Politisches

Samstag, 2. Juni 2007

"Summer of Love" II - 2. Juni 1967 - der Tag, als Benno Ohnesorg erschossen wurde

In lockerer Folge werde ich im Laufe der Sommermonate über den "Sommer of Love" 1967, der in Wirklichkeit ein politisch, gesellschaftlich und kulturell "heißer" Sommer war, schreiben. Eine kleiner ironischer Text zum "Sommer of Love" steht bereits hier in diesem Blog

Irgendwie kommt einem die Situation bekannt vor. Es ist - leider - nicht nur Geschichte, was damals, am 2. Juni 1967 ablief. Auch wenn sich Geschichte nie eins zu eins wiederholt.

Was heute gern "68er-Revolte" genannt wird, der gern von Konservativen und zeitgeschichtlich Ahnungslosen sämtliche gesellschaftlichen Fehlentwicklungen seit 1969 in die Schuhe geschoben wird, das begann in Deutschland 1967, mit einem Schuss vor der Berliner Oper am 2. Juni. Er fiel Im Umfeld einer Demonstrationen gegen den Staatsbesuch des persischen Schahs Reza Pahlewi und seiner Gattin Farah Diba. Abgefeuert wurde er vom Berliner Oberkommisar Karl-Heinz Kurras, traf einen wehrlosen Studenten: Benno Ohnesorg. Bezeichnenderweise war Ohnesorg kein "Linker", sondern christlich engagierter Pazifist.

Der Schah des Iran war was heute gern vergessen wird, Herrscher einer stramm autoritären Diktatur mit einige "pro-westlich-modern" sein sollenden pseudodemokratischen Verzierungen, für einen Tag das damalige West-Berlin. Schon zuvor war der äußerst stark polizeilich gesicherte Staatsbesuch des Schahs in der Bundesrepublik Deutschland zutreffend als "Polzeistaatsbesuch" bezeichnet worden.

Ich empfehle jedem, den Wikipedia-Artikel über Benno Ohnesorg und die Umstände seiner Ermordung - dann das Kurras in Notwehr oder im Affekt schoss, kann nach Zeugenaussagen ausgeschlossen werden - sorgfältig durchlesen.
Wichtig und auch nach 40 Jahren immer noch schockierend ist der Bericht, der am 7. 6. 1967 in der Zeit erschien: "Die Polizeischlacht von Berlin Von Kai Hermann
Nach der Tragödie: Die Verantwortlichen spielen sich als Unschuldige auf".
Nach diesen Artikel war mir klar, warum sich die junge Bundesrepublik damals schlagartig "politisierte" - in die eine (autoritäre, "rechte") wie die andere (antiautoritäre, "linke") Richtung. Es stand auf Messers Schneide, nein, auf der Schneide einer Rasierklinge, wohin die BRD kippen würde.
Man kann den"'68ern" aus heutiger Sicht vieles Nachsagen. Sicher, sie waren mehrheitlich wohl keine überzeugten Anhänger einer offenen, liberalen Gesellschaft - sie wollten einen "anderen Staat", und dieser Staat wäre sozialistisch gewesen. Vielleicht keine DDR-Kopie - dazu war die DDR doch zu "kleinbürgerlich", kleinkariert, autoritär - aber bestimmt keine liberale Demokratie.
Trotzdem - Die damaligen Unruhen veränderten das gesellschaftliche Klima entschieden hin zu einer liberaleren, toleranteren, demokratischen Gesellschaft. Erst mit den "'68ern" kam die BRD wirklich im Westen an, war der Bann der alten Obrigkeiten wenigstens einigermaßen gebrochen.

In anderen Staaten, z. B. in Frankreich, waren die Unruhen Ende der 60er Jahre weitaus stärker. Dass sie in (West-)Deutschland aber bei einer "schweigenden Mehrheit" als so bedrohlich empfunden wurden - (und im Nachhinein bis heute werden), dass die "´68er-Revolte" "überlebensgroß" gesehen wurde und immer noch wird, dass lag sicher an der alten deutschen "Obrigkeitshörigkeit" - und vor allem an den Medien. Damals vor allem den Medien des Axel-Springer-Verlages.
Eine kritische aber auch Springer gegenüber faire Darstellung des damaligen Geschehens gibt Micheal Jürgs in seiner Biographie "Der Fall Axel Springer".
Es geht nicht mehr um Hochschulreform und überfüllte Hörsäle und alte Naziprofessoren, die immer noch unterrichten, und um die lähmenden Auswirkungen der großen Koalition ohne schlagkräftige Opposition. Nun geht es ans Eingemachte, ans Establishment überhaupt, und wer das angereift, kann ja nur zu "unkontrollierten Kräften" gehören. Viel eher allerdings sieht es, wie die Londoner "Times" kühl analysiert, nach einer "allgemeinen Revolte der deutschen Jugend gegen etwas aus, was sie als eine fette, verrottete, schuldbeladene und nach rechts tendierende Gesellschaft betrachtet, deren Symbol und Produkt der wohlhabende Presselord Springer ist."
Sein Berliner Flakgeschütz "BZ", zuständig für den Luftraum über den Stammtischen, hatte nach den Demonstrationen gegen den Schahbesuch, bei dem dessen Geheimdienst ungehindert prügeln durfte, und von einem Polizisten der völlig unbeteiligte Student Benno Ohnesorg erschossen wurde, zynisch gehähmt:"Wer Terror produziert, muß Härte in Kauf nehmen.". Sicher, das war nichts weiter als Ausdruck der Meinung der Mehrheit. Der schweigenden Mehrheit. Aber die anderen, die nicht schwiegen, wurden immer mehr. Auch wir sind das Volk, nur jünger als ihr.
Weltweit wurde demonstriert, nicht nur in Deutschland. Der Protest unter roten Fahnen und Ho-Tchi-Min-Rufen entzündet sich am amerikanischen Einsatz in Vietnamkrieg. Daraus entwickelte sich der Protest gegen alle Werte, die der Elterngeneration als ewig galten. Die Nachdenklichen unter den Älteren stellen sich in Frage und kommen mit ihren rebellischen Kindern wieder ins Gespräch. Die Betonköpfe, in der Politik und besonders in Springers Blättern, schlagen mit Worten um sich und kennen nur eine Antwort auf die ursprünglich sehr wohl idealistische Frage nach einer sinnvollen Zukunft, die der staatlichen Gewalt. Beim Aufprall kann es schon mal tote geben, so ist das halt, wenn Härte provoziert wird: Tote bei der Demonstration in der Kent State University, erschossen von Nationalgardisten, Tote bei Straßenschlachten in Paris und in Rom, und nun eben auch in der deutschen Weltstadt, in Berlin.
Am Anfang war das Wort: Schon 1966, also ein Jahr vor den tödlichen Schüssen auf Benno Ohnesorg und zwei Jahre vor dem Attentat auf Rudi Dutschke, nach den ersten großen Demonstrationszügen gegen den Vietnamkrieg in Berlin will "Bild""dafür sorgen, daß in Zukunft ähnlichen Demonstrationen die gebührende Antwort erteilt wird." Falls es stimmt, daß der Mann, der gern auf dem Kopf steht, manchmal blaue Flecken bekommt, wenn er "morgens bei der Lektüre meiner Zeitungen aus dem Bett fällt", muß er bis Mitte 1968 übersäht sein mit Prellungen: Stoppt den Terror der Jung-Roten jetzt - Polit-Gammler Rudi Dutschke dreht an einem dollen Ding - Studenten drohen: Wir schießen zurück - Unruhestifter unter Studenten ausmerzen - Jetzt wird aufgeräumt - Kein Geld für langbehaarte Affen - Abgrund von Gesinnungslumperei - Da hilft nur eins: Härte - Sind wir denn eine Apfelsinen-Republik? - Wer es wohl meint mit Berlin, der jage endlich die Krawall-Radikale zum Tempel hinaus - Eiterbeulen - Schreihälse - Geistige Halbstarke - Berlin wird ihnen eine Antwort geben. Es ist wohl so, daß diese Zeilen alle Springers Meinung entsprechen, denn irgend eine Distanzierung, zum Beispiel eine kleine Rüge an irgendeinen Chefredakteur, die er gern verteilt, ist nicht bekannt. Im Gegenteil, Berlin sei unappetitlich geworden, stellt er angewidert fest, und er meinte die, die gegen ihn auf die Straße gehen.
Wie die "wilde Zeit" Ende der 60er von den jüngeren Geschwistern der rebellischen Studenten erlebt wurde, beschrieb Roland Kaehlbrandt in der Zeit - Vieles kommt mir, obwohl ich jünger als Kaehlbrandt bin und "67/68" noch im Kindergartenalter war, aus den 70ern noch durchaus bekannt vor. "Seltsame Parolen und neue Musik -im Mai 1968 begriffen die kleinen Geschwister der Studenten nur, gegen wen es ging: gegen die Autoritäten..

