Geschichte

Sonntag, 27. August 2006

Das Erbe der Bauernkriege

Der größte Fehler in der deutschen Geschichte ist, daß die Bewegung des Bauernkriegs nicht durchgedrungen ist.
Alexander von Humboldt

Vor kurzen besuchte ich die Mühlhausen in Thüringen. Eine Stadt, in der es zur Zeit des "großen Bauernkrieges" ein demokratisches Gemeinwesen gab - und von der aus der charismatische, hochintelligente, aber leider religiös verblendete, Volksführer, Revolutionär und Reformator Thomas Münzer 1556 ein Bauern- und Bürgerheer unter der Regenbogenflagge gegen die Truppen der Fürsten führte - das bei Frankenhausen regelrecht abgeschlachtet wurde. Die Folgen dieser Niederlage, der vielen Niederlagen im großen Bauernkrieg wie der zahlreichen Volkaufstände der beginnenden Neuzeit, sie reichen bis heute.
Fast vor meiner Haustür kann ich anhand alter Bauernhäuser, die es zum Glück in meiner Gegend noch gibt, zwei sehr unterschiedliche bäuerliche Kulturen unterscheiden. Da gibt es, im Lauenburgischen, in Ostholstein, in West-Mecklenburg, prachtvolle Herrenhäuser - manchmal richtige Schlössser - zu bewundern - und die ärmlichen Katen der Pächter und die noch ärmlicheren Gesindehäuser der Landarbeiter. Ganz anders das Bild in den Vier- und Marschlanden, überhaupt in der Marsch an der Unterelbe, wie auch an der Nordseeküste: hier bestimmen prachtvolle Bauernhöfe das Bild, Dokumente bäuerlichen Reichtums und Selbstbewußtseins.

"Reicher Böden, reiche Bauern" könnte die erste Schlußfolgerung sein. Allerdings: nicht überall in der Marsch sind die Böden fett, und der Bau und die Instandsetzung der zahlreichen Deiche und der vielen Entwässerungsgräben, -Siele, -Pumpen waren (und sind) aufwändig. Einer einziger Deichbruch kann den Erträge eines Jahres vernichten, eine schwere Sturmflut bedeutet Lebensgefahr. Landwirtschaft in der Marsch - das ist ständiger Kampf.
Der Kampf gegen den "blanken Hans" und die gemeinschaftlicher Arbeit an den Deichen und Sielen befähigten offensichtlich die Marschbauern sich gegen die Interessen landhungriger Feudalherren durchzusetzten - und verhinderten zugleich, dass ein reicher Großbauer sich zum Herrn über andere, zum Feudalherren entwickelte.
Auch wenn z. B. die Dithmarscher Bauernrepublik, das prominenteste Beispiel bäuerlichen Freiheitswillens, nach jahrhundertenlangen erfolgreichen Kämpfen, 1559 den dänisch-schleswig-holsteinischen Truppen unter dem Feldherrn Johann Rantzau doch noch unterlag - die Dithmarscher konnte sich einige Privilegien sichern. Norder- und Süderdithmarschen wurden "Landschaften" mit einer eigenen Landschaftsordnung und einem Landvogt bzw. Statthalter an der Spitze. Dieser war nicht nur der Obrigkeit, sondern auch den "Kirchspielsleuten" - also dem Volk - verpflichtet. Das Grundeigentum der eingesessenen Bauern bliebt, zumindest teilweise, erhalten.
In gewisser Hinsicht haben die Marschbauern in "ihren" Bauernkriegen zumindest nicht alles verloren. (Auch wenn die Geschichte nicht überall so kriegerisch verlief wie in Dithmarschen.)
Nur in wenigen Landstrichen Deutschlands, z. B. in Westfahlen, gab es nach dem 16. Jahrhundert überhaupt noch "freien Bauern".

Die ökonomische Folgen der totalen Niederlage wahren schlimm, schlimmer aber war, denke ich, die bis heute nachwirkende Deformation der deutschen Mentalität. Das Rechtsbewußtsein wurde zerstört - bei den Mächtigen wie bei den Ohnmächtigen. Den geschlagenen Revolutionären blieb nur die Flucht in die Demutshaltung. Damals entstand - unter Mithilfe der Kirchen, auch der anfangs revolutionär gewesenen lutheranischen Kirche - der deutsche Untertan, der bereit war, das Unerträgliche hinzunehmen und nicht mehr Sinn unverständlicher Anordnungen zu fragen. Der deutsche Untertan gewöhnte sich daran, gedemütigt zu werden, vor seinem Herrn, aber auch vor fremden Herren. Sie lernten, ihre Ketten zu lieben. Der "typisch deutsche" Ehrgeiz beschränkte sich darauf, ein "großer Knecht" zu werden, jemand, der nicht nur getreten wird, sondern auch treten darf.

Hätten die Bauern die totale Niederlage abwenden könnten, vielleicht nicht militärisch, aber in der Sinne, dass ihr Selbstverständnis ungebrochen blieb, ein Widerspruchsgeist, der in den Nachbarländern des deutschen Sprachraums letzten Endes den Absolutismus beseitigte (oder zumindest, wie die Polen, nie die Demütigungen willig hinnahm)?
Ich bin der Ansicht, dass die deutschen Reformatoren, ein Luther, ein Sickingen, und - auf andere Weise - auch ein Müntzer politisch versagt haben. Die Reformation war ein Apell zum selber denken, die Wiederentdeckung der Erkenntnis, dass Religion gut ohne Priesterhierarchie, Dogmen, Inqusistion, kurz ohne "von Gott eingesetzte Obrigkeit" funktionierte. Mit einem Leitbild, einem gemeisamen, pragmatischen, ereichbaren Ziel (nicht etwa einer Utopie - Utopisten gab es in der Reformationszeit eher zu viele) wäre die Bewegung nicht in Ziellosigkeit und Maßlosigkeit erstickt. Die Marschbauern hatten politische Ziele, die Regenbogenkrieger Müntzers Visionen.
Luther wandte sich gegen die aufständischen Bauern. Er und Sikingen begriffen nicht, dass sie hätten das Volk anführen müssen. Und jene, die es versuchten, Bauern, Bürger, Ritter, Landsknechte, Schankwirte (erstaunlich oft!), die brachten oft die Gaben, auch Bildung und Charisma mit, aber sie blieben eingebunden in lokale Bedingungen, begrenzt von engen landschaftlichen Horizonten.
Ideale Bedingungen für machthungrige Territorialfürsten.

Samstag, 12. August 2006

Staatsgläubigkeit - eine alte Tradition der deutschen Linken

Die "Staatsgläubigkeit" gilt geradezu als die "deutsche Zivilreligion" - oder ist mindestens ein wichtiger Bestandteil des Weltverständnisses der meisten deutschen Politiker und nicht weniger ihre Wähler. Das mehr oder weniger nationalistische Kreise "staatsgläubig" sind, ist, international gesehen, der Normalfall. Auch ist es relativ normal, dass "Linke", von den autonomen Linken, den Anarchokommunisten, konsequenten Marxisten und ähnlichen Gruppierungen außerhalb der etablierten Richtungen des Sozialismus und des Kommunismus abgesehen, zum Etaismus neigen.
Exkurs, zur Begriffsklärung: Etatismus (von frz. État = Staat) ist ein Überbegriff für politischen Richtungen, die dem Staat eine große Bedeutung im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben zumessen. Nicht mehr und nicht weniger. Etaistische Systeme können autoritär bis totalitär sein, müssen es aber nicht. Der Etaismus der schwedischen Sozialdemokratie z. B. geht mit einen starken Mißtrauen gegenüber "Obrigkeiten" einher, was zu Institutionen wie dem "Ombudsmann" oder dem sehr weit reichenden Recht auf Akteneinsicht führt. Das nur, weil "Etaismus"
von Liberalen, Anarchisten und ganz besonders gern von "Libertären" (Anarchokapitalisten) als abwertendes und undifferenziertes Schlagwort gegenüber ihren politischen Gegnern verwendet wird.

