Politisches

Freitag, 13. Oktober 2006

Urlaubs-... Anspruch

Urlaub - Sie haben es sich verdient! (alter TUI Werbespruch)
Gose Elbe
Vor einigen Tagen, Anfang Oktober 2006, drang ein internes Papier an die Öffentlichkeit, in dem Politiker von CDU und CSU forderten, die Strafmaßnahmen gegen arbeitsunwillige Langzeitarbeitslose verschärfen.
Außerdem soll auch der Urlaubsanspruch für Hartz-IV-Empfänger gestrichen werden.

netzeitung: Union will Druck auf Arbeitslose erhöhen

netzeitung: Städtebund kritisiert Hartz-IV-Pläne der Union

FR online: SPD gegen Unions-Pläne bei Hartz IV - Pofalla für mehr Sanktionen

Dazu werden nicht wenige meinen: "Warum denn nicht, wer nicht arbeitet, der braucht auch keinen Urlaub."
Es stimmt schon, wer Arbeitslosengeld II bekommt, der bekommt es selbstverständlich deshalb, weil er keine Arbeit hat. Der Urlaubsanspruch besteht darin, dass nach rechtzeitiger vorheriger Anmeldung für bis zu drei Wochen die Plicht des Arbeitslosen ausgesetzt wird, sich täglich dem "Jobcenter" zur Verfügung zu halten. Diese Pflicht bedeutet in der Praxis, dass der Arbeitslose an jedem Tag erreichbar und in der Lage sein muß, am Morgen des folgenden Tages im "Jobcenter" zu erscheinen. Zu deutsch: ein Arbeitsloser darf ohne Erlaubnis nicht verreisen. Streng genommen nicht mal übers Wochenende, weil ja am Samstag ein Brief im Briefkasten stecken könnte, der ihn auffordert, sich montags um 8:30 im Jobcenter zu melden.
Wie verheerend es sich auf das soziale Umfeld eines Arbeitslosen auswirken würde, wenn der Urlaubsanspruch - der Anspruch darauf, die Erlaubnis zu erhalten, von zuhause wegzufahren - gestrichen wird, mag sich jeder selber ausmalen.
Hinter den verschärften Sanktionen steckt vermutlich das weit verbreitete Mißtrauen gegenüber Langzeitsarbeitslosen, der Generalverdacht, sie seinen Faulenzer und Schmarotzer oder schlicht renitent. Ein Mißtrauen, das nicht ganz unbegründet sein dürfte, denn ein Hartz IV Empfänger hat wenig zu verlieren und nicht selten jede Hoffnung aufgegeben, noch einmal "gewinnen" zu können. Da sammelt sich sozialer Sprengstoff an. Strenge Kontrolle scheint ein verlockend einfacher Weg zu sein, Langzeitarbeitslose davon abzuhalten "auf dumme Gedanken zu kommen".

Hinter der Idee, den Urlaubsanspruch für ALG II Empfänger zu beseitigen (der niemanden etwas kostet) steckt meines Ansicht nach etwas Anderes: Neid. Beziehungsweise der populistische Apell an den Neid der arbeitenden Bevölkerung. Theoretisch kann ein ALG II Empfänger im Sommer den ganzen Tag am Badesee verbringen - und einige machen das auch. (Die meisten anderen Freizeitaktivitäten wären sowieso zu teuer.) Ebenso auffällig sind Arbeitslose, die viel Zeit in Kneipen (wo sie sich möglichst lange an einem Bier festhalten) oder Cafés verbringen. Der Neid eines gestreßten Angestellten oder vom Malochen erschöpften Arbeiters auf die "den ganzen Tag faul rumlungernden und dafür auch noch Geld kassierenden" Arbeitslosen ist leicht zu mobilisieren - um so leichter, je schlechter die Bezahlung und härter die Arbeitsbedingungen sind.
Das funktioniert auch deshalb so gut, weil viele Arbeitsnehmer zwar durchaus damit rechnen, auch mal arbeitslos zu werden, die Möglichkeit, dass dieser unerfreuliche Zustand länger als ein Jahr andauern könnte aber gern verdrängen. Oft aus uneingestandener Angst, vermute ich.
Boberger Dühne
Aber letzten Endes ist die Vorstellung entscheidend, dass Urlaub allein und ausschließlich eine Belohnung für erbrachte Leistung ist. Schon die Erkenntniss, dass Urlaub der Erholung dienen könnte, tritt dagegen in den Hintergrund. Und über die Idee, Urlaub sei auch für einen Arbeitslosen nützlich, da er zum Erhalt seiner Arbeitsfähigkeit beiträgt, werden sehr viele keinesweg dumme oder hartherzige Menschen nur den Kopf schütteln.