Und heute? Die Polizeitaktik hat sich geändert. Solche brutalen Prügelorgien wie am 2. Juni 1967, die selbst die berüchtigten "Zoff-Demos" der 70er und 80er bei Gorleben, an der Startbahn West, in Wakersdorf bei weitem in den Schatten stellen, gibt es nicht mehr.
Nach dem heutigen Sicherheitskonzept hätte die Polizei den Staatsbesucher und die Demonstranten sorgfältig voneinander isoliert. Der Schah hätte das gespenstische Erlebnis eines menschenleeren Berlins erlebt - mit zugeschweißten Kanaldeckeln, Anwohnern, die nicht einmal Fenster öffnen dürfen, geräumten Parkplätzen - und Scharfschützen auf den Dächern. Die wenigen Publikumsdarsteller wären vorher sorgfältig gefilzt (selbst Nasenspray, Nagelfeile oder Kugelschreiber wird einem abgenommen), sorgfältig überprüft und sorgfältig gebrieft geworden. ("Bitte vermeiden Sie unbedingt alle plötzlichen Bewegungen. Werfen Sie auf keinen Fall Gegenstände wie Blumensträuße, dies könnte vom Personenschutz als Angriff missverstanden werden. Bitte halten Sie ausreichenden Abstand von den Absperrungen.").
Währenddessen hätten die Demonstranten, wahrscheinlich eingekreist in einen "Wanderkessel", irgendwo weit ab vom Staatsbesuch ihre Runde gezogen - und Frust geschoben.

Es hat sich vieles geändert seit damals. Ein neuer Fall "Benno Ohnesorg" im Umfeld der Anti-G8-Demonstrationen ist nahezu ausgeschlossen. Aber Vieles ist leider wie vor 40 Jahren.

Immer noch - oder wieder - gilt "Härte" seitens vieler Politiker und vieler Medien - auch solcher, die damals auf Seiten der Demonstranten standen - als einzig wirksames, angemessenes Mittel.
Was auch gleich geblieben ist: die Härte nach innen wird durch außenpolitische Rücksichtnahmen gerechtfertigt. Wäre der Schah damals Regierungschef eines kleine Landes ohne Erdöl und ohne Grenze zur UdSSR gewesen, hätte es weder prügelnde "Jubelperser" noch auf Anweisung prügelnde Polizisten gegeben.
Heute bestätigt das OVG Greifswald das weiträumige Demonstrationsverbot um Heiligendamm, da die Duldung von Protestveranstaltungen als "unfreundlicher Akt" von den ausländischen Regierungen empfunden werden könne.

Hauptsache, die Außenwirkung ist positiv!

Manchmal wünsche ich, die "Alt-´68er" und ihre geistigen Erben hätten wirklich den Einfluss, den nicht nur "Konservative", sondern auch "Liberale" ihnen gerne nachsagen.

Dienstag, 22. Mai 2007

Realität mit Braunfilter

Erschreckend, was in Deutschland passieren kann, wenn sich eine Siebenjährige bei einer Auskunft gegenüber deutschen Behörden irrt: Deutsche Behördengründlichkeit beim Menschenzermahlen, auch in der Türkei.
Die Haltung des niedersächsischen Innenministeriums zu dem Fall ist die, die man leider von einem deutschen Innenministerium erwarten muß: die "familiäre Lebensgemeinschaft" könne doch "in der Türkei oder im Libanon" wieder hergestellt werden. Da bekommt man direkt Lust auf die NPD-lere, die geben wenigstens zu, dass ihren scheißegal ist, was mit abgeschobenen Ausländern passiert und das Humanität nur für deutsche Volksgenossen da ist.

Ja, und auch in einer anderer Angelegen scheinen viele, nicht nur, aber auch Deutsche, nicht zu merken, wie braun-getönt die Brille ist, durch die sie die Welt sehen. Z. B. beim "Nahost-Konflikt" - Die Logik des Irrsinns. Es tut mir leid, die Besessenheit der Interpretierer, jeden Konflikt der zahlreichen Konflikte im "Nahen Osten" partout in die Israel-Palästina Schublade quetschen zu wollen, kann ich mir nur noch als uneingestandenen Antisemitismus erklären. Denn mit dem, was sich zwischen Libanesen und islamistischen Fundis in den Palästinenserlagern abspielt, hat Israel nicht einmal am Rande etwas zu tun. Am Ostrand des Mittelmeers selbst mag Lila recht haben, dass der Haß auf Israel gewissermaßen der gemeinsame Nenner zwischen Todfeinden ist. Bei uns, mit deurlichem geographischen und politischem Abstand zum Geschehen, kann man die anti-israelische Haltung nur als mutwilliges Ausklammern von Tatsachen, ideologische Verblendung, bezeichnen. Und mit der Bedienung immer noch populärer antisemitischer Klischees.