Dass Sozialdemokraten und Sozialisten mehr oder weniger etaistisch sind, ist normal. Dass sie "den Staat" geradezu vergöttern, gar der Meinung sind, der einzelne Mensch sei für den Staat da, und nicht der Staat für den Menschen, ist allerdings "typisch deutsch" - zumindest auf der politisch "linken" Seite. (Die "Staatsvergötterung" des Leninismus nehme ich ganz ausdrücklich aus.) Der Glaube an "den Staat" ist hierzulande sogar ausgesprochenen Anti-Nationalisten zu finden.

Einen treffenden Kommentar zum tief staatsgläubigen, ultra-etaistischen Politikverständnis der deutschen Sozialdemokratie ausgerechnet zur Zeit der bismarkschen Sozialistenunterdrückung im stramm autoritären Kaiserreich schrieb Karl Marx.
1875 verfasste er seine berühmten "Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei", dem Vorgänger der SPD. Über das Lippenbekenntnis zum "Internationalismus" der deutschen Arbeiterpartei schrieb Marx u. A.:
In der Tat steht das internationale Bekenntnis des Programms noch unendlich tief unter dem der Freihandelspartei. Auch sie behauptet, das Ergebnis ihres Strebens sei "die internationale Völkerverbrüderung". Sie tut aber auch etwas, um den Handel international zu machen, und begnügt sich keineswegs bei dem Bewußtsein - daß alle Völker bei sich zu hause Handel treiben.
Zum Staatverständnis, das aus diesem Programm sprach, merkte Marx an:
Zunächst nach II erstrebt die deutsche Arbeiterpartei "den freien Staat".
Freier Staat - was ist das?
Es ist keineswegs Zweck der Arbeiter, die den beschränkten Untertanenverstand losgeworden sind, den Staat "frei" zu machen. Im Deutschen Reich ist der "Staat" fast so "frei" als in Rußland. Die Freiheit besteht darin, den Staat aus einem der Gesellschaft übergeordneten in ein ihr durchaus untergeordnetes Organ zu verwandeln und auch heute sind die Staatsformen freier und unfreier im Maß, worin sie die "Freiheit des Staates" beschränken.
Die deutsche Arbeiterpartei - wenigstens, wenn sie das Programm zu dem ihrigen macht - zeigt, wir ihr die sozialistische Ideen nicht einmal hauttief sitzen, indem sie, statt die bestehende Gesellschaft (und das gilt von jeder künftigen) als Grundlage des bestehenden Staats (oder künftigen, für künftige Gesellschaft) zu behandeln, den Staat vielmehr als ein selbstständiges Wesen behandelt, das seine eignen "geistigen, sittlichen, freiheitlichen Grundlagen" besitzt.
Besonders stößt sich Marx an dem "wüsten Mißbrauch, den das Programm mit den Worten heutiger Staat und heutige Gesellschaft treibt". Denn offensichtlich waren die damaligen Sozialdemokraten bereit, sich mit dem "Militärdespotismus" bismarkscher Prägung (der ihr erklärter Feind war) nicht nur zu arrangieren, sondern ihn geradezu als Grundlage des zu schaffenden "künftigen Staates" ansahen.
Seine politischen Forderungen enthalten nichts außer der aller Welt bekannten demokratischen Litanei: allgemeines Wahlrecht, direkte Gesetzgebung, Volksrecht, Volkswehr, etc. Sie sind ein bloßes Echo der bürgerlichen Volkspartei, des Friedens- und Freiheitsbundes. Es sind lauter Forderungen, die, soweit nicht in phantastischer Vorstellung übertrieben, bereits realisiert sind. Nur liegt der Staat, dem sie angehören, nicht innerhalb der deutschen Reichsgrenze, sondern in der Schweiz, den Vereinigten Staaten etc. Diese Sorte "Zukunftsstaat" ist heutiger Staat, obgleich außerhalb "des Rahmens" des Deutschen Reichs existierend.
Aber eines hat man vergessen. Da die deutsche Arbeiterpartei ausdrücklich erklärt, sich innerhalb des "heutigen nationalen Staats", also ihres Staates, des preußisch-deutschen Reichs, zu bewegen - ihre Forderungen wären ja sonst auch größtenteils sinnlos, da man nur fordert, was man noch nicht hat -, so durfte sie die Hauptsache nicht vergessen, nämlich das all jene schönen Sächelchen auf Anerkennung der sog. Volkssouveränität beruhn, daß sie daher nur in einer demokratischen Republik am Platze sind.
(...)
Daß man in der Tat unter "Staat" die Regierungsmaschine versteht oder den Staat, soweit er einen durch Teilung der Arbeit von der Gesellschaft besonderten, eignen Organismus bildet, zeigen schon die Worte: "Die deutsche Arbeitpartei verlangt als wirtschaftliche Grundlage des Staats: eine einzige progressive Einkommenssteuer etc." Die Steuern sind die wirtschaftliche Grundlage der Regierungsmaschinerie und von sonst nichts. Im dem in der Schweiz existierenden Zukunftsstaat ist diese Forderung ziemlich erfüllt. Einkommenssteuer setzt die verschiednen Einkommensquellen der verschiednen gesellschaftlichen Klassen voraus, also die kapitalistische Gesellschaft. Es ist also nichts Auffälliges, daß die Financial Reformers von Liverpool - Bourgeois mit Gladstones Bruder an der Spitze - dieselbe Forderung stellen wie das Programm.
(Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie und wird liberale Leser erfreuen ;-), dass ausgerechnet Karl Marx die damaligen Liberalen für fortschrittlicher und demokratischer hielt, als die damaligen deutschen "Sozis". Teufel)

Einen deutlichen Bruch mit diesem "organischen" und paternalistischen Staatsverständnis, das lezten Endes auf die "Nationalromantik" und "Staatsphilosophen" wie Fichte oder Hegel zurückgeht, gab es im "Hauptstrom" der deutschen Sozialdemokratie, soweit ich das beurteilen kann, nicht. (Darin unterscheiden sich die deutschen Sozialdemokraten übrigens nicht von den meisten Deutschen andere politischer Ausrichtung.) Die - in Frankreich, Großbritannien, den USA und selbst Skandinavien beinahe selbstverständliche Einsicht, dass der Staat ein menschengemachtes Konstrukt ist, dass für den Bürger da sein sollte, ist in Deutschland, obwohl sich in den letzten 40 Jahren hier einiges zum Besseren entwickelte, immer noch nicht konsensfähig.

Es war u. A. dieses schon von Marx bemängelte "preußisches-deutsche" Staatsverständnis, welchen "im Staat an sich" einen Wert sahen, das in der Revolution von 1918/1919 den Sozialdemokraten Ebert dazu verleitete, die "staatstreuen", aber demokratiefeindlichen Feikorps gegen die nicht "staatsloyalen", aber demokratischen und fast ausschließlich von Sozialdemokraten getragenen und entgegen der Legende keineswegs "bolschewistischen" Arbeiter- und Soldatenräte" einzusetzen. Auch bei der blutigen Niederschlagung des angeblichen "Spartakistenaufstands" in Berlin stellt sich die Frage, ob die "Medizin" (Einsatz der Reichswehr einschließlich der rechtsgerichteten Freikorps gegen die Aufständischen) nicht weitaus schlimmer als die "Krankheit" (der Aufstand) war.