Letztes Jahr machte der Zentralverband des deutschen Handwerks mit einem Vorschlag auf sich aufmerksam, aus dem eine ähnliche Mentalität spricht:
Handwerk will bei Krankheit Urlaub streichen
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks schlug damals vor, künftig Krankheitstage mit dem Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern zu verrechnen. Verbandspräsident Otto Kentzler bezeichnete solche Maßnahme als "absolutes Muss". Eine andere Möglichkeit sei die Anrechnung auf ein Arbeitszeitkonto. Urlaub müsse erwirtschaftet werden, begründete der Handwerks-Präsident seinen Vorstoß.
Also: der Gedanke des Erholungsurlaubs war für Kentzler offensichtlich passé.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel wies diesen Vorschlag in der B. Z. zurück, und zwar interessanterweise mit der selben Begründung, die auch von Seiten des DGB kam:
"Ich halte diesen Vorschlag für Unsinn. Krankheit ist Krankheit, und Urlaub bleibt Urlaub". Wenn die Arbeitgeber weniger Urlaub vereinbaren wollten, dann sollten "sie das offen sagen und nicht in die Trickkiste greifen".

Die Vorstellung, dass Urlaub eine Belohnung für erfolgreiche Arbeit sei, fördert natürlich den Prestigewert des Urlaubs: Wer lange Urlaub machen kann, demonstriert damit ebenso seinen Status als "Erfolgsmensch", wie derjenige, der sich teure Reisen leisten kann.

Mehr dazu das nächste Mal: Urlaubs-... Reise.

Urlaubs-... Anspruch ist der 2. von 5 Beiträgen.
Voran ging:
Urlaubs-... Reife
Es folgen:
Urlaubs-... Reise
Urlaubs-... Bräune
Urlaubs-... Träume

Fotos: Wikipedia, MMarheinecke

Mittwoch, 11. Oktober 2006

Neonazis marschieren in Hamburg - Aufruf zur Gegendemo

Am 14.Oktober wollen Neonazis aus der NPD und den militanten sog.”Freien Kameradschaften” durch die Hamburger Innenstadt marschieren. Unter dem Slogan “Nationale Arbeitsplätze statt internationaler Profite” wollen sie ihre faschistischen Anischten in die Gesellschaft tragen. Dabei ist ihre Motivation nicht der vorgeschobene Antikapitalismus, sondern eine gefährliche Mischung aus Antisemitissmus, Rassismus und purer Menschenverachtung!
Quelle: Antifainfo Hamburg

Bemerkenswert, wie dreist sich die Kackbraunen inzwischen pseudolinker Parolen bedienen. Dabei halte ich den Antikapitalismus der Neonazis gar nicht mal für "vorgeschoben" - es gibt für die Rechtsextremisten ganz in der Tradition der NSDAP "gute" (deutsche) und "böse" (ausländische, jüdische, vermeidlich jüdisch denkende) Kapitalisten und "gutes" ("schaffendes") und "böses" ("raffendes") Kapital. Ich gehe auch davon aus, dass die weit verbreiteten anti-amerikanischen Vorurteile der offen an sie appelierenden NPD Sympathien verschafft. Der "selektive" rechte Antikapitalismus ist fester Bestandteil der gefährliche Mischung aus Antisemitismus, Rassismus und purer Menschenverachtung.

via: npd-blog

Nachtrag: Ebenfalls am 14. Oktober wollen Rechtsextremisten auch in Bayern, vor allem in Nürnberg, aufmarschieren, um für eine "Revison" der Nürnberger Prozesse zu demonstrieren.

Mittwoch, 4. Oktober 2006

Mal eine gute Nachricht aus dem wilden Osten

Vorweg eines: Normalerweise habe ich etwas gegen Selbstjustiz. Und normalerweise halte ich auch nichts davon, das "Spiel" nach den Regeln eines gewalt-liebenden Gegners zu spielen und ebenfalls gewaltätig zu werden.
In diesem Fall war es allerdings einfach Selbsthilfe. Auch weil die Polizei offenbar hilflos war.

