Überwachungsgesellschaft

Donnerstag, 8. November 2007

Was tun?

Es ist besser nicht auf ein "Wunder" im Bundestag am Freitag zu hoffen.

Deshalb: Verfassungsbeschwerde gegen die geplante Vollprotokollierung der Telekommunikation einreichen, und zwar hier:
https://verfassungsbeschwerde.vorratsdatenspeicherung.de/

Diese Mitbeteiligung kostet nichts, weder jetzt noch hinterher, egal wie das Ergebnis ausfällt!

Dienstag, 6. November 2007

Jornalisten mit Rückrat

Journalisten gehören zu den Hauptleidtragenden der Vorratsdatenspeicherung. Der Informatenschutz wird ausgehöhlt, wie man am Beispiel Belgiens sehen kann, wo "dank" Vorratsdatenspeicherung investigative Journalisten es kaum noch wagen, mit Informanten zu telefonieren. Trotzdem verdrängt, verschweigt und verniedlicht die breite Mehrheit der deutschen Medien das Problem, das sie so unmittelbar betrifft. Vielleicht ist der Einfluss der Redaktionen, auf das, was letztes Endes gedruckt oder gesendet wird, sehr viel kleiner als gemeinhin angenommen wird. Wenn das so ist, sieht es mit der Pressefreiheit schon ganz schön finster aus.
Journalistenverband warnt vor "katastrophalen Folgen" durch Vorratsdatenspeicherung.

Ein Lichtblick ist diese die aus Protest gegen die Vorratsdatenspeicherung geschwärzte Titelseite des Donaukuriers. Leider eine Ausnahme.

Worum es geht:
Journalisten müssen über ihre Quellen keine Auskunft geben. Dieses Zeugnisverweigerungsrecht bezieht sich sowohl auf Inhalte als auch auf Menschen.
Nur wenn Informanten sicher sein können, dass ihre Identität geheim bleibt, können Journalisten eine Kontrollfunktion gegenüber dem Staat ausüben, indem sie mit Hilfe ihrer Informanten beispielsweise Skandale aufdecken. Das fängt damit an, dass Informanten ihren Arbeitsplatz riskieren, wenn sie Journalisten über Korruption oder ähnliche Delikte in ihrem Unternehmen informieren und geht bis zu Gefahren für Leib und Leben, wenn sich etwa "Insider" krimineller Vereinigungen Journalisten anvertrauen.
Aus dem letzten Beispiel wird klar, dass das Zeugnisverweigerungsrecht mit den Interessen der Strafverfolgungsbehörden kollidieren kann.

Der Informantenschutz, der eine der tragenden Säulen einer kritischen Berichterstattung ist, wird allerdings durch die Vorratsdatenspeicherung beschädigt - und wie die belgischen Erfahrungen zeigen, ist das leider keine bloße Vermutung: Vertraulichkeit ist eigentlich nur noch unter konspirativen Bedingungen möglich.
Wenn wie geplant die Telekommunikationsdaten aller Bürger in Deutschland ein halbes Jahr lang gespeichert werden, wird das auch hier Informanten abschrecken, die sich dann im Zweifelsfall nicht mehr den Medien anvertrauen. Ich vermute, dass darüber so manche Politiker, Wirtschaftsführer und hohe Beamte sehr froh sein dürften.

Montag, 5. November 2007

Dezentrale Demo gegen Vorratsdatenspeicherung

Es war schon frustrierend: 10.000 Menschen demonstrieren mitten in Berlin gegen die Überwachungsgesellschaft und "keiner" sieht hin. Die verschwiegene Demo. Wer nicht oder nicht richtig hinsah, dass waren die meisten "etablierten" Medien.
Privatleben
Bild: Pantoffelpunk

Morgen gibt es eine dezentrale Demo, d. h. zeitