B. hier:
Die propagandistischen Bemühungen nach dem Zweiten Weltkrieg sind dermaßen umfassend gewesen, dass manche geglaubt haben, eine historische Schuld zu tragen und die Sünden ihrer Vorfahren über Generationen und auf unbestimmte Zeit entschädigen zu müssen. (...) Vor ungefähr 60 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Aber bis heute leiden die Welt und manche Länder noch unter den verheerenden Nachwirkungen des Krieges. Nach wie vor werden manche Länder von manch anderen gewaltorientierten Staaten und macht- und kriegsüchtigen Gruppen, die als Siegermächte auftreten, als besiegte Länder betrachtet und behandelt.

Die Erpressungen dauern an und niemend darf sie in Frage stellen. Die Menschen dürfen nicht einmal den Ursachen dieser Erpressungen nachgehen oder sich darüber Gedanken machen, weil ihnen in diesem Fall die Haftstrafe drohen würde. Wie lange noch soll die Erniedrigung des Volkes und die Erpressung andauern? 60 Jahre, ein Jahrhundert, 10 Jahrhunderte, bis wann? Es tut mir leid, daran erinnern zu müssen, dass heute die ständigen „Kläger“ des großen deutschen Volkes manche gewaltbesessene Länder und die Zionisten sind, die das Besatzungs-Regime durch Waffengewalt im Nahen Osten errichtet haben.
Nun ist wohl dem Letzten klar, wieso deutsche Neonazis so sehr von Ahmadinejad begeistert sind. Denn so etwas öffentlich zu sagen traut sich nicht mal dle NPD:
Verehrte Frau Bundeskanzlerin,
Ich habe nicht vor, der Frage des Holocausts auf den Grund zu gehen. Aber spricht das gegen die menschliche Vernunft, wenn man die Tatsache für möglich hält, dass manche Siegermächte des Zweiten Weltkrieges vorhatten, einen Vorwand zu schaffen, um damit das Volk des besiegten Landes dauernd zu erniedrigen, ihre Motivation und Vitalität zu schwächen und ihren Fortschritt und ihre verdiente Souverenität zu verhindern? Neben dem deutschen Volk sind auch die Völker im Nahen und Mittleren Osten und sogar die Menschheit durch die Thematisierung des Holocausts zu Schaden gekommen.
Angela Merkel hat den Brief nicht beantwortet (kein Wunder, mir hätten auch die Worte gefehlt). Sie wollte ihn ihn auch nicht öffentlich machen. Das kann ich verstehen, angesichts folgender Überlegung: Ich halte Ahmadinejad nicht für so weltfremd und dumm, dass er erwartet hätte, Frau Merkel würde ihm freudig zustimmen.
Der wahre Adressat des Briefes dürften aber die deutsche Öffentlichkeit sein (weshalb sonst hat er den Brief jetzt auf deutsch veröffentlicht). Offenbar glaubt Ahmadinejad, dass es in der deutschen Öffentlichkeit eine nicht unbeträchtliche Bereitschaft dazu gibt, die Welt und die Lage von Deutschland und Iran so zu sehen, wie er es in seinem Brief darstellt. Bei den deutsche Rechtsextremisten hat er damit wohl Recht, bei vielen Deutschen außerhalb der rechten Szene leider auch. Diese Sympathisanten könnten dann wiederum innenpolitisch Druck auf die Bundesregierung ausüben. Außerdem zielt der Brief offensichtlich auch nach innen - eine schroffe Ablehnung statt schlichtem Schweigen wäre eine Steilvorlage für die iranische Propaganda gewesen: da ist man so freundlich zu der deutschen Kanzlerin, und dieser anti-islamische und anti-iranische Schlampe beantwortet das mit einer Abfuhr. Eine weitere Überlegung, die gegen eine Veröffentlichung des Briefes spricht, sind die im Bereich "Nahostpolitik" besonders eifrigen Verschwörungstheoretiker, die den veröffentlichten Brief ohne Zweifel als plumpe anti-iranische Fälschung bezeichnet hätten.