Am vergangenen Samstag haben rund 100 beherzte Bewohner der nordthüringischen Stadt Artern eine Gruppe von 20 rechtsextremen Schlägern vom Stadtfest "Zwiebelmarkt" vertrieben und anschließend durch den Ort gejagt.
Zunächst gab es nur Wortgefechte zwischen den Festbesuchern und den Neonazis. Gegen 0.30 Uhr schlugen vier "Nasen" dann einen 21-Jährigen zusammen, woraufhin die Situation eskalierte. Rund 100 Festbesucher forderten die Schläger demnach auf, den Festplatz zu verlassen. Da sich diese weigerten, verwiesen die Arterner die Kackbraunen handgreiflich des Platzes und scheuchten sie durch die Innenstadt. Drei der 20 Rechten suchten Zuflucht in der Polizeiwache. Die 17 anderen wurden während der Jagd durch die Innenstadt von ihren Verfolgern geschnappt und verprügelt.

Örtliche Politiker bekundeten den "Nazijägern" ihre Sympathie. Ich hiermit auch.

taz: Selbsthilfe gegen Rechts

(via: sargnagelschmiede)

Freitag, 29. September 2006

Interessante Begründung

Neonazis stoppen!
Bestimmt schon gehört oder gelesen: netzeitung «Die NPD klatscht in die Hände»:
Empörung über Hakenkreuz- Urteil


Tief blicken läßt die Begründung des Urteils: Es gehe um die grundsätzliche Tabuisierung von NS-Symbolen, unabhängig von den Beweggründen. Richter Küllmer begründete das Urteil damit, dass es keinen Ausnahmefall geben dürfe. „Es besteht die Gefahr der Gewöhnung". Dies Begründung entspricht nur auf dem ersten Blick dem "Null Toleranz"-Prinzip, denn eine böse Absicht oder auch nur eine Nachlässigkeit ist dem nun verurteilten Jürgen Kamm nicht anzulasten.
Eher scheint mir ein anderes Prinzip wirksam zu sein: Das Prinzip "Ruhe ist die erste Bürgerpflicht". Bloß nicht öffentlich laut werden. Auch nicht, wenn der Gegner politisch kackbraun ist.

Der leitenden Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler, dessen Antrag das Gericht folgte, will keine Hakenkreuze in der Öffentlichkeit sehen. Egal, in welcher Form. Das ist alles. Sein Argument, er wolle nicht, dass Hakenkreuze wieder in der Gesellschaft salonfähig werden, ist absurd - wenn das HK in durchgestrichener, zerschmetterter, in den Mülleimer geworfener Form "salonfähig" werden sollte, freut das die Neonazis vermutlich am wenigsten. Ja, und was wäre, wenn ausländische Besucher die Piktogramme missverstehen? Angesichts der aktuellen Diskussion könnte ich glatt vermuten, da hätte sich ein fundamentalistischer Hindu darüber aufgeregt, dass das ehrwürdige Symbol der Swastika in Deutschland ersten verkehrt herum und zweitens durchgestrichen abgebildet würde.
Was wäre, wenn die neue Rechte die Zeichen für ihre Zwecke missbrauchte? Äh - wie sollte das gehen? Vielleicht, weil die "neue Rechten" gerne der Ruf los wäre, sie wären schlecht getarnte Neonazis, und die Tarnung mit durchgestrichenem HK verbessern könnte?
Schwerer wiegt wohl, was Häußler in einem Fernsehinterview sagte: er wolle nicht, dass das Hakenkreuz Bestandteil von politischen Auseinandersetzungen würde. Das legt nahe, dass ihn in Wirklichkeit die Form der Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten, wie sie die "Antifa" praktiziert, stört.

Vielleicht überinterpretiere ich da etwas, aber dahinter scheint mir in etwa folgende Gesinnung zu stehen: "Die Verbrechen der Nazis waren ungeheuerlich. Aber das ist lange her. Heute gibt es keine Nazis mehr, und auch Besucher aus dem Ausland sollen nicht auf den Gedanken kommen, es gäbe in Deutschland noch Nazis (denn wenn es keine Nazis gibt, muß auch niemand mit durchgestrichenen Hakenkreuzen gegen sie demonstrieren)."