Wie weit die "braune Brille" immer noch die politische Argumentation in Deutschland bestimmt, zeigt dieser Artikel auf dem NDP-Blog Bürgermeister spricht Klartext: "Überfremdung ist Nazi-Jargon".

Und wenn jetzt noch jemand fragt: "Wieso Nazi-Jargon?", dann verweise ich ihn auf die wikipedia.:
Nur in der Wirtschaftswissenschaft dient der Begriff als Fachterminus. (...) Besonders Rechtsextremisten benutzen ihn als Kampfbegriff, um religiöse, ethnische, rassische oder kulturelle Minderheiten als Gefahr für die „Einheimischen“, ihre Kultur und/oder Nation darzustellen. Damit verbinden sie politische Ausgrenzungsforderungen. Diese Verwendung stammt aus der Volkstumsideologie und Völkischen Bewegung des 19. Jahrhunderts in deutschsprachigen Ländern.

Montag, 23. April 2007

Ich kann die Angst unserer "poltischen Entscheider" irgendwie gut verstehen

denn er ist (theoretisch) ein Pulverfass, ein "Sozialstaat", in dem ein Skandal mit tödlichen Folgen "einfach so" passiert, und auf den anschließend dann so regiert wird: Behörde weist Verantwortung für Hungertod von Arbeitslosem zurück.
Allerdings dürften Total-Überwachung- und -Gängelung die Wut noch steigern - und gegen "soziale Unruhen" faktisch genau so unwirksam sein wie gegen Terror. Sehr wichtig, diese Diskussion bei unkreativ: Müssen Arbeitslose frieren und hungern? (Gefunden bei che.)

In der Praxis scheint die zweifellos vorhandene Wut und Verzweiflung leider nicht zum massenhaften Protest und noch weniger zum Aufbau alternativer sozialer Strukturen zu führen, sondern zur Resignation - oder, nach bekanntem, aber widersinnigen Muster, zum Ruf nach dem "starken Staat", der sich darum kümmert.

Das Grundgefühl ist Angst, panische Angst, vor fast jedem, die uns Schutz und die "Entscheider" "Sicherheit" suchen läßt.

Nachtrag: mit einer mögliche Alternative zum derzeitige Sozialsystem, dem "bedingungslosen Grundeinkommen" und ihren Gegnern beschäftige ich mich hier, bei den B.L.O.G: Alternativen-Killer

Freitag, 20. April 2007

Wie das historische Vorbild

(Unzufällig blogge ich das heute.)
Wie ihr historisches Vorbild haben auch Neonazis ein Herz für Tiere und ein Faible für vegetarische Ernährung - Junge Welt
Das liebe Vieh -
Brennesselrezepte und Fleischersatz: Die rechtsextreme Szene entdeckt den Tierschutz für sich.

Da bekommen Begriffe wie Tier-Rechte und Veget-Arier eine spezielle Nebenbedeutung.

Schon vor einiger Zeit berichte redok über dieses Thema: Tierrechts-Schläger auf den Spuren des "Stürmer". Bezeichnend ist, dass die "Nationalen Sozialisten - AG Tierrecht" auf originales (und erz-antisemitisches) Nazi-Propagandamaterial zurückgreifen.

Es ist nicht so, dass die "Lebensreformer" des frühen 20. Jahrhundert, die unter anderem für "naturgemäßen" gesunden Lebensstil, einschließlich vegetarischer Ernährung. "biologischen Landbau" und Tier- und Naturschutz eintrat, grundsätzlich Wegbereiter des Nazi-Faschismus waren. Einige der schärfsten Nazi-Gegner kamen aus dieser Ecke - leider auch viele der schäbigsten Opportunisten und der verblendesten "Idealisten". Aber dass die Nazis zumindest in ihrer Propaganda "lebensreformerische" Ideale vertraten, ist nicht zu leugnen. Heinrich Himmler war, wie Hitler, Vegetarier (langfristig sollten zumindest die SS-Männer auf vegetarischen Lebensstil umgestellt werden),außerdem Förderer des biologisch-dynamischen Landbaus und nebenerwerblicher "Öko-Bauer". Tatsächlich ging die Nazis-Ideologie zu wesendlichen Teilen aus dem völkisch-esoterischen Flügel der Lebensreform hervor. Auch wenn Hitler sich von "völkischen Wanderscholaren" distanzierte - zuerst wegen ihre mangenlden Eignung für den Straßenkampf und später, weil der ober-völkische Diktator keine anderen völkischen "Vordenker" neben sich duldete.