Nun sind, dank Ahmadinejad, diese Überlegungen hinfällig geworden. Übrigens zeigt dieser Brief und zeigen auch die anderen Texte auf seiner Website, dass sich sein Standpunkt nicht auf "Islamismus" verkürzen läßt - klassische islamische Fundamentalisten argumentieren anders, auch wenn sie sich an "westliches" Publikum richten.

Montag, 28. August 2006

virtuelle Gefahr "Antifa"

In der "Tageszeitung", 28.08.2006, berichtet Gabriele Goettle über die "Antifaschistin" und Rechtsanwältin Katja Herrlich, die sich in Frankfurt am Main mit den sich immer besser organisierenden Neonazis herumschlägt. (Auch online "Wie war es möglich?".)

Nun mag die Weltanschauung, die hinter Teilen der (politisch gesehen äußerst vielfältigen) Antifa steht, nicht immer mit der liberalen Demokratie verträglich sein. Hingegen sollte eigentlich jedem Beobachter der Szene klar sein, dass die Gefahr für die liberale Demokratie nicht von der Antifa ausgeht.
Eigentlich. Denn die politische Praxis sieht oft anders aus: Da wird munter und undifferenziert von einer "Bedrohung von Rechts und Links" gesprochen, ungeachtet der Tatsache, dass man zum Terror bereite Linke (die es durchaus gibt) schwerlich in der Antifa finden wird. Wenn es eine "Gefahr von Links" für die liberale Demokratie gibt - "linke" Feinde der "offenen Gesellschaft" gibt es ja tatsächlich überreichlich - dann geht sie nicht von jenen "gewaltbereiten" Antifas aus, die meinen, dass man mit "braunen Schlägern" in der einzigen Sprache reden müßte, die sie verstünden, nämlich der (Gegen-)Gewalt.
In diesem Falle ging es um eine "gemeinsame Gewaltverzichtserklärung", die "Linke" und "Rechte" unterzeichnen sollten. (Eine geradezu rührend wirklichkeitsfremde Idee.)
Wir als Linke sahen gar keinen Anlass, eine solche Erklärung abzugeben. Wir ziehen ja nicht los, um andere Leute zusammenzuschlagen. Wir wehren uns lediglich gegen die Nazis. Hier sollte rassistische Gewalt und antifaschistische Gegenwehr gleichgesetzt werden, das ganze Gespräch konnten wir nur als Farce betrachten. Den Vertretern der Stadt, die auch dabei waren, ging es eigentlich gar nicht um die Gewalt und die Opfer, sondern nur um den ,Standort', um den Imageschaden für die Stadt. Dass hinter dieser störenden Gewalt eine Ideologie steht von Rassismus und Intoleranz, die man nicht tatenlos hinnehmen kann, das interessierte die Stadt wenig.
Und wieder die Debatte um "Standorte" und "Imageschäden". Politik reduziert auf BWL und PR für Anfänger - Motto "heile Welt verkauft sich gut". Als ob Demokratie, Bürgerrechte, Menschenrechte keine Werte an sich, sondern nur "abgeleitete" Werte seien - ausschlagebend ist allein, was sie im "Wettbewerb der Standorte" angeblich bringen. Klar, Neonazis sind schlecht fürs Geschäft. Aber Leute, die nicht bereit sind, das Rechtsextremismus-Problem unter den Teppich zu kehren, offensichtlich auch. Nach dem alten Prinzip, dass es einfacher ist, sich gegen denjenigen zu wenden, die auf Mißstände aufmerksam machen, als die Mißstände zu bekämpfen.

Was Katja Herrlich zu behördlichen Repressionen gegen "Links" zu sagen hat, wirft ein Schlaglicht auf eine bei Strafverfolgern offensichtlich weit verbreite Denkweise:
Es herrscht ein kompletter Verfolgungsdrang, man meint irgendwie, unbedingt Täter beibringen zu müssen. Und obwohl die linke Szene ja schon seit so vielen Jahren observiert wird, haben sie nichts verstanden. (...) In meiner Studienzeit bin ich bei der Polizei in so eine Schublade getan worden, in der ich jetzt immer noch stecke. Eben weil ich mal ein paar Demos angemeldet habe, wird bis heute davon ausgegangen, dass ich diejenige bin, die antifa-mäßig hier was zu sagen hat, Einfluss auf die Szene ausübt. Was ja nicht so ist, weil's eben hier nicht irgendwelche Führer gibt, die die Richtung vorgeben. Sie haben nicht verstanden, dass Antifa an sich schon immer ein Zusammenhang von Leute war, wo jeder alles zu sagen hatte.
Die Klischees sind offenbar stärker als die erkennbare Realität. Der Strafverfolger denkt in hierachischen, zentralistischen Systemen - und geht promt davon aus, dass die Antifa ebenfalls zentralistisch und hierarchisch organisiert sein müsse. In Wirklichkeit ist sie das nicht. Übrigens geht man auch "rechtsaußen" dezentral vor. (Und das "Terrornetzwerke" ohne militärische Befehls- und Gehorsamsstrukturen auskommen, sollte sich nach 5 Jahren "Krieg gegen den Terror" auch langsam herumgesprochen haben.)

Es gibt offensichtlich zwei völlig verschiedene Antifas: die Antifa, wie sie sich aufgrund erkennbarer Fakten darstellt - nämlich: dezentral, politisch uneinheitlich, ohne ausgeprägte Hierarchien, im Grundsatz pro-demokratisch, in der Regel nicht gewaltätig, und wenn, dann nur nach Provokation - und die Antifa aus der Sicht bestimmter "Sicherheitsexperten", Innenpolitiker, Polizeibeamter: zentralistische Kaderorganisation, politisch stramm kommunistisch, stets gewaltbereit gegen das "System".

Freitag, 25. August 2006

Paaanik: Anleitung zum Bau einer "schmutzigen Bombe" im Internet gefunden!

Ja, unsere stets um ihren möglichen Verlust an Kontrolle nee, ihre Geschäftsinteressen in der Security & Biometrie-Branche also ich meine Wählerstimmen vom rechten Rand ach, jetzt hab ich's, unsere Sicherheit besorgten Innenpolitiker haben Recht: man kann ohne Mühe im bösen, bösen Internet ganz böse Sachen finden, und zwar natürlich bei den bösen Bloggers:
pantoffelpunk: Anleitung zum Bau einer schmutzigen Bombe.

Übrigens, auch erschreckend im Zusammenhang mit den "Kofferbombenbauern": Hier in meiner Nachbarschaft habe ich eine Rentnerin getroffen, die tatsächlich Materialien zum Bau von Koffern (schreck!) bei sich zu Hause aufbewahrt!!! Den Kofferbau sollte man nicht als "Hobby einer älteren Frau" verharmlosen, denn schließlich ist es vom Bau eines Koffers zu dem einer Kofferbombe nur ein winziger Schritt!

Sachdienliche Hinweise zum Thema bei Planet Hop: Studenten, Koffer und der Tod

Dienstag, 22. August 2006

Passende Nazivergleiche

Längst nicht jeder "Nazivergleich" ist unangemessen, und manchmal ist die "Faschismuskeule" das treffenste Instrument der politischen Auseinandersetzung.

Zum Beispiel, wenn es um "Islamofaschisten" geht. (Womit, das sei hier nochmals betont, nicht der Islam als solcher oder der Moslem als solcher gemeint ist. Sondern eine ganz spezielle totalitäre, antidemokratische, antiwestliche und stark antisemitische Ideologie, die mit mit dem Koran etwa zu viel zu tun hat wie die Hexenverbrennungen mit dem Markus-Evangelium.)

Wie bei Liza üblich sehr lang, aber vor allem wegen der Übersetzung des Artikels "Die Endlösung der Hizbollah" von Alan M. Dershowitz aus dem Front Page Magazine, 11. August 2006, sehr lohnend. Auch - oder gerade - wenn man Lizas und Dershiwitzes zornigen Äußerungen nicht völlig zustimmen mag. Wesensverwandtschaften