Was meine Meinung zu dem Thema angeht: Ich will den Nazis und ihresgleichen kein Einziges der von ihnen mißbrauchten Symbole überlassen. Denn damit überlasse ich ihnen die Deutungshoheit. Der Urteilsspruch nützt, auch auf der metapolitischen Ebene, den Interessen der Rechtsextremisten.

Hierzu: Verbotene Symbole
und auch das: Sonnenrad-Song

Dienstag, 26. September 2006

Die "sanfte Tour" gegen Rechtextremisten - und die Folgen

Zum Thema "erschreckende Wahlerfolge der NDP" gibt es viele pathetische Sprüche, dieselben Textbausteine, dieselben abgedroschenen Phrasen, wie seit Jahren gehabt. Ich frage mich ernstlich, auf welchem Planeten Uwe-Carsten Heye die letzten 15 Jahre verbracht hat, wenn er sagt:
Nun ist es wohl endgültig nicht mehr zu übersehen: Die Republik hat ein Rechtsradikalen-Problem.
Zur Erinnerung: Gab es nicht damals die Brandanschläge und Morde von Solingen und Mölln, oder das Pogrom von Hoyerswerda, oder den tobenden, brandstiftenden Mob in Rostock-Lichtenhagen? Von den vielen weniger spektakulären Mordanschlägen, Brandstiftungen, Körperverletzungen mit rechtsextremem Hintergrund ganz zu schweigen. Sind Nazis nur dann ein Problem, wenn sie in die Parlamente einziehen?

Es gibt viele Fehler, Versäumnisse und leider auch machtpolitische Klüngeleien, die den Erben Adolfs das Leben allzu leicht machen. Einer der wichtigsten heißt "Verständnis". Verständnis für weltanschauliche Positionen, für die es seitens eines halbwegs demokratisch denkenden Menschen mit halbwegs intakter Verantwortungs-Ethik kein Verständnis geben kann!
Dafür, dass die Neonazis zusehens populärer werden, gibt es allenfalls Erklärungen. Entschuldigungen, NDP zu wählen oder den "Kameradschaften" wohlwollend zu begegnen, gibt es nicht!
Statler schrieb dazu:
Das Muster des Täterverstehens ist universell, man kann es in der Innenpolitik genauso anwenden wie in der Außenpolitik, und vom Verständnis zum Appeasement ist es nur ein winziger Schritt.
Ganzer Beitrag: Appeasement - unbedingt auch die Diskussion lesen!

Trotz eindeutiger Mißerfolge ist die "sanfte Tour" gegenüber Neonazis immer noch nicht aus dem politischen Alltag verschwunden. (Vom "verständnisvollen" Kuschelkurs gegenüber de facto ebenfalls rechtsextremen islamischen Fanatikern will ich hier gar nicht anfangen.) Immer noch gibt es "Verständnis" für jene Idioten, die den "Braunen" und ihren primitiv-brutalen "Rezepten" gerne auf den Leim kriechen. Arbeitslosigkeit hin, Strukturschwäche her und bei allem Verständnis für die Leute in Vorpommern und anderswo, die mit Recht enttäuscht, frustriert, zornig sind:
Wer die Nazis wählt, ist ein Nazi - und kein armes Opfer!

Das hat sich leider bei einigen "Politprofis" noch nicht herumgesprochen, oder wie kommen sonst solche Sprüche zustande?
Soziale Kälte dürfte die überwiegende Empfindung der verbliebenen Jugendlichen sein und Zuwendung das letzte, was sie kennen oder erwarten können. Daher fahren sie ab auf die NPD.
(Auch Uwe-Carsten Heye.)

Ja, wenn die jungen Leute sozial frieren, werden sie eben zu Rassisten und Antisemiten - und schmeißen Brandsätze (gegen die Kälte?!?) Wobei ich nicht in Abrede stelle, dass es hilfreich wäre, wenn sich die demokratischen Pateien, der Staat, die Kirchen, die freien Wohlfahrtverbände nicht "aus Kostengründen" flächendeckend aus Jugendarbeit in den "strukturschwachen Regionen" verabschieden würden.

Wie im Großen, so im Kleinen. Es gibt wohl keine religiös-sprituelle Szene, die so sehr im öffentlichen Ruf steht, "braun" zu sein, wie die der germanisch orientierten Neuheiden (Ásatrú, Forn Siðr). Was leider nicht "nur" am Gebrauch gemanischer und pseudo-germanischer Symbolik durch alte und neue Nazis liegt, und auch nicht durch unter diesem Namen firmierenden Rassisten-Sekten wie Jürgen Riegers "Artgemeinschaft". Es liegt auch an der Heidenszenene selbst.
Man sollte meinen, dass demokratisch gesonnenen germanische Neuheiden alles Menschenmögliche tun, um sich umissverständlich und nicht nur verbal, sondern gerade durch ihr Handeln, gegen Nazis und Geistesverwandte abzugrenzen. In der traurigen Praxis beitreibt aber der nicht-rechtsextreme, "unpolitische", von der Satzung her sogar demokratische und antirassitische “Verein für Germanisches Heidentum e.V.” (ex. ORD) einen verantwortungslosen "Kuschelkurs" nach rechtsaußen.
Schlimmer noch, er erlaubt es aus falsch verstandener Toleranz, dass ein Funktionär einer rechtsextremen Patei den VfGH in mehreren Bundesländern repräsentiert - wohl, weil er im "unpolitischen" Verein selbst nicht politisch agitiert.
Mehr hierzu: Gefährliche Naivität gegenüber Rechtsextremismus in der germanischen Heidenszene.
Die "Heidenszene" mag manchen wie eine besonders skurile Subkultur erscheinen, aber tatsächlich ist sie ein ziemlich genauer Spiegel der Gesamtgesellschaft. Und sie ist hat unbestreitbar ein besonders großes "Naziproblem".

(Der Ordnung halber nachgeliefert: die Quelle der Heye-Äußerung: SpOn Heye legt Anti-NPD-Programm vor)

Sonntag, 17. September 2006

Die Gegenwart kann ich nicht ignorieren

und die Neonazis auch nicht. Vor allem, wenn sie satte 7,3 % der (weniger) Wähler Meckpomms abgreifen.
Übrigens: Wer die Nazis wählt, ist ein Nazi - und kein armes Opfer!
Ist es kontraproduktiv, über die Umtriebe von NPD und Co. ausführlich zu berichten und ihnen damit die heiß ersehnte Medienpräsenz zu verschaffen? Sollte man die "Braunen" nicht besser totschweigen?
Meine bereits mehrfach geäußerte Ansicht:
Von Fällen offensichtlicher Medieninszenierung abgesehen ist "Totschweigen" nicht angebracht.

Am besten ist es vielleicht, die Neonazis wie alle anderen Politiker zu behandeln. Wenn man den Medienforschern glauben kann, verändern Aussagen in den Medien kaum politische Meinungen, sie verstärken hingegen die schon vorhandene Einstellung. Abgesehen davon ist es, im Gegensatz zu dem was Werbefuzziesprofis vom Schlage J. M. von Matts meinen, keineswegs egal, wie die Aufmerksamkeit aussieht. Es ist daher gut für die Demokratie, wenn Journalisten, Blogger, Demonstranten und vor allem Politiker den Kackbraunen ordentlich öffentlich kontra geben.
Natürlich kann man mit Argumenten nichts viel gegen Rassisten, Antisemiten, extreme Nationalisten und ähnliche Knalltüten ausrichten - wer es schafft, solchen Ideologien anzuhängen, dürfte in der Regel längst gegen Tatsachen und Vernunft immun sein. Es ist aber hilfreich, rassistische, antisemitische, extrem nationalistische und ähnlich knalltütige Aussagen deutlich als rassistisch, antisemitisch, extrem nationalistisch und ähnlich knalltütig zu benennen - gerade wenn sie in wohlklingende und plausibel wirkende Phrasen eingebettet werden oder wenn sie durch sprachliche Modernisierung "getarnt" werden. "Ethnopluralismus" ist in fast allen Fällen ein Euphemismus für "Rassentrennung", "Metagenetik" einer für "Rassismus", "Bioregionalismus" ist nicht selten mit "Blut und Boden" zu übersetzen - und "US-Westküste", "zionistisch beeinflußte Politik", "pro-zionistische Medienmacht" usw. stets mit "jüdische Weltverschwörung".