Dass die neuvölkischen Neu-Nazis, nachdem sie die Ökologie schon längst für sich entdeckt hatte, auch bei den Tierrechtlern mitmischen würden, ist nicht gerade überraschend. Schon der um 1980 geradezu zum Medienklisché gewordene urige Öko-Bauer und Ur-GRÜNE Baldur Springmann hatten eine starken Rechtsdrall - und offensichtlich einen guten Draht zur "Artgemeinschaft":
Springmann
Die Gefahr eines Öko-Faschismus ist durchaus nicht von der Hand zu weisen. Zumal die Rechtsextremen auf diesem Gebiet viele "Bündnispartner" haben. (Siehe auch mein Aufsatz: Rachegöttin Natur.)

Sonntag, 15. April 2007

Apropos "Freiheit und "Mut"

Es gibt keine Grund, aus Angst, es "könne was passieren" den Feinden der Freiheit die Straße zu überlassen: Dokumention: Geplante Neonazi-Märsche am 1. Mai.
Daran denken: die Strategie der alten wie der neuen Nazis ist es, Symbole für sich zu besetzen. Der 1. Mai ist gleich zweifach ein Symbol einmal als "Tag der Arbeit": Rechtsextreme Gruppierungen versuchen seit einigen Jahren, die "soziale Frage" für sich zu vereinnahmen und sich als "Antikapitalisten" (natürlich nur gegen das "raffende", vorzugsweise "ausländische" Kapital) zu profilileren. Deshalb wollen Neonazis am 1. Mai in vier bis sechs deutschen Städten parallel zu den Aktionen der Gewerkschaften demonstrieren.
Das andere Symbol des 1. Mai ist der eines naturreligiösen Frühlingsfests - Beltaine, Pholfest, Walpurgis. Leider haben es "deutschvölksiche" Kräfte einst und "neurechte" Kräfte heute es geschafft, dass ihnen diese Symbolik von ihren Freunden wie ihren Gegnern weitgehend unwidersprochen überlassen wird.

Vor 102 Jahren hat die SPD das noch gewußt:
Titelbild des Vorwärts, Mai 1905
Titelbild des "Vorwärts" mit Aufruf zum 1. Mai 1905

Zeigt den Nazis, dass sie unerwünscht sind!Überlast ihnen nichts, was sie sich unter den Nagel gerissen haben!

Mittwoch, 11. April 2007

"Ungleichheit fördert Gewalt" - nicht ganz überraschend ...

... aber ganz gut, es noch einmal von wissenschaftlicher Seite bestätigt zu bekommen.
Pressemitteilung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg: Ungleichheit fördert Gewalt.

In dem grade erschienenen Buch "Sozialer Wandel und Gewaltkriminalität. Deutschland, England und Schweden im Vergleich, 1950-2000" sind die Ergebnisse eines gleichnamigen Projektes zusammengefasst. Die beiden Soziologen Helmut Thome und Christoph Birkel stellen darin fest, dass die Gewaltkriminalität in Deutschland, England und Schweden wie in fast allen ökonomisch hoch entwickelten Ländern in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts deutlich angestiegen ist, nachdem sich seit Beginn der Neuzeit die individuelle Gewaltanwendung stark rückläufig entwickelt hatte.

Allerdings taugen ihre Ergebnisse wohl nicht als Propaganda-Futter für kontroll-besessene Politiker - obwohl auch sie der Ansicht sind, dass die derzeit stabilen oder sinkenden Raten bei einigen wichtigen Arten von Gewaltverbrechen (z.B. Raub) nur bedingt Anlass zur Entwarnung seien. Bis in die 1990er Jahre hätte es einen erheblichen Anstieg gegeben und vor dem Hintergrund dieses hohen Niveaus müsse man die erfreuliche Entwicklung der letzten Jahre sehen. (Die Freunde polizeistaatlicher "Lösungen" und des "harten Durchgreifens" neigen bekanntlich dazu, den Rückgang überhaupt nicht wahrzunehmen.)

Wenn Thome feststellt: "Der ökonomische und soziale Strukturwandel hat zum Anstieg der Gewaltkriminalität wesentlich beigetragen" und klagt: "Ökonomischer Erfolg zählte mehr und mehr, die soziale Ungleichheit wurde größer, gemeinschaftsbildende Milieus lösten sich auf und alte Wertorientierungen wurden in Frage gestellt", dann klingt das allerdings verdächtig nach den konservativ-"linken" Feuilleton-Litaneien, nach denen im Zweifel immer die Globalisierung, der Abbau des Primats der Polikt gegenüber der Wirtschaft und die Vereinzelung des Menschen am zunehmenden Egoismus schuld sei, der dann zwangläufig kriminell machen würde.

Vielleicht trügt dieser Eindruck, denn Thome und Birkel wählten einen differenzierten Erklärungsansatz für den Anstieg der Gewaltkriminalität, der an Emile Durkheim anknüft. Eine gängige These macht die "die Individualisierung" für den Anstieg der Gewaltkriminalität verantwortlich; die Autoren unterscheiden hingegen zwischen einem (pazifizierenden) "kooperativen" und einem (gewaltaffinen) "desintegrativen" Individualismus.

"Das von uns entwickelte Erklärungsschema ist beim Verständnis nicht nur des Anstiegs der Gewaltkriminalität in der Vergangenheit, sondern auch von aktuellen Entwicklungen in den Bereichen Arbeitsmarkt, Sozialpolitik und Wirtschaft hilfreich und erlaubt es, ihre gesellschaftlichen Folgen einzuschätzen", erläutert Christoph Birkel. So sei die aktuell diskutierte Verbesserung der öffentlichen Kinderbetreuung als eine Stärkung des "kooperativen Individualismus" zu interpretieren und als solche dem sozialen Zusammenhalt förderlich. (Wobei mir nicht ganz klar ist, ob er das erzieherisch, bezogen auf die Kinder, meint, oder darauf, dass Eltern sich mit ihren Problemen nicht allein gelassen fühlen.)
"Weitere Verschärfungen der Zumutbarkeitsregelungen und Kontrollen für Empfänger von Arbeitslosengeld II würden hingegen die gesellschaftliche Entwicklungstendenz in Richtung eines 'desintegrativen Individualismus' beschleunigen und wären mit hohen Nebenkosten in Form von unmittelbaren Kontrollkosten, aber zum Beispiel auch einer Verringerung des sozialen Kapitals verbunden."

Die Autoren sind sich einig: Um die Bereitschaft zur Gewaltkriminalität zu senken, müssten Solidarstrukturen neu aufgebaut werden. "Wir benötigen kooperative Strukturen. Aber natürlich ist es nicht nur die Aufgabe des Staates, sie zu schaffen. Bürger aller sozialer Schichten müssen sich dafür engagieren."

Ich bin der Ansicht, dass die notwendigen neuen kooperativen Strukturen nicht nur "nicht allein" Aufgabe des Staates sind, sondern dass sie ergänzend, alternativ und oft sogar gegen "den Staat" aufgebaut werden müssen. Zum Beispiel: mehr Angebote (!) zur Kinderbetreuung, aber bitte ohne staatlich kontrollierte Zurichtung der Kinder und ohne obrigkeitsstaatliche Eingriffe in die Erziehung. Es muß auch immer Alternativen zu staatlichen und quasi-staatlichen Krippen, Kindergärten, Kindertagesstätten geben - so viele, wie möglich und mit so viel Selbstverwaltung und Mitbestimmung der Elten wie möglich.

Sonntag, 18. März 2007

"Nie mit ihnen, sondern immer nur über sie diskutieren"

So lautet eine bewährte Faustformel zum Umgang mit Rechtsextremisten. Oft reicht sie das nicht aus, vor allem nicht, wenn man selbst Veranstalter ist.

Deshalb empfehle ich die kleine Broschüre "Streiten mit Neonazis - Zum Umgang mit öffentlichen Auftritten von Rechtsextremisten" von Miteinander e. V. und der Arbeitsstelle Rechtsextremismus Sachsen-Anhalt - sie gibt es auch als PDF-Datei zum Herunterladen.

Samstag, 17. März 2007

Wenn man Gift in die Hirne und Herzen von Kinden träufelt (2)

Eine wichtige Ergänzung zu einem traurigen Thema:
Chajms Sicht: Fragen zum Warum.

Ich konnte nicht glauben, dass es das wirklich gibt: Einen Propaganda-Spot im TV-Programm der Hamas, in dem zwei Kinder darüber erzählen, dass ihre Mutter jetzt als Märtyrerin im Paradies sei, und wie viele Juden sie dabei umgebracht hätte. Ich hatte gehofft, dass diese Form der Haßpropanda ein Produkt der Propanda ist. Leider sieht es gar nicht so aus.
Der Sender Al Aksa-TV, auf dem diese Sendung lief, kann über Satellitenanlagen praktisch weltweit empfangen werden.