Ich bin nicht immer einer Meinung mit Liza, selbst nicht in allem, was er in diesem Artikel schreibt. Aber hierin stimme ich ihm völlig zu:
Es wäre also nicht von einem Islamfaschismus zu sprechen, sondern besser von einem Islamnazismus oder islamischen Nationalsozialismus, denn in diesen Termini ist – auch wenn sie sperriger klingen – besser aufgehoben, was den Terror der Hamas und Hizbollah, die Staatsideologie vor allem des Iran und Syriens und die suicide attacks ausmacht: ein auf vollständige Vernichtung zielender, also eliminatorischer Antisemitismus. Dieser Wesenszug ist von so großem Gewicht, dass er die Unterschiede zum deutschen Vorbild deutlich überlagert. Denn die Parallelen stechen hervor: Eine alle Bereiche der Gesellschaft bis das zutiefst Private durchdringende Ideologie, deren Welterklärungs- und -herrschaftsanspruch infolge einer angenommenen Überlegenheit der eigenen Anschauungen, die totale Bereitschaft zum Selbstopfer, die Kriegserklärung an die zum Gegenprinzip Erklärten – die auf dieser Welt lebenden Juden nämlich –, das heißt deren Vernichtung um ihrer selbst willen inklusive der Mobilisierung aller verfügbaren Reserven auf dieses Ziel hin, kennzeichnen sowohl den deutschen NS als auch den Islamismus.
(Siehe auch mein älterer Beitrag Demokratie-Dilemma mit einem Zitat aus der Hamas-Charta, das eigentlich alle Illusionen über den Charakter dieser Organisation zerstreuen sollte.)

Gegen den Begriff Islam-Faschismus hat sich laut Tagesspiegel auch Daniel Pipes ausgesprochen. Der Faschismus glorifiziere den Staat, betone rassische Reinheit, plädiere für den Sozialdarwinismus und lehne organisierte Religion ab – alles im Gegensatz zum Islamismus.
Nun, wie war das noch mal? Die "rassische Reinheit" ist eine Spezialität der Nazis, die man bei anderen Formen des Faschismus vergeblich sucht (und mit der es selbst die SS nicht immer so genau nahm, wenn es strategisch klug erschien), und ob Nationalismus und Sozialdarwinismus wirklich allen (durchaus divergenten) Richtungen des Islam-Faschismus abgeht, wage ich - mit Seitenblick auf die Hamas-Website - durchaus zu bezweifeln. Völliger Blödsinn bzw. (un-) fromme Legende ist, dass "der Faschismus" die organisierte Religion ablehnte. Der italienische Faschismus klüngelte offen mit der katholischen Kirche, und bei Franco war der ausgeprägte rechte Flügel des spanischen Katholizismus Stütze des Systems ("Klerikalfaschismus"). Die Nazis schließlich schlossen ein Konkordat mit dem Vatikan und biederten sich beiden Großkirchen mit Erfolg an - allem "germanischen" Bimborium und aller Anleihen bei der Ariosophie zum Trotz. Tatsächlich waren die meisten Nazis durchaus religiös und sahen sich als Christen oder wenigstens als "gottgläubig". Die NSDAP erwartete, dass ihre Mitglieder sich zu Gott bekennen und nicht Agnostiker oder Atheisten wurden. Das Ziel des NS war nicht die Zerschlagung der organisierten Religion, sondern ihre Unterordnung unter den NS-Staat - bis hin zur geplanten Gründung einer von "jüdischen Elementen" gereinigten Staatskirche.

Dass der radikale Islam historisch und philosophisch vielmehr Verbindungen mit dem Marxismus-Leninismus hätte, ist meines Erachtens eine These, die auf oberflächlichen Gemeinsamkeiten, wie dem Antikapitalismus und "Antiimperialismus" und Zweckbündnissen / Lippenbekenntnissen während des Kalten Krieges beruht.