Dienstag, 1. August 2006

Piratenflagge Schwarzrotgold

(Und noch mal "Pirat Content", wieder angeregt durch die bekannte Idee Seeräuber-Karans anläßlich des Flaggenwahns zur FiFaFu-WM: Piratenflagge statt schwarzrotsenf.) Dieses Mal noch direkter.
Unglaublich, aber wahr: die schwarzrotgoldene Flagge wurde 1849 von der damals führenden Seemacht Großbritannien zur "Piratenflagge" erklärt. Und das kam so:

Die in der deutschen Revolution von 1848 gegründe Nationalversammlung in Frankfurt/Main beschloss am 17. Juli 1848 die Gründung einer deutschen Bundeskriegsflotte. Seit Anfang April herrschte der erste preußisch-dänische Krieg in Folge der nationaldeutschen Aufstände in Schleswig und Holstein. Bald wurde die Verbindung aus revolutionären Aufstand und alles anderer als revolutionärer preussischen Intervention als "deutsch-dänischer" Krieg wahrgenommen. Die dänische Regierung betrachtete nun alle im Deutschen Bund zusammengeschlossenen Staaten als Kriegsgegner, in der Erwartung, eigene Interessen gegen die revolutionsgeschwächten südlichen Nachbarn durchsetzen zu können - auch, damit die Unterstützung der rebellischen Schleswig-Holsteiner endlich aufhörte. Die dänische Flotte konnte mit geringen Kräfteeinsatz die deutschen Seehäfen blockieren und den Außenhandel praktisch zum Erliegen bringen. Es war vorgesehen, dass sich die bereits gebildete "nationaldeutsche" Kieler Flotille, die auf Initiative Hamburger Reeder angekauften Kriegsschiffe der "Hamburger Flotille" und den vorhandene Kriegsschiffen Preußens und Österreichs (letztere in der Adria stationiert) eine "Reichsflotte" bilden sollte. Österreich und Preußen, beide zunehmend revolutionsfeindlich, unterstellten ihre (bescheidenen) Flotten nicht der Nationalversammlung, so dass die Nationalversammlung sich gezwungen fühlte, schleunigst eigenen Kriegsschiffe zu beschaffen. Es wurde geeignete, aus "Neutralitätsgründen" aber unbewaffnete, Schiffe in Großbritannien gekauft und in Bremerhaven mit Kanonen bewaffnet. Die Schiffe der deutschen Reichsflotte trugen die Farben Schwarzrotgold.
Am 4. Juli 1849 kam es vor Helgoland zum Schußwechsel zwischen der dänischen Fregatte Valkyrien und der deutschen Dampffregatte Barbarossa und den Kanonenbriggs Hamburg und Lübeck. Die Valkyrien geriet in eine Position, in der die Hamburg zum Entermannöver ansetzen konnte. Das dänische Schiff konnte aber entkommen und zog sich in die Nähe von drei anderen bei Helgoland liegenden dänischen Schiffen zurück. Helgoland war damals britisch, die britische Festungsbesatzung gab einige Warnschüsse auf die kriegführenden Schiffe ab, um sie daran zu erinnern, dass sie in neutralen Gewässern kämpften.
Dieses eher unbedeutende Gefecht schlug zuerst in der britischen Admiralität und dann im britischen Unterhaus hohe Wellen, denn der fehlenden Respekt der Deutschen und Dänen für die britische Neutralität und die britischen Hoheitsrechte über Helgoland (das von Dänemark und rein verbal auch von der deutschen Nationalversammlung beansprucht wurde) wurde als schwerer Affront gesehen, schlimmer noch, ein "schändliche Demütigung" des "meerbeherrschenden" Britanniens. (Keine Spezialität des 19. Jahrhunders, man stelle sich mal vor, was geschehen würde, wenn sich Schiffe Kubas und der Dominikanischen Republik vor der Hafeneinfahrt des US-Stützpunktes Guantanamo-Bay beschiessen würden.) Hinzu kam, dass Britannien aus Gründen des "Gleichgewichts der Mächte" Dänemark gegenüber "wohlwollend neutral" war.
Für das britischen Prestige schlimm war, dass die alte "Barbarossa" ursprünglich ein britischer Dampfer namens "Britannia" war, der in seinen besseren Tagen beinahe ein nationales Symbol gewesen war.

Zum Zeitpunkt des Gefechtes war die Nationalversammlung längst gewaltsam aufgelöst worden. Das nahm die britischen Regierung zum Anlass, zu erklären, es gäbe keinen Staat, dessen Seestreitkräfte die Farben Schwarz-Rot-Gold zu führen berechtigt wäre. Sie deklarierte die schwarzrotgoldene Bundesflagge zur Piratenflagge.
Die deutsche Reichsflotte bestand bis 1852 weiter, dann wurde ihre Schiffe versteigert oder an die preussische Marine übergeben.

Sonntag, 30. Juli 2006

Sozialromantische Piraten

(Angeregt durch eine Idee von Seeräuber-Karan anläßlich des Flaggenwahns zur FiFaFu-WM: Piratenflagge statt schwarzrotsenf.)
Piraten sind gerade im "arbeitenden Volke" beliebt. (Es sei denn, man arbeitet zufällig auf einem Schiff, das im Südchinesischen Meer, in der Malakka-Straße, in der Sunda-See oder vor den Küsten des Senegals unterwegs ist.) Das ist bemerkenswert, denn Piraterie ist in der Praxis meistens eine brutale Form der organisierten Kriminalität: Bandenmäßig begangener schwerer Raub, sehr oft in Tateinheit mit Körperverletzung, Mord, Freiheitsberaubung, Hehlerei und nicht selten Vergewaltigung. Nicht unbedingt das Holz, aus dem man Volkshelden schnitzt.
Ein Teil der Antwort liegt sicher darin, dass die "gewöhnlichen Kriminellen" unter den Seeräubern im Allgemeinen unter den Tisch fallen. Wenn schon Verbrecher, dann schon "Verbrecher von Format", mindestens Mafia-Format. Oder noch besser: Kaperfahrer, Kosaren, Freibeuter mit ehrenwertem Ziel, die eher Guerrillakämpfer zur See als schäbige Gangster mit schwimmendem Untersatz sind.

Behält man die Verdrängung des banal-brutal Bösen im Hinterkopf, trifft Wolfram zu Mondfeld in der Einführung zum "Piratenkochbuch" den Nagel auf den Kopf:
Gewiß, es gibt ein paar Chrakterzüge, die allen Freibeutern, von den kleinsten und schäbigsten bis zu den größten und berühmtesten, gemeinsam waren: Ein guter Schuß Verwegenheit und Abenteuerlust, ein gefährlicher Beruf, aus dem sie das Schlechteste, aber auch das Beste machen konnten. Doch damit hört die Gemeinsamkeit schon auf. Der Reigen der Piraten reicht vom plumpen Rohling bis zum eleganten Weltmann und blasierten Aristokraten, vom kleinen Banditen bis zum Admiral und Schöpfer einer Flotte, vom Besitzer einer winzigen Schaluppe bis zum Kommandanten eines 70-Kanonenschiffes, vom haltlosen Spieler bis zum rechtschaffenden Bürger und zum verschrobenen Heiligen, vom Analphabeten bis zum Forscher, Wissenschaftler und Universitätsdozenten, vom zerlumpten Dieb bis zum Advokaten und Richter, vom jämmerlichen Habenichts bis zum millionenschweren Reeder, vom skrupellosen Verbrecher bis zum Sozialreformer und gefeierten Freiheitskämpfer.
Also: für jeden Geschmack ist der passende Held oder Schurke dabei. Das ist der Stoff, aus dem die Rebellionsromantik ist.

Zur Rebellionsromantik kommt die Sozialromantik hinzu: der Freibeuter als "Robin Hood der Meere", der den Reichen nimmt und den Armen gibt. (Wofür es historisch, von einigen Kaperfahrern mit politischer Zielsetzung einmal abgesehen, kaum Beispiele gibt.)
Nehmen wir einmal Deutschlands beliebtesten Seeräuber, Klaus Störtebeker. So ziemlich alles deutet darauf hin, dass er ein rücksichtsloser, brutaler, beutegieriger Typ war, für den ein Leben nicht viel zählte. Die "Vitalienbüder", die "Likendeeler" waren im Grunde nichts anderes als marodierende und plündernde Söldner zur See.
Der Schlüssel zur sozialromatischen Legende vom edlen Rebellen, der die reichen "Pfeffersäcke" plünderte (ein Spottname, der erst gut 200 Jahre nach Störtebeker gebräuchlich wurde) und der der armen Landbevölkerung nach Kräften half, ist meiner Ansicht nach dieses eine Wort: "Likendeeler" - "Gleichteiler".

Gemeint war natürlich die "Gleichteilung" der Beute. Diese "Gleichteilung" war auch typisch für die Boucanniers, Flibustiers, "Brüder der Küste" der Karibik im 17. Jahrhundert. Alexandere Olivier Exquemerlin, der nicht ganz freiwillig als "Chirurgus" (Feldscher - "Knochenflicker" und Heilpraktiker) um 1670 auf karibischen Freibeuterschiffen fuhr, beschrieb in seinem Buch die Regeln der Beuteteilung:
Jedes Besatzungsmitglied hatte Anspruch auf einen gleich großen Beuteanteil. Nur der Kapitän erhielt zwei Anteile, die Schiffsjungen einen Halben. Bevor "der Pott" aufgeteilt wurde, gingen die Entschädigungen für die Versehrten ab, die von 100 Golddublonen für den Verlust eines Fingers bis zu 1800 Dublonen für den Verlust beider Hände gingen. Außerdem gab es garantierte Anteile für den Schiffsarzt (250 Dublonen), für den Schiffszimmermann (100 - 150 Dublonen), für den Mann, der das Beuteschiff zuerst gesichtet hatte (100 Dublonen) und für den, der die fremde Flagge niederholte (50 Dublonen). Der Anteil der Gefallenen wurde an die nächsten auffindbaren Angehörigen gezahlt.
Damals dachte kein Staat und kein Privatunternehmen an derartige Regelungen, wie die, die sich die "Ausgestoßenen der Gesellschaft" leisteten. Allenfalls bei den Knappen in den Bergwerken und bei einigen handwerklichen Bruderschaften gab es bescheidene Ansätze in diese Richtung.
Außerdem ging es unter den "Brüdern der Küste" sehr demokratisch zu. Kapitän und Offiziere wurden von der Bordgemeinschaft gewählt und waren jederzeit absetzbar. Freiwillige Selbstdiziplin machte die bei den Kriegsmarinen üblichen harten Strafen (meistens) überflüssig. Betrügereien bei der Beuteverteilung waren nicht häufiger als bei bürgerlichen Handelsgesellschaften.
Es war letzten Endes der enorme äußere Druck und der Umstand, dass der Betrieb eines Schiffes dauernde "Teamarbeit", Organisation und Diziplin erforderte, die zu quasi-kommunistischen Schiffsgemeinschaften führte. Jeder wuße, was auf dem Spiel stand: Wohlstand oder Tod. Jeder war auf den Anderen angewiesen.

Es war wohl die überlieferte außerordentliche gruppeninterne Solidarität und Gerechtigkeit bei einigen Freibeutergemeinschaften, die das Volk an Land, das von sozialer Gerechtigkeit, politischer Mitbestimmung und Wohlstand für alle nur träumen konnte, so beeindruckte. Ich nehme an, dass diese gruppeninterne Gerechtigkeit der "Gleichteiler" dazu führte, dass die Piraten ganz allgemein, also auch nach außen hin, als "Streiter für die Gerechtigkeit" galten. Und das, obwohl selbst die "Brüder der Küste" außerhalb ihrer verschworenen "kommunistischen" Gemeinschaft skrupellos raubten und plünderten - und darunter die "einfachen Leute" an Bord der überfallenen Schiffe mehr litten, nämlich mit Leib und Leben, als die "Pfeffersäcke" im trockenen und sicheren Kontor, die schlimmstenfalls einen außerordendlichen Verlust verbuchen mußten.
Waren die "Brüder der Küste" nach innen hin quasi "kommunistisch", so agierten sie nach außen so skrupellos anarchokapitalistisch, das jedem "Libertären" das Herz im Leibe lachen müßte. Beim Handeln und Hehlen auf Tortuga und später in Port Royal auf Jamaica, herrschte absolute Vertragsfreiheit (und meistens sogar Vertragstreue), andere Gesetze wurden schlicht ignoriert - nach "sozialer Gerechtigkeit" oder "politischen Verhältnissen" fragte niemand, die "Machtfrage" stellte sich nicht, und freigiebig waren Freibeuter fast nie - wenn ein typischer Pirat seinen Beuteanteil unter den Armen verteilte, dann nur, damit die in der Jacke eingenähten Dublonen nicht so auftrugen.
Freibeuter waren in der Tat Freiheitskämpfer - aber nur für ihre eigene Freiheit.

Zum Weiterlesen: Aufsatz über "Piratenutopien" aus anarchistischer Sicht, geht auch auf den in im Kommentar erwähnten "Piratenstaat" Libertatia ein: do or die: Pirate Utopias

Dienstag, 27. Juni 2006

Der Piratenjäger, der Astronom und die nationale Identität

Dieser vielkommentierte Thread beim Don: Deutsch als Deppenbegriff, in dem der Don übrigens sehr anschaulich den Nationalitätsbegriffs als Konstrukt entlarvt, regt mich an, ein wenig über den Begriff "Ausländer" und den verbreiteten Hang, heutige Sichtweisen in frühere Epochen zu projezieren.

In Hamburg gibt es eine Simon-von-Utrecht-Straße, die in etwa parallel zur einer erheblich bekannteren Straße, der Reeperbahn, verläuft. Der Name Simon von Utrechts ist mit der eines erheblich bekannteren Mannes verknüpft, nämlich mit dem Klaus Störtebekers. Wobei van Utrecht, im Gegensatz zu seinem gleichnamigen Sohn, dem Schiffshauptmann und nachmaligen Bürgermeister Simon van Utrecht, keinesweg selbst Flotten gegen Piraten führte. Der wohlhabende niederländische Tuchhändler Simon van Utrecht hatte um 1400 das Hamburger Bürgerrecht erhalten und sozusagen als "Einstand" zwei Kriegsschiffe zur Bekämpfung der in der Nordsee den hansischen Handel störenden "Vitalienbrüder" finanziert. Diese Schiffe gehörten zu jener Flotte, die 1401 den legendären Seeräuber Klaus Störtebeker, gefangennahm. Wohl in Verwechslung mit van Utrecht jr. galt er in der Legende als "Piratenjäger" und "Bezwinger Störtebekers".
Nun gibt es Menschen, die der "Ausländerfeindlichkeit" entgegen treten wollen und deshalb betonen, der "berühmte Hamburger Seeheld" van Utrecht (schließt wohl beide Simons ein) wäre ein Ausländer bzw. ein Einwanderer gewesen.

Welch ein Anachronismus! Und das nicht nur, weil der "moderne" Nationalitätsbegriff sich erst um 1800 herausbildete.

1401 gab es ein Gebilde irgendwo zwischen Staatenbund und Bundesstaat namens "Heiliges Römisches Reich", später auch "Heiliges Römisches Reich deutscher Nation" genannt, wobei "Nation" nicht ganz dem entspricht, was wir seit dem 19. Jahrhundert darunter zu verstehen pflegen. Aber lassen wir das. Enstscheidend ist, dass die Städte Hamburg und Utrecht, mutmaßlicher Heimatstadt des Simon, beide zum diesem "Heilige Römischen Reich" gehörten. Außerdem gehörte beide Städte zu einem wirtschaftlich und politisch bedeutsamen Städtebund, der Hanse. Politisch gesehen kam der Tuchhändler Simon also aus einer befreundeten Stadt des selben lockeren "Reiches", zum dem auch Hamburg gehörte.
Aber gehörte nicht trotzdem einem anderen "Volk" an, als die deutschen Hamburger? Ein Hamburger um 1400 wird darüber nur den Kopf geschüttelt haben. Ob jemand Landsmann war, entschied sich damals erst einmal danach, wessen Untertan er war. Das hieß im Falle Hamburgs: in dem Moment, in dem jemand Bürger war, war er auch Landsmann. Ob er zum selben "Volk" gehörte, entschied sich daran, welche Sprache er sprach und welchen Sitten er im Alltag folgte. Nun sprach man in Hamburg damals Niedersächsisch und in Utrecht Niederfränkisch. Nach heutigen Begriffen ist beides "Plattdeutsch" - noch heute kann jemand, der modernes Niederländisch spricht, modernes Plattdeutsch verstehen, obwohl sich beide Sprachen auseinanderentwickelt haben. Damals sprach ein Utrechter für einen Hamburger nur eine andere Mundart der eigenen Muttersprache. Anderseits: wenn ein Hamburger Kaufmann seinem Geschäftsfreund in Augsburg schreiben wollte, dann schrieb er nicht selten auf Latein (oder ab Mitte das 15. Jahrhunderts Italienisch - deshalb die vielen italienischen Lehnwörter im Handelsdeutsch, von Filiale über Netto und Konto bis Bankrott).
Ein Plattdeutsch sprechender Hamburger konnte sich, ohne die Fremdsprache "bayrisches Hochdeutsch" gelernt zu haben, nicht mit einem Augsburger unterhalten! Tatsächlich galten die Augsburger Fugger den hansischen Kaufleuten in Lübeck, Hamburg, Danzig usw. im 16. Jahrhundert als lästige ausländische Konkurrenz. Der Hansekaufmann aus Stockholm, Riga oder Utrecht war dagegen "einer von uns".

Noch ein Fallbeispiel, und zwar eines, über das sich Polen und Deutsche noch heute in die Haare geraten können: Die Nationalität des berühmstesten aller Astronomen, Nicolaus Copernicus. War er Pole oder Deutscher?
Seine Heimatstadt Thorn war einerseits Hansestadt, andererseit hatte sie sich kurz vor seiner Geburt unter die Herrschaft des polnischen Königs begeben - Kopernikus (so die deutsche Schreibweise) war also polnischer Untertan. Im Polnischen wird er Mikołaj Kopernik genannt. Anderseits ist die verbeiteteste nicht lateinisierte Form des Namen Copernicus Koppernigk - schon wegen der in slawischen Sprachen nicht vorkommenden Konsonantenverdopplung ein "deutscher" Name. Kopernikus schrieb fast ausschließlich lateinisch, es existieren aber auch einige Briefe in deutscher Sprache, aber keine in Polnisch. Auf der anderen Seite handelte Kopernikus sein Leben lang wie ein polnischer Kirchenmann. Er verhandelte für den König von Polen mit dem Hochmeister der Deutschritterordens und war bereit, die Burg von Allenstein gegen die Deutschritter zu verteidigen. Andererseits verkehrte er hauptsächlich mit deutschen Gelehrten.

In "modernen" Begriffen war Kopernikus vermutlich ein Pole deutscher Muttersprache, der möglicherweise nicht einmal polnisch sprach. Was in den Begriffen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts ein Unding war, zumindest bei einem "Mann von Stande". Der Nationalitätsstreit beruht darauf, dass ein Begriff von Nationalität in das 16. Jahrhundert zurückprojeziert wurde, in dem er noch gar nicht existierte.
Hätte man Kopernikus selber nach seinem Heimatland gefragt, hätte er wahrscheinlich "ich bin Ermländer" geantwortet. Denn das Fürstbistum Ermland war seine Heimat - und das Land seines unmittelbaren Landesherren. "Polen" war der Herrschaftsbereich des polnischen Königs und "Deutsch" eine Sprache.

Samstag, 17. Juni 2006

Mehr Klarheit über germanische Waffenfunde in Nordeuropa

Die Archäologie kann germanisch-römische Kriegsfunde in Nordeuropa immer besser einordnen. Der modernen Forschung gelinge es, die Funde besser als bisher zu interpretieren. Dies ist eines der Ergebnisse einer internationalen Fachtagung von rund 100 Archäologen aus neun Ländern, die vom 15. bis 18. Juni auf Schloß Gottorf im Archäologischen Landesmuseum in Schleswig stattfand.

Die Tagung ist Teil eines dänisch-deutsches Projektes, das im Mai 2005 begann. Insgesamt rund drei Millionen Euro werden bis 2009 in die Erforschung und Präsentation der Fundstücke sowie die Weiterbildung von Experten investiert. Das Geld kommt großteils von der dänischen Carlsberg-Stiftung und vom Europäischen Sozialfonds zur Förderung junger Wissenschaftler.

Rund 25 000 in Mooren versenkte Opfergaben aus Zeit zwischen 400 v.u.Z . bis ca. 600 u. Z. wurden im nordgermanischen Raum zwischen Nordschweden und Jütland gemacht; zu den bekanntesten Fundstätten gehört das Opfermoor von Thorsberg in Angeln (bei Schleswig) . Überwiegend sind es Waffen und andere soldatische Utensilien.
Germanische Sitte war es, erbeutete Waffen in Mooren als Opfergabe zu versenken. Zuvor wurden die Waffen meistens unbrauchbar gemacht. Allerdings machten die Germanen von diesem Brauch bei besonders wertvollen Waffen offensichtlich gerne Ausnahmen. Vor allem Waffen keltischen und später römischen Ursprungs wurden gerne weiterverwendet. Römische Waffen dienten germanischen Waffenschmieden des 2. und 3. Jahrhunderts u. Z. als Vorbild und wurden täuschend echt nachgebaut.

Quelle: www.schloss-gottorf.de

Mittwoch, 31. Mai 2006

Die untergegangene Seeschlacht

Heute vor 90 Jahren, am 31.Mai und 1.Juni 1916, wurde auf der Nordsee eine der gewaltigsten "Materialschlachten" des 1. Weltkriegs geschlagen, die größte Seeschlacht des Ersten Weltkriegs und die größte Flottenschlacht zwischen Großkampfschiffen - die "Skagerrakschlacht" (engl. "Battle of Jutland"). Sie kostete 6.094 britischen und 2.551 deutschen Seeleuten das Leben. Und sie geht, zumindest in den meisten deutsche Geschichtsdarstellungen, buchstäblich unter. Selbst in einigen Spezialwerken über den 1. Weltkrieg sucht man sie vergebens.