Und das ist nur ein winziger Teil des Problems. Bei uns in Deutschland werden zwei besonders verbreitete und gefährlich Formen des Antisemitismus zu wenig beachtet: den importierten "islamischen" Antisemitismus und den "getarnten" Antisemitismus der „Darf man eigentlich Israel gar nicht kritisieren?”-Sager. Natürlich darf man Israel kritisieren. Sogar mit so harten Worten, wie es z. B. Che2000 tat: Vom Frieden und denen, die ihn wollen - oder auch nicht.
Aber: unter dem Deckmantel der Israelfeindschaft, notdürftig als Israelkritik getarnt, geht es immer sehr schnell um "das Verhalten" "der Juden". Auch derjenigen Juden, die gar nicht in Israel leben. Das scheint für manche heimliche Antisemiten ein Ausweg aus der geschaftlichen Ächtung des Antisemitismus zu sein.

Donnerstag, 15. März 2007

Der Sieg der Vernunft

Es geht zwar durch die Medien und sämtliche Blogs, es ist mir aber ein so großer Anlaß zur Erleichterung, dass ich einfach dazu "senfen" muss:
Zeig mich an!

ERFOLG!
Die Verwendung durchgestrichener Hakenkreuze ist nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht strafbar, wenn die Distanzierung zum Nationalsozialismus eindeutig ist. Der BGH hob damit am 15. März 2007 das Urteil gegen den Leiter eines Versandhandels auf und sprach ihn rechtskräftig frei. Mit dem Urteil folgte das Gericht dem übereinstimmenden Antrag der Bundesanwaltschaft und der Verteidigung.
klatschenklatschenklatschenklatschen

Ich sehe dieses Urteil als einen ersten, bescheidenen, aber notwendigen Schritt an, um drei für Freiheit und Demokratie gefährlichen Tendenzen Einhalt zu gebieten:
1. Der alten nachkriegsdeutschen Tradition des Verdrängen des Naziproblems. Aus den Augen, aus dem Sinn. Lieber das Neonazi-Problem kleinreden und unter den Teppich kehren. Eine sichtbare "AntiFa" macht womöglich darauf aufmerksam, das es auch noch "Fa" gibt.
2. Den Hang, auf eigene Faust und abseits der etablierten Parteien politisch aktive Menschen zu kriminalisieren. "Die Bekämpfung des Rechtsextremismus überlassen Sie gefälligst den zuständigen staatlichen Organen". Quertreiber und Querköpfe stören nur den geordneten Dienstablauf. Und Zweifel an der Wirksamkeit der "offiziellen" Aktivitäten "gegen Rechts" sind unerwünscht. Sie könnten ja das Vertrauen des Bürgers auf "Vater Staat", der alles im Griff hat, schmälern ...
3. Dem wieder wachsenden Hang, Probleme auf dem Verbotsweg zu "lösen": Selten war in der politischen Diskussion der Nachkriegszeit so oft vom Verbieten die Rede, wie in den letzten ca. fünf Jahren. Egal, ob es sich um CO2-Ausstoß, saufende Jugendliche, einem die Luft vollqualmende Mitmenschen, ungesunde Ernährung usw. geht, egal, ob auf nationaler oder europäischer Ebene: "Verbieten" ist das Universalrezept, mit dem "Un-Politiker" Aktivität simulieren. "Un-Juristen" anscheinend auch: hektische Verbotsaktivität gegen alles, was nur entfernt nach HK-aussieht, signalisiert: "Wir tun was gegen Rechtextremisten".

Sonntag, 11. März 2007

30 Jahre hinter der Zeit

Jens Scholz schrieb einen sehr interessanten Blogbeitrag über die bemerkenswerte, aber selten bemerkte Tatsache, dass in der "Klimadiskussion" alle mögliche Ablenkungsdiskussionen (vom Glühbirnenverbot bis zum Urlaub nur im Inland) geführt werden, der wesendliche Punkt aber "übersehen" wird:
Man weiß, wo die Stellen sind, an denen man schrauben muss (Wechsel zu erneuerbarer Energie. Und dann lange lange nichts.). Die stehen im Meer der stürmischen Diskussionsthemen komischerweise völlig unberührt und werden so krampfhaft ignoriert wie die Nackteit des Kaisers im Märchen.
(Ganzer Beitrag: Schattengefechte.)
Egal, wie man zur CO2-Problematik steht (ich bin in Hinblick auf Horror-Szenarien skeptisch) - langfristig wird ohnehin kein anderer Weg bleiben, die Energieversorgung zu sichern, denn bekanntlich sind die Öl-, Kohle- und Uran-Vorkommen endlich. Ein frühzeitig begonnener Umstieg ist meiner Ansicht nach auch ökonomisch sinnvoll, wenn auch einige hier mitlesende Ökonomen anderer Ansicht sein werden. Mit "Umstieg" meine ich übrigens nicht noch mehr Subventionen für Windräder.