Donnerstag, 17. August 2006

"Null Toleranz" an Schulen bringt nichts

"Zero Tolerance" ist eine manchmal verblüffend wirksame, manchmal versagende, oft aus Sicht der Bürgerrechte problematische Strategie zur Verbrechensbekämpfung. (Hierzu mehr in meinem Artikel in "Odins Auge": Exkurs: Null Toleranz.)
Seit den Erfolgen bei der Bekämpfung der Alltagskriminalität in New York Anfang der 90er Jahre gilt "Null Toleranz“ als Patentrezept gegen Kriminalität aller Art und wird entsprechend gerne als Schlagwort verwendet.
Konservative und autoritäre Politiker kamen, zuerst wieder in den USA ab Mitte der 90er Jahre, auf die Idee, das z. B. Ladendiebstählen bewährte Prinzip, nichts, aber auch nichts, durchgehen zu lassen, auch auf andere Bereiche des Lebens auszudehnen. Aufgeschreckt durch Gewalttaten unter Schülern wurde beispielsweise eine "Zero Tolerance"-Politik an vielen öffentlichen Schulen durchgesetzt: hart durchgreifen, hart strafen. Disziplinarstrafen, Schulverweise und eine niedrige Schwelle für die Anwendung des Strafrechts. (Von nicht wenigen deutschen Politikern wird das als vorbildlich für deutsche Schulen angesehen.)

Nun hat die American Psychological Association eine Studie veröffentlicht, die die Zweifel vieler Bürgerrechtler an der populären "Zero Tolerance" an Schulen bestätigen: solche eine Politik funktioniert nicht nur nicht, sondern könnte im Gegenteil Schüler sogar zu undiszipliniertem Verhalten ermutigen.
USA Today (August 9, 2006): Zero Tolerance

Die "Zero Tolerance Mode" führte zu absurden Ergebnissen:
- In Colorado wurde ein Sechsjähriger vom Unterricht ausgeschlossen, weil er die Anti-Drogen-Bestimmungen der Schule verletzt hatte, indem ein einen Zitronenbonbon mit einem Freund geteilt hatte.
- In New Jersey wurde zwei Kindergarten-Kinder ausgeschlossen, weil sie gegen Waffenbestimmungen verstoßen hatten, indem sie mit den Fingern aufeinander gezeigt hatten und dabei "Peng, Peng" riefen.
- In Georgia wurde ein High School Schüler von Unterricht ausgeschlossen, weil er seine Freundin auf dem Flur auf die Stirn geküßt hatte: der Kuss verstieß gegen die Vorschriften der Schule gegen "unsittliche Berührungen".
- In Virginia wurde acht Schüler ausgeschlossen, nachdem beim Schnupfen von Kool-Aid erwischt worden waren. Sie wurden wegen des "Besitzes von verbotenen Substanzen" angezeigt, weil sie das Brausepulver "in einer Weise benutzten, die den Gebrauch illegaler Drogen imitierte", wie Schulvertreter erläuterten.
- In Maryland wurde ein Neunjähriger ausgeschlossen, weil er auf ein Gewehr auf einem Stück Papier zeichnete.

Selbstverständlich tragen solche hysterische Überreaktionen auf ganz normales kindliches Verhalten nicht wirklich zur Sicherheit an Schulen bei.
Die American Psychological Association (APA) forderte deshalb laut USA Today mehr Flexibilität und gesunden Menschenverstand bei den Anwendung der Vorschriften. Null Toleranz sollte allein für die die Sicherheit an Schulen ernsthaft gefährdenden Verstöße vorbehalten bleiben.
Ein APA Sprechen sagte, dass der alles-über-einen-Kamm Ansatz nicht funktioniert. Aspirin zur Schule mitzubringen, ist nicht das selbe wie Kokain mitzunehmen. Ein Plastikmesser ist nicht das selbe wie eine Pistole.
Schlimmer noch, Null-Toleranz Vorschriften könneten sogas den Lernerfolg beeinträchtigen. Studien zeigen, dass Schüler an Schulen mit starkem sozialen Druck oder hohen Verweis-Raten laut APA weniger akademischen Erfolg haben. Außerdem brechen Schüler, die vom Untericht suspendiert wurden (selbst bei geringfügigen Vergehen) häufiger die Schule ab als andere Schüler.

Ich denke, dass sollte Anlaß genug für jene Bildungspolitiker sein, die "mehr Diziplin" an Schulen im Sinne der Null-Toleranz fordern, einmal den Blick auf die amerikanischen Erfahrungen zu werfen. Und Anlaß zum Nachdenken für geplagte Eltern und Lehrer, die resigniert meinen, nur noch konsequentes hartes Durchgreifen könne die Schüler dazu bringen, endlich "vernünftig" zu lernen. Offenbar ist das Gegenteil der Fall.