Zum Verlauf der Schlacht verweise ich auf den hervorragenden Artikel in der "Wikipedia": Skagerrakschlacht. Obwohl die Skagerrakschlacht in gewisser Hinsicht "unentschieden" verlief, gehört sie zu den entscheidenden Ereignissen des 1. Weltkriegs: sie war das logische Ergebnis der von Weltmachtstreben und Wirtschaftsneid auf deutscher Seite, und geradezu paranoider Angst um den Bestand des "Empire" auf britischer Seite geschürten deutsch-britischen "Flottenrivalität", ohne die der 1. Weltkrieg möglicherweise gar nicht ausgebrochen wäre. Dabei wies die von Großadmiral Tirpitz federführend bestimmte deutsche Flottenrüstung zunehmend irrationale Züge auf - sein "Abschreckungskonzept" einer "Risikoflotte" hätte eine Flotte von mindestens 2/3 der britischen Flottenstärke erfordert, was schon allein von der deutschen Industriekapaziät her nicht möglich gewesen wäre. Zudem hatte Britannien aus geographischen Gründen in einem Seekrieg die erheblich besseren Karten. Churchills Ausspruch von der deutschen "Luxusflotte" traf den Nagel auf den Kopf. Mit einiger Übertreibung kann man sagen, die aus deutscher Sicht strategisch völlig wirkungslose Skagerrakschlacht wurde von Tirpitz gewissermaßen herbeigeplant. Allerdings war die britische Flottenpanik von 1908 ebenfalls strategisch-rational nicht erklärbar. In gewisser Weise war die Flottenrivalität ein "Kräftemessens" der miteinander konkurrierenden Industrien Deutschlands und Großbrittanniens, zu Lasten der jeweiligen Steuerzahler: Eine perverse "Leistungsschau" von Krupp und Borsig gegen Vickers und Armstrong, Blohm + Voss gegen Portsmouth Dockyard usw. - die Flottenrüstung vor dem 1. Weltkrieg ist ein frühes Beispiel des Wirkens eines militärisch-industriellen Komplexes.

Ich teile nicht die Einschätzung des "Wikipedia"-Artikels vom deutschen taktischen Sieg und britischem strategischen Sieg. Tatsächlich gelang es keinem der Gegner, seine strategischen Ziele zu verwirklichen: Hätte z. B. die britischen Flotte die deutsche "in ihr nasses Grab geschickt", wäre der 1. Weltkrieg völlig anders verlaufen. Z. B. wäre anstelle der Fernblockade einer weitaus wirksamere Nahblockade der deutschen Küsten möglich gewesen, auch der deutsche U-Boot-Krieg hätte bei absoluter britischen Seeheerschaft nicht geführt werden können, und eine unter dem Schutz der britische Flotte landende Interventionsarmee hätte unter Umständen den militärischen Zusammenbruch Russlands verhindern können - so blieb "dank" der intakten deutschen Kriegsflotte die Ostsee ein "deutscher Teich". Eine empfindliche Schwächung der britischen Flotte wäre anderseits für das auf seine Seeverbindungen zwingend angewiesene Großbritannien verheerend gewesen. Übrigens reklamierten beiden Seiten den Sieg für sich - auf deutscher Seite vor allem mit einer makaberen Aufrechnung der jeweilige Verluste, die an die "Bodycount"-Praktiken des Vietnamkrieges erinnern. (6.094 Tote
14 gesunkene Schiffe mit 115.025 ts (darunter 3 Großkampfschiffe der "Dreadnought"-Kategorie)auf britischer Seite, "nur" 2.551 Tote 11 gesunkene Schiffe mit 61.180 t (davon ein Großkampfsschiff) auf deutscher Seite - bei zahlenmäßiger Unterlegenheit der deutschen Flotte - 151 britische Schiffe, davon 37 Großkampfschiffe gegen 99 deutsche, davon 21 Großkampfschiffe.)

Der Kieler Matrosenaufstand, der die deutsche Novemberrevolution von 1918 einleitete, kann meiner Ansicht nach ohne die Erfahrung der Skagerrakschlacht nicht richtig verstanden werden.
Vieleicht liegt hier die tiefere Ursache dafür, dass eine der größten Schlachten des 1. Weltkriegs in deutschen Geschichtsbüchern und mehr noch im deutschen Geschichtsverständnis so sehr "unterging". Für die bis 1945 dominierende und auch später in der BRD einflußreiche "rechte" Geschichtsaufassung ist die Novemberrevolution ein "Verbrechen vaterlandsloser Gesellen", der Matrosenaufstand (in jener Kreise meist "Meuterei" genannt) das Werk "roter" Agitatoren - wenn nicht über diese "peinlichen Ereignisse" völlig geschwiegen wurde. Da man selbst unter Nationalisten nach der Niederlage von 1918 nicht mehr so recht an den "Seesieg vom Skagerrak" glauben wollte, taugte die ganze kaiserliche Marine, von einzelnen Kreuzer- und U-Booterfolgen abgesehen, nicht mehr für glorifizierte Geschichtsbilder.
Aber auch das "linke" Geschichtsbild wird manchmal weder den aufständische Seeleuten noch den Marineoffizieren gerecht. So schrieb z. B. Bernt Engelmann in seinen "Anti-Geschichtsbuch" Einig gegen Recht und Freiheit:
Hinzu kamen Anfang November erst eine Meuterei, dann ein bewaffneter Aufstand der Matrosen der kaiserlichen Hochseeflotte. Die Mannschaften der Kriegmarine verhinderten auf diese Weise die Ausführung eines wahnwitzigen Befehls ihrer Admirale, die ihre bis dahin sorgsam geschonten Schiffe zu einem >letzten Gefecht< auslaufen und mit wehender Flagge untergehen lassen wollten.
Die deutschen Schiffe wurden keineswegs "sorgsam geschont"!
Nach der mörderischen und wenig erfolgreichen Skagerrakschlacht suchten beide Seite nicht länger die "Entscheidungsschlacht". So näherten sich beide Flotten z.B. am 19. August 1916 bis auf 30 Seemeilen, ohne dass es zu einem Gefecht kam. Im Oktober 1916 gab es einen deutschen Vorstoß zur Doggerbank, ohne dass eine englische Reaktion erfolgte. Ein Grund für die Vorsicht war, das jedes Großkampfschiff für sich so kostspielig war wie eine komplette Armeedivision - also selbst eine siegreiche Seeschlacht angesichts der absehbaren Verluste ein buchstäblich zu teuer erkaufter Sieg gewesen wäre. Vom Prestigewert ganz abgesehen. Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg der Kaiserlichen Marine, der die Entscheidung zur See herbeiführen sollte, band große Teile der Flotte für Geleit- und Minensuchoperationen. Dennoch gab es noch im April 1918 einen deutschen Vorstoß bis zur Höhe Bergen-Shetlands. Zwischen den Einsätzen herrscht vor allem auf den "dicken Pötten" "Gammeldienst" - die meiste Zeit lagen die Kriegsschiffe in permanenter Alarmbereitschaft auf Reede. Zugunsten der schwer kämpfenden Landtruppen wurden die Essensrationen der "weniger hart kämpfenden" Seeleute gekürzt. Außerdem blieb es den Matrosen nicht verborgen, dass der Krieg 1918 faktisch längst verloren war.
Admiral Hippers Plan einer "Entscheidungsschlacht" war keineswegs selbstmörderisch-heroisch, sondern eiskalt kalkuliert: Ein Mißerfolg hätte nach Ansicht der deutschen Admiralität der deutschen Position bei Kriegsende nicht geschadet, währende eine empfindliche britische Niederlage (mit Durchbrechung der Blockade) die britische Verhandlungsposition geschwächt hätte. Die Matrosen, die spätestens seit der Skagerrakschlacht wußten, was eine Seeschlacht bedeutete, sahen nicht ein, Leib und Leben für strategische "Spielchen", für eine militärische Ehre, die nur dem Offizierskorps zugänglich war und für im besten Falle eine weniger totale Niederlage, zu riskieren. Im gesamtpolitischen Rahmen handelte die Seekriegsleitung eigenmächtig: Die Initiative ging von der Marineleitung aus, ohne die politischen Entscheidungsträger zu konsultieren. Eine Schlacht hätte außerdem die Friedensbemühungen der Regierung sabotiert - selbst wenn sie glimpflich verlaufen wäre, hätte sie den Krieg verlängert.
Beide Seiten waren politisch motiviert; es war kein Zufall, weshalb aus der kaiserlichen Marine sowohl die "linken" Matrosenbrigaden wie viele der "rechten" Freicorps hervorgingen.