Warum allerdings kann die Diskussion vornehmlich um Verbote, Appelle, Einschränkungen? Das hängt zum Teil sicher mit dem "apokalyptischen Denken" zusammen. Ein quasi-religiöses Denken: "Gottes Zorn" - ersatzweise "die Rache der Natur" in Form der Klimakatastrophe kommt wegen der "Sünde der Völlerei!" (Energieverschwendung) über uns - weshalb es dann auch folgerichtig "Ablaßhandel" gibt und "Askese" gepredigt wird. Hinzu kommt, dass "harte Zeiten" immer "gute Zeiten" für totalitäre Gesellschaftsmodelle sind - vor dem düsteren Hintergrund der Katastrophe heben sich selbst Systeme mit dem Charme eines Umerziehungslagers leuchtendgrün ab.

Typisch für die derzeitige Debatte ist, dass der Stand des technisch Machbaren und ökonomisch Sinnvollen kaum beachtet wird. Tatsächlich wäre es technisch möglich, 100% des Energiebedarfs (und nicht nur klägliche 20 %) aus erneuerbaren Quellen abzudecken - ohne Fahrverbote, Strom-Rationierungen, kalte Bude im Winter und Ächtung der Fernreisen - tatsächlich ohne Einschränkung des Lebensstandards. Wirtschaftlich lohnt sich ein sofortiger Totalumstieg noch nicht - noch! (Wenn "Siggi Pop" Gabriel von "Kein Klimaschutz durch Konsumverzicht" redet, dann meint er nur scheinbar dasselbe wie ich. Denn der "Umbau der Energiebasis der Industrie" kostet natürlich viel Geld. Besonders viel, wenn er als staatliches Großprogramm durchgeführt wird. Besser ist allemal der Ansatz von "unten nach oben".)

Aufällig an der derzeiten Diskusson ist, dass Argumente aufgeführt, die einfach veraltet sind. Immer noch gibt es Journalisten, die glauben, Fotovoltaik sei eine teure Luxustechnik, allenfalls für Nischenanwendung geeignet. Oder Solarstrom sei nur etwas für sonnige Länder - und Erdwärme höchstens in Vulkangegenden nutzbar.

Neulich stieß ich bei den "B.L.O.G." auf eine eine extrem interessante Präsentation von Hans Rosling, dem Begründer von Gapminder: Myths about the developing world.
Der Eingangsgag: Studenten schnitten bei einem Test, in dem sie die Kindersterblichkeit in verschiedenen Ländern einschätzen sollten, schlechter ab, als Schimpansen. Das Schlimme dabei ist nicht, dass die Studenten, weil sie nicht bescheid wußte, rieten (wie es die Schimpansen taten). Die Studenten unterschritten ein einfaches Raten deutlich unterschritten, denn sie glaubten etwas zu wissen, was nicht der Realität entspricht.
Genauer gesagt, entspricht ihr Weltbild (und wahrscheinlich das übliche Weltbild des "politisch informierten Bürgers") etwa dem Stand der 1960er Jahre: Es gab arme und reiche Länder, getrennt durch einen breiten ökonomischen Abgrund, wobei die armen tendenziell immer weiter verelenden. Das heutige Bild, das z. B. Statistik der UN zeigen, ist weitaus weniger trübe. Und nicht nur "einfache Bürger" haben dieses veraltete Bild im Kopf, sondern auch Politiker: Nach wie vor überweist Deutschland Entwicklungshilfe an China (nein, heute ist noch nicht der 1. April).

Genau das ist auch bei der Energiediskussion der Fall: das Weltbild stammt beinahe durch die Bank aus den 1970er und 1980er Jahren, ebenso die "Lösungsvorschläge". Egal, ob es massiver Ausbau der Kernenergie ist (so dachte die SPD/FDP Bundesregierung anno 1975), oder ob in einer "dezentralen Energieversorgung" das Heil gesucht wird (von der schon 1982 bekannt war, dass sie, konsequent durchgeführt, ökonomisch verschwenderisch und ökologisch schädlich ist), oder wieder mal eine "Kultur der weisen Selbstbeschränkung" (Herbert Guhl, 1977), natürlich durch staatliche Verbote und Kontrollen durchgedrückt, angepriesen wird. Dass das "Wissen" über den Stand der Technik von anno dunnemal ist, hatte ich ja schon erwähnt.

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