Und übrigens, zu den nun wieder zu hörenden Sprüchen "einfach verbieten" / "darum soll sich die Polizei kümmern" / "hart durchgreifen"und sonstiges in der Preislage:
Roland Roth: Unter Wissenschaftlern gibt es den Konsens, dass die Repressionsmaßnahmen ausgereizt sind. Da sind keine positiven Effekte zu erzielen. Das heißt nicht, dass an vereinzelten Orten Richter und Staatsanwaltschaften sowie die Polizei nicht noch Fortbildung benötigen würden. Es gibt aber bei der Politik eine größere Bereitschaft, das Problem Rechtsextremismus anzuerkennen. Allerdings sind viele Politiker hilflos: Die Zahl der Gewalttaten hat deutlich zugenommen, gleichzeitig gibt es Wahlerfolge und bieder auftretende NPD-Leute. Mit dem Nebeneinander von Normalisierungs- und zivilgesellschaftlichen Strategien sowie dem Straßenkampf im Wahlkampf, mit diesem Nebeneinander können die wenigsten umgehen.

Es wird vergessen, dass Rechtsextremismus von der Ideologie bereits Gewaltbeladen ist, da man bestimmten Gruppen die Menschenrechte abspricht und Gewalt als Form der Auseinandersetzung nicht ausschließt. Männliche Gewalttätigkeit gehört sogar zum Selbstbild. Die latente und in der eigenen Subkultur gepflegte Gewaltbereitschaft ist ein Potenzial der rechtsextremen Politik, mit dem man immer wieder rechnen muss.
Aus tagesschau.de "Die NPD transportiert Stimmungen der Bevölkerung" via NPD-Blog
Hervorhebung von mir. Unbedingt lesen!

Samstag, 9. September 2006

Äh - das war nicht so gut formuliert, Herr Ministerpräsident

Ich weiß nicht, was Edmund Stoiber sagen wollte, als er in einem "Bild"-Interview sagte, das Christentum entscheide sich vom Islam "dadurch, dass wir Intoleranz ablehnen, Religionsfreiheit gewähren, die Gleichberechtigung von Mann und Frau vertreten, Zwangsheiraten ganz entschieden nicht billigen". Die Reaktion auf diese weder tolerante noch kluge, noch zutreffende Aussage war jedenfalls vorhersehbar:
rp-online:Zentralrat der Muslime wütend über Stoiber-Äußerung

Donnerstag, 7. September 2006

Die oft übersehene "religiöse" Seite Jürgen Riegers

Jürgen Rieger ist landauf, landab bekannt als rechtsextremer Rechtsanwalt, Rassentheoretiker - und reich. Er setzt beachtliche Finanzmittel aus dem Nachlaß vermögender Nazis für Immobilienkäufe, die Unterstützung rechter "Kameradschaften" und obskure Vereine und Stiftungen, die sich mit "Fruchtbarkeitsforschung" und Ähnlichem beschäftigen, ein. Rieger ist Hauptfunktionär und Leiter der Artgemeinschaft - oder, in der Sprache des Boulevardjournalismus, "Chef einer Rassisten-Sekte". Nun ist er der NDP beigetreten.

NDP-blog:Neonazi-Anwalt Rieger tritt in die NDP ein
che:Der Rechtsruck bei der NDP

Nicht überraschend, denn Rieger hatte bereits als Landtags-Kandidat für die NPD kandidiert. Allerdings ist der Neo-Nazi-Anwalt selbst für NPD-Verhältnisse ein extremer Rechtsaußen. Sein Parteieintritt ist somit ein weiteres Zeichen für den Weg der "Nationaldemokraten" zur aggressiver rassistischen Neo-Nazisozialistischen Partei.

Eine Tatsache wird bei der erregten öffentlichen Diskussion um Rieger oft übersehen: Das "religiöse" Engagement Riegers ist mehr als eine skurrile Schrulle oder propagandisch-folkloristische Dekoration. Er und die "Artgemenschaftler" meinen es ernst.