Montag, 1. Mai 2006

Von beliebten Maibäumen und beliebten Geschichtsklischees

Mein lieber Mai, wie schon seit Jahrzehnten ("neuerdings") entdeckt die Presse bei passender Gelegenheit wieder mal, dass "neuerdings" altes und neues folkloristisches "Brauchtum" "wieder beliebter" wird. Anlaß dieses von zahlreichen Zeitungen übernommenebn dpa-Artikels war die prosaische Mitteilung des Hauptverband der Deutschen Holzindustrie, dass dieses Jahr rund 38 000 Maibäume aufgestellt werden, so viele wie schon seit Jahren (wie vielen Jahren?) nicht mehr.
Maibäume wieder beliebter

So eine holzige Nachricht paßt nicht zum Frühlingsfest, das der 1. Mai außer dem "Kampftag der Arbeiterklasse" bzw. der passenden Gelegenheit für Gewerksschaftsfunktionäre, Basisnähe zu demonstrieren / vorzutäuschen, ja immer war und ist. Also fragt man einen Volkskundler. Und der hat in der Tat Interessantes zu vermelden:
Entgegen weit verbreiteter Meinung wurzelt der Maibaum aber nicht in germanisch-heidnischen Bräuchen. "Das ist alles Unfug und Fantasiererei", erläuterte Döring. So gehe auch die Geschichte, bei den Germanen habe der 1. Mai als Hochzeitstag Wotans und der Göttin Freia gegolten, auf die "nationalromantische Mythologie" des 19. Jahrhunderts zurück. Damals sei krampfhaft versucht worden, Bräuche auf die germanisch mythische Vorzeit zurückzuführen.
So weit, so gut. Nun aber kommts:
Der 1. Mai sei eigentlich erst durch den fränkischen König Pippin im 8. Jahrhundert zu etwas Besonderem geworden. Dieser habe die Heerschau vom 1. März auf den 1. Mai verlegt. Im Anschluss daran wurden Ritterspiele ausgetragen und auf den Plätzen ein Baum errichtet, als Mittelpunkt und Zeichen dieser Feste, erklärte Döring. Dies sei vermutlich die historische Wurzel des Maibaums. Seit dem 13. Jahrhundert seien so genannte Mairitte oder Maiumzüge bekannt. Dabei seien die Wege mit frischem Grün geschmückt worden. Auch in der Minnelyrik hätten Maibaum und frisches Grün als Zeichen für die Liebe dem Forscher zufolge Eingang gefunden.
Äh, mhm - also der König Pippin war's also. (Welcher? Pippin war unter den Karolingern ein überaus beliebter Name! Nehmen wir mal an, das "Pippin der Kurze" gemeint ist, der mit "Bertha der Großfüssigen" einen Sohn hatte, der als "Karl der Große" in die Geschichtsbücher einging.) Wobei Urkunden aus dem frühen Mittelalter mit Vorsicht zu genießen sind, gerade wenn ihnen irgend einem Herrscher irgend etwas Volkstümliches zugeschrieben wird. Nebenbei: "Ritterspiele" wären für das 8. Jahrhundert anarchronistisch, jedenfalls wenn man darunter so etwas wie die hoch- und spätmittelalterlichen Tourniere vorstellt. Selbst wenn die historische Anekdote wahr sein sollte: Wie und warum kam Pippin dann ausgerechnet auf die Idee mit dem Baum?

Döring hat damit recht, dass die Nationalromantiker des 19. Jahrhunderts krampfhaft versuchten, Bräuche auf die "germanisch mythische" Vorzeit zurückzuführen. Sogar bei an sich seriösen Forschern wie Jakob Grimm ("Die deutsche Mythologie") finden sich Mutmaßungen zur frühgeschichtlichen Herkunft vielen Volkbräuche, die einer kritischen Überprüfung nicht standhalten. Allerdings muß man Grimm zugute halten, dass er Vieles noch nicht wissen konnte, und das er keineswegs, wie die "völkischen" Germanentümler des 19., 21. und frühen 21. Jahrhunderts, alles und jedes den "alten Germanen" zuschrieb. Slawische und baltische Mythologien flossen in seine Betrachtungen ebenso selbstverständlich ein wie indische, altgriechische oder hebräische Überlieferung.
Anders bei den Nationalromantikern, die in der Tat alle "fremdländischen Bräuche" aus dem "deutschen Volkskörper" entfernen wollten - und wenn ein Brauch tief im Volke verwurzelt war, dann mußte er nach "völkischer" Überzeugung notwendigerweise germanisch sein, egal, wie viele Quellen in die römische, keltische, slawische oder - der Horror jedes "Nationalromatikers" vom rechten Schrot und Korn! - in die jüdische Richtung wiesen.

Was den Maibaum angeht, fehlen meines Wissens Quellen oder archäologische Hinweise darauf, dass seine Vorgänger einst zu Ehren Wotans und Freias errichtet wurden. Allerdings: Ausschließen läßt's sich auch nicht, entsprechende unbewiesene Mutmaßungen sind eben unbewiesene Mutmaßungen, und nicht von vornherein "Unfug und Fantasiererei".
Was es allerding gab (und gibt!) war das keltische Frühlingsfest Beltaine, begangen am 2. Frühjahrsvollmond oder am 30. April und 1. Mai.
Es fand Eingang in die irokeltische Kirche, mitsamt einigen Bräuchen, in deren Mittelpunkt unzweideutig die Fruchbarkeit - sowohl der Äcker wie der Lenden - stand. Selbst überzeugte Nicht-Freudianer werden im Maibaum unschwer ein zu diesem Anlaß angemessenes Phallus-Symbol erkennen.
Es ist leicht erklärbar, wie ein keltischer (und im Kern heidnischer) Brauch in das mittelalterliche Deutschlang gelangen konnte: Einmal durch irokeltische und durch Irokelten beeinflußte angelsächsische Missionare. Zum Anderen auch durch keltische Traditionen, die in römischer Zeit "überlebt" hatten - westlich des Rheins und südlich der Donau herrschte auch nach dem Abzug der Legionen eine "gallorömische" Bevölkerung - im wesendlichen romanisierte Kelten - vor. (Während die "Germanen" auf der anderen Seite des ehemaligen Limes zum Teil germanisierte Kelten gewesen sein dürften.)