Donnerstag, 10. August 2006

Braune Hydra?

Wie nicht anders zu erwarten: Es sieht meines Erachtens ganz so aus, als ob es einen "Nachfolger" für den kürzlich verbotenen rechtsextremen "Schutzbund Deutschland" namens "Bewegung Neues Deutschland" gäbe.
(Die Redaktion des "Neuen Deutschlands" wird nicht begeistert sein. Mal sehen, was "Die Linkspartei"/PDS zu diesem Missbrauch des Namens einer parteieigenen Zeitung durch augenscheinliche NS-Nostalgiker meint. Könnte für die mutmaßlichen Braunen ein tiefbrauner Griff ins Klo sein.)

Nachtrag: Unabhängig von meiner Quelle (die mir einige Flugbätter der "Bewegung Neues Deutschland" zeigte) hat redok den selben Eindruck gewonnen.

Das Organisationsverbote wenig bringen, ist klar. Was diesen Leuten aber wehtut, mehr als Knast für ein paar “Kämpfer”, sind finanzielle Konsequenzen. Das meiner Meinung Wichtigste am Verbot des “Schutzbund Deutschland” war die Beschlagnahmung der modernen Druckereianlagen, des Warenbestands des Versandhandels und der Bankguthaben (soweit bekannt). Deshalb setzte ich auch einige Hoffnung in die möglichen Klagen des “Neuen Deutschlands” und der “Linkspartei” - denn das ginge, selbst wenn die mutmaßlichen “Schutzbund”-Nachfolger strafrechtlichen Konsequenzen irgendwie aus dem Weg gehen können.

Dienstag, 1. August 2006

Catch 22 - oder die "lose lose" Situation

Vor ein paar Tagen habe ich mich davor gedrückt, zu einen besonders ärgerliche Krieg Stellung zu nehmen. Ein Krieg, den zu kommentieren mir nicht zusteht. Nun muß ich mir den Vorwurf gefallen lassen, feige gewesen zu sein. Zu Feige, dass, was man als "wahr" erkannt hat, auch bewußt beim Namen zu nennen: Catch-22. Eine Situation, in der man nur verlieren kann, egal, was man tut. Eine tödliche Zwickmühle. In der nicht "nur" Israel steckt, sondern eigentlich der ganze "Westen" samt aller halbwegs zivilisierten arabischer Staaten.

Don Alphonso hat den Israel-Hisbollah-Krieg genau so beschrieben. Wer seinen schmerzenden, aber leider mit jedem Wort allzu wahren Beitrag noch nicht gelesen hat, sollte dies nachholen:
Was man sagen kann Für seinen Schlußatz sehe ich Don alle seine Kronleuchter und Stuckdecken und seine mitunter fiesen Vorwürfe gegen andere Blogger nach.
Sagt viel aus über die jüdisch-deutsche Normalität, überrascht auch nicht weiter, aber ich sehe ums Verrecken absolut nichts Gutes in der Scheisse, die da gerade abgeht, diesem Catch 22 des nahen Ostens. Nicht für Israel, nicht für die Juden, nicht für den Westen und auch nicht für den Kampf gegen den Terror.
Ja, und wem nützt es? Wer gewinnt dabei? Leider jene, denen ich es am Wenigsten gönnen würde. Den Terroristen der Hisbollah. Und ihren Unterstützern. Und erst recht denen, die daran verdienen.

Denn das Konzept der Hisbollah geht auf: genau diese Bombardierungen zu provozieren, bei denen dann fast zwangsläufig Zivilisten ums Leben kommen. Seit fast drei Wochen werden und wurden aus Raketenstellungen, die zwischen und auch in bewohnten Häusern untergebracht sind, zivile Ziele in Israel beschossen.