Die "Artgemeinschaft - Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Daseinsgestaltung" beruft sich auf den alten nordisch-germanischen Götterglauben - obwohl der größte Teil ihrer Glaubenslehre auf ariosophischen Vorstellungen beruht, die erst vor ca. 100 Jahren entstanden. Auch da, wo sie sich auf authentische altnordische Überlieferungen berufen, gehen sie in der Regel von nationalromantischen Interpretationen aus, die von den meisten Religionswissenschaftlern und Fachhistorikern abgeleht werden. Mehr zur Ariosophie und zur rechten Heidenszene bei Odins Auge (ehemals Ariosophieprojekt der Nornirs Ætt). Sie verbreitet, neben allerlei germanischer Mythologie, "altdeutschem" Brauchtum und kräftigen Attacken gegen das Christentum (das als eine Abart des Judentums gesehen wird) auch völkisch-rassistisches und antisemitisches Gedankengut.
Der Rassismus der Argemeinschaftler beschränkt sich nicht "nur" auf die Theorie: So sollen sich "germanische Heiden" (sprich: Mitglieder der Artgemeinschaft) "gleichgeartete" Gatten aussuchen, d.h. Partner, die zur "nordischen" oder zur "fälischen" Rasse gehören. Nur so ließe sich die Weitergabe des genetischen Erbes an die Nachkommen sicherstellen. Entsprechend gilt "Rassenschande" neben Verrat und Meineid als großes Übel. Bemerkenswert ist eine auf den ersten Blick sehr sozial wirkende "Artgemeinschafts"-interne Familienunterstützung, die sich beim näheren Hinsehen als eine Art "Wurfprämie" für möglichst zahlreiche möglichst "nordische" Kinder entpuppt. Hinzu kommt eine (pseudo-) darwinistische Lehre vom "Leben als Kampf". Neben diesem "Artbekenntnis" genannten Rassismus und der "Wiedererweckung des Glaubens" (des Glaubens rechter Okkultisten aus Kaisers Zeiten?) geht es der "Artgemeinschaft" um die "Rekonstruktion der Volksgemeinschaft". Sie kämpft um "volkliche" Einheiten wie Gau und Stamm, Reich und Volk. Aufgebaut ist die Volksgemeinschaft nach dem Führerprinzip - durchaus als "wahre" Demokratie, als Einklang mit dem "Volkswillen", im Gegensatz zur "formalen Demokratie" des Parlamentarismus, gesehen. (Obacht also, wenn Rieger & Co. von "wahrer Demokratie" reden! Sie meinen damit eine totalitäre Diktatur!)

Das kultisch-religöse Element in der "Artgemeinschaft" ist meines Erachtens nicht zu unterschätzen. Der Glaube befähigt gerade kleine Gruppen zu einen Gemeinschaftsgefühl und einer Entschlossenheit, die die entsprechender "rein politischer" Splittergruppen bei weitem übertrifft. Wobei es letzten Endes unerheblich ist, ob die "Artgemeinschaftler" an germanische Götter oder doch eher an göttliche Germanen glauben. Jedenfalls verfügt Rieger als "Sektenchef" über eine weitaus größere "Hausmacht" als andere rechtsextreme Politiker.

Ärgerlich ist auch, dass die "Artgemeinschaft" ihr antidemokratisches und zutiefst rassististisches Konstrukt ausdrücklich als "Ásatrú" bzw. "Forn Siðr" bezeichnet. Mit dem in seit 1972 in Island, später auch in Dänemark, Norwegen und Australien als offizielle Religion anerkanntem modernen Ásatrú, wie es auch von zahlreichen keineswegs "rechten" und durchaus modernen Neuheiden in Deutschland praktiziert wird hat die Doktrin der "Artgemeinschaft" nur am Rande zu tun.