Wenn der gute König Pippin tatsächlich seine Heerschau vom 1. März (dem traditionellen Termin nach römischer Tradition) auf den 1. Mai verlegte, dann werden ihn nicht nur praktische Gründe, z. B. das Wetter, dazu bewegt haben. Für einen "Heerschautermin" liegt der 1. Mai nämlich eigentlich zu spät, von Karl "dem Großen" ist z. B. bekannt, dass er seine Feldzüge gerne möglichst früh im Jahr startete.

Die Vorstellung, bestimmt Bräuche unbedingt auf bestimmte "große" historische Persönlichkeiten zurückführen zu wollen, ist meiner Ansicht nach ebenso fragwürdig, wie die nationalromantische Alles und Jedes auf die "alten Germanen" zurückführen zu wollen. Dahinter steckt die Vorstellung, dass Alles und Jedes irgendwann einmal "von oben herab" eingeführt wurde.

Was gerade in der nationalistischen Geschichtsschreibung gang und gebe war. Das klänge im Fall "1. Mai" dann so.
"Ein deutscher König - nun gut, Pippin war fränkischer König - also: ein ur-deutscher König führt ein wahrhaft deutsches Fest ein!" (Weitergesponnen, im Sinne des deutsch-nationalen Militärkultes: "Diese gross-arrtige Trraddizzionn stammtt selpstt-verrrstänt-lich von einerr Heerrschau herr, ja-woll!")

Samstag, 29. April 2006

Keltengarten und Keltentempel

In Steinbach am Donnersberg (Rheinland-Pfalz), wurde 2004 ein aus sechs originalgetreuen Gebäuden bestehehendes Keltendorf eröffnet. Es ist die Rekonstruktion eines typischen Flachlanddorfs der "spätkeltischen" Zeit unmittelbar vor der Eroberung durch die Römer. Besucher können sich dort nach Anmeldung über das Leben der Kelten informieren und sich unter anderem im Bogenschießen oder Lehmbau üben. Am Donnersberg befand sich eine der mit ca. 8 km Umfang größten keltischen Ringwallanlagen.
Keltendorf Steinbach
Am 29. April erhielt das Freilichtmuseum eine einmalige neue Attraktion: den "Keltengarten", ein Projekt des Naturschutzbundes. Auf einer über sechs Hektar großen Fläche wurden Pflanzen angebaut, die von den Kelten für Heilzwecke, in der Küche sowie zur Herstellung oder zum Färben von Textilien verwendet wurden. Auf Schautafeln wird über die Bräuche und Lebensgewohnheiten der vorrömischen Kelten informiert. In einer Allee der "magischen Bäume" wurden Baumarten gepflanzt, die zur Zeit der Kelten vor mehr als 2.000 Jahren heimisch waren.
sdr:"Keltengarten" lädt ein

Aus etwa der gleichen Zeit vor etwas über 2000 Jahren stammt eine "gallorömische" Tempelanlage auf dem Martberg bei Treis-Karden an der Mosel. Sie wurde noch in vorrömischer Zeit errichtet und in römischer Zeit weitergenutzt.
Am Samstag, dem 29. April 2006 wurde die Rekonstruktion zweier Bauten der Anlage eröffnet: der zentrale Haupttempel und eines der zahlreichen kleineren Nebengebäude.
2000 Jahre alte Kultstätte wieder aufgebaut

Samstag, 8. April 2006

Wenn Rommel gesiegt hätte: Holocaust in Palästina

Eine der beliebtesten Strategien auf die Wehrmachts-Nostalgiker verfallen, wenn die Rede auf "Verbrechen der Wehrmacht" kommt, ist das "Eröffnen der Afrika-Front": Schließlich wäre "Wüstenfuchs" General Rommel ein untadeliger Soldat, fähiger Stratege und fairer Kämpfer gewesen (was nebenbei ein Schlaglicht darauf wirft, was selbst Wehrmachts-Fans mutmaßlich von anderen Wehrmachts-Generälen halten). Jedenfalls hätte es beim Afrika-Corps keine "Schweinereien" gegeben - "Schweinereien" ist ein gängiger Euphemismus für Kriegsverbrechen.

Der einzige Grund, weshalb es an der Afrika-Front nicht zu "Schweinerei" ungeheuren Ausmaßes, zu einem Vernichtungskrieg ähnlich dem an der "Ostfront" kam, liegt darin, dass Rommels Afrikakorps rechtzeitig geschlagen wurde!
Wie neue Forschungen des Leiters der renommierten NS-Forschungsstelle Ludwigsburg, Klaus-Michael Mallmann, und seines Mitarbeiters Martin Cüppers ergaben, hielt sich zur Ermordung der rund 500 000 nach Palästina geflohenen Juden ab Sommer 1942 ein Einsatzkommando in Athen in Bereitschaft, das dem Afrika-Korps General Erwin Rommels unterstellt war.

Nur die Niederlage des "Wüstenfuchses" gegen die britische Armee in der Entscheidungsschlacht um El Alamein Ende Oktober/Anfang November 1942 habe den Massenmord verhindert, heißt es in der jetzt veröffentlichten Studie "Deutsche, Juden, Völkermord", die in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt erschien.
Aus dem Abendblatt vom 8.April 2006:Hitlers Plan: Holocaust in Palästina

Zwar hätten auch in diesem Fall meistens "andere", also keine regulären Truppen, die "Drecksarbeit" des Massenmordes übernommen, aber die Wehrmacht hätte nach bewährten Muster den Weg gebahnt und den Killer-Kommandos den Rücken freigehalten. Interessant ist, dass die Schreibtischtäter des Massenmordes offenbar auf willige einheimische Vollstrecker bauen konnten:
Den Recherchen der Historiker nach sollte das "Einsatzkommando Ägypten" nach dem Muster der berüchtigten NS-Einsatzgruppen in Osteuropa vorgehen, die Hunderttausende Menschen erschossen oder mit mobilen Gaskammern erstickten. "Zentrales geplantes Betätigungsfeld der Truppe war die Realisierung der Shoah (des Holocaust) in Palästina", schreiben die Autoren. Als Kommandeur sei SS-Obersturmbannführer Walter Rauff benannt worden, berichten die Wissenschaftler, die sich auf Dokumente aus dem Archiv des Auswärtigen Amtes stützen.

Die "mobile Todesschwadron" mit zunächst 24 Mitgliedern habe den Auftrag gehabt, palästinensische Kollaborateure anzuwerben und sicherzustellen, daß der "von den Deutschen in Gang gebrachte Massenmord fortan lediglich unter deutscher Anleitung reibungslos weiter realisiert werden konnte", schreiben Mallmann und Cüppers.

Die Deutschen konnten sich dabei auf den Judenhaß des palästinensischen Muftis von Jerusalem, Amin al-Husseini, verlassen. Husseini, ein Verwandter des späteren Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat, intervenierte im deutschen Außenministerium, um "die jüdisch-nationale Heimstätte in Palästina" zu verhindern.
Ob Rommel, bei aller unbestreitbaren persönlichen "Anständigkeit" (die ihn in eine gewisse Opposition zu Hitler brachte - zum Widerstand langte es leider nicht), im Falle eines siegreichen Afrika-Feldzuges "sauber" geblieben wäre, ist durchaus zu bezweifeln. Nicht zu bezweifeln ist das breite Bündnis zwischen "palästinensischen Widerstandskämpfern" mit deutschen Vernichtungsantisemiten; es kann gut sein, dass der noch heute z. B. in der Charta der Hamas nachweisbare Vernichtungsantisemitismus ursprünglich "Made in Germany" ist. Das Demokratie-Dilemma

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