(Siehe hierzu, bei Chajms Sicht: Verheerend)

Allerdings gehört dazu auch eine andere Seite, wie z. B. der israelische Verteidigungsminister: Naives Vertrauen auf eine zugegebenermaßen hervorragende Armee, die das schon hinkriegen wird - und in die Falle ging. Wobei: in der Zwickmühle steckte Israel schon vorher. Auch aufgrund "westlicher" macht- und wirtschaftspolitischer Spielchen. Von wegen "Solidarität mit Israel"! Die haben nur mal weder das Öl noch die zum "Märtyrertod" bereiten Massen junger Männer. Und der Antisemitismus ist leider fester kultureller Bestandteil des "christlichen Abendlandes", Teil unserer kulturellen Identität. Auch meiner.

Zu den "geistigen Kriegsgewinnlern" dieses Krieges gehören die Antisemiten aller Coleur. Und zwar gerade in Deutschland.

Dienstag, 25. Juli 2006

Blicke in den Hintergrund des "Nahostkonflikts"

Che 2001 (liebe Nicht-Linke, nicht gleich stöhnend wegklicken!) beschreibt in seinem Blog gern vergessene, verdrängte oder gar nicht gewußte wichtige Tatsachen zum sozioökonomischen Hintergrund von Hamas, Fatah und andere Palästinenserorganisationen.
Mal kurz nachgedacht
Und nochmal zum sozioökonomischen Hintergrund von Hamas & CO

Die Fakten sind zwar nicht neu (jedenfalls nicht für mich), aber so kompakt und verständlich aufbereitet, dass sich die meisten "Nahostexperten" in den Medien da eine ganz dicke Scheibe abschneiden können.

Montag, 24. Juli 2006

Hakenkreuze

In Malmö, Schweden, demonstrierten am Sonntag Palästinenser gegen den Krieg im Libanon - und trugen dabei Plakate mit Hakenkreuzen. (Das Hakenkreuz ist als Symbol in Schweden nicht verboten.) Politiker fordern, dass die staatliche Beihilfe für den Malmöer Palestinenserverein eingefroren werden muss.
Die Reaktion des Sprechers der Palästinenser: "Sie waren für die Meinungsfreiheit, als es um die Mohammed-Karrikaturen ging, aber in diesen Fall nicht. Weshalb nicht?"

Die Meldung auf Schwedisch: Sydsvenskan: Hakkors (mit einer Reihe weiterführender Artikel - ist im Moment Thema Nr. eins in Südschweden) und zusammengefaßt auf Englisch: The Local: Liberals condemn demo swastika

Hinweis: Inger Sveinsson - Englische Meldung via fdog (War auch gut, mein Schwedisch ist nicht so toll.)

Sonntag, 23. Juli 2006

Ein Krieg, den zu kommentieren mir nicht zusteht

Weil ich die genaue Situation in Israel, Jordanien und Gaza nicht kenne. Und weil ich den Verdacht habe, dass unsere Medien nicht viel dazu beitragen, dass ich die wirkliche Situation kennenlerne. Weil ich weitab vom Schuß bin - in der wörtlichen Bedeutung. Weil ich nur schwer nachvollziehen kann, wie es ist, wenn um einen die Raketen einschlagen.
Weil ich die viele selbsternannten "Nahost-Experten" satt habe. Und die billigen Patentrezepte und noch billigeren Patent-"Erklärungen". ("Geht doch nur ums Öööööl!" - leider keine Satire: Der Fuchsbau: Presseclub nachgefragt.)

Und was mich besonders stört:
Es bestätigt sich mal wieder, dass man bei Vielen, zu Vielen, die zu diesem Krieg ihre Kommentare abgeben, nur mit dem Nagel zu kratzen muss - und schon kommen die antisemitischen Klischees, die Weltverschwörungsparanoia, die Selbstgerechtigkeit der Enkel der Wehrmachtskriegsverbrechergeneration, zum Vorschein. Und: Viele von ihnen wissen nicht - oder wollen nicht wissen - dass ihre "Argumente" aus der Giftkiste der Nazis stammen.

Deshalb: Macht Euch ein Bild bei Menschen, denen es zusteht, diesen Krieg zu kommentieren. Weil sie mitten drin stecken. Auf beiden Seiten der Grenze. Bei Jens fand ich eine Linkliste: Make up your own mind.

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