Sonntag, 3. September 2006

Die "Internet-Festplatten" und die Angst der Politiker vor Kontrollverlust

Dass beim "Kampf gegen den Terror" mutwillig elementare Bürger- und Freiheitsrechte abgebaut werden, ist schlimm: B.L.O.G.: Schiffbruch des Datenschutzes.
Auch schlimm ist, dass diese Überwachungsmaßnahmen bestenfalls wenig effektiv sind. Einfach nur ärgerlich ist es, wenn Politiker beim "Kampf gegen den Terror" eine gradezu grenzenlose Naivität an den Tag legen.
Ein "schönes" Beispiel gab es letzte Woche: heise ticker: Verfassungsschutz soll auf Computer übers Internet zugreifen dürfen.
"Nordrhein-Westfalens Innenminister Ingo Wolf (FDP) hat den Entwurf für ein neues Verfassungsschutzgesetz vorgestellt, das es ermöglicht, eine ganze Reihe von Sonderbefugnissen, die dem Verfassungsschutz im Rahmen der Terrorbekämpfung zugestanden wurden, erheblich zu erweitern. Nun sollen auch die Aktivitäten inländischer Terrorzellen im Internet überwacht werden können, weil sich die Sicherheitslage mit den misslungenen Terroranschlägen verändert habe: 'Bisher war die Terror-Gefahr abstrakt. Jetzt ist sie konkret', sagte der Innenminister."
Dabei soll der Verfassungsschutz wohl auch auf Rechner von mutmaßlichen Terroristen über das Internet zugreifen können, die Rede ist vom Zugriff auf "Internet-Festplatten". Daraus ließe sich schließen, dass ein - verfassungsrechtlich unzulässiger - Zugriff auf private Rechner durch den Verfassungsschutz geplant sei, etwa im Sinne von Hacker-Angriffen. (Davon abgesehen, das es fraglich ist, ob solche Ausspähversuche den geringsten Effekt hätten, wenn die mutmaßlichen Terroristen ein Minimum an Vorsicht walten lassen und sensible Daten verschlüsseln bzw. schlicht nicht auf der Festplatte liegen lassen.) Allerdings, entgegen dem, was Wolf gegenüber der Presse andeutete, heißt es in der Gesetzesvorlage konkret, dass die Verfassungsschutzbehörde folgende Maßnahmen anwenden darf:
"heimliches Beobachten und sonstiges Aufklären des Internets, wie insbesondere die verdeckte Teilnahme an seinen Kommunikationseinrichtungen beziehungsweise die Suche nach ihnen sowie der heimliche Zugriff auf informationstechnische Systeme auch mit Einsatz technischer Mittel."
Ich vermute, dass der Minister nicht sachkundig ist (was soll bitteschön eine "Internet-Festplatte" sein?). Dessen ungeachtet könnte der Gesetzentwurf verfassungsrechtlich bedenklich sein. (Abgesehen wiederum davon, dass sich Kriminelle den vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen relativ leicht entziehen können.)

Was mir zu denken gibt: Wolf ist offensichtlich kein Kontroll- Hardliner und hat anscheinend begriffen, um was es geht. NRW-Innenminister gegen flächendeckende Videoüberwachung:
Wolf sagte, nach den fehlgeschlagenen Bombenanschlägen auf Regionalzüge finde "erneut eine kontroverse, zum Teil hitzige politische Debatte" statt. In deren Mittelpunkt stehe der "schon reflexartige Ruf nach neuen, zu verschärfenden Gesetzen und Sicherheitsmaßnahmen".
Offensichtlich versagt auf Gebieten, von denen sie offensichtlich wenig verstehen, der gesunde Menschenverstand bzw. der moralische Kompaß vieler Politiker. (Wolf ist nur ein Beispiel unter vielen.)
Ein möglicher Schluß wäre der, dass diese Politiker da, wo sie nicht selbst sachkundig sind, sich also unsicher fühlen, "Ratschlägen" von "Experten" gegenüber auffällig unkritisch sind. Was wiederum für die "Kontrollverlust-Angst"-Hypothese spricht.

Dienstag, 29. August 2006

"Recht geht vor Nächstenliebe"

Ein entlavender Satz eines sich christlich nennenden Politikers! (Er fiel zwar schon im Mai und erntete seinerzeit durchaus Widerspruch in der CDU, aber weil ihm neulich eine bezeichnendeVerwechslung unterlaufen ist, durchaus interessant.)

Friedbert Pflüger, Spitzenkandidat der CDU für die Wahlen zu Berliner Abgeordnetenhaus äußerte ihn im:Tagesspiegel.
Pflüger tritt dafür ein, dass eine immerhin seit 17 Jahren in Deutschland lebende türkische Familie abgeschoben werden soll, die übrigens, wie auch er einräumt, hervorragend integriert ist. Das Motiv hinter der buchstäblich gnadenlosen Anwendung der Gesetze: wieder einmal die Angst vor Mißbrauch.
Was wäre das Signal, wenn sich die dauernden Rechtsbrüche der Familie am Ende „auszahlen“ würden! Wie viele würden das nachahmen?
(Einige interessante Überlegungen zum Thema bei Sven.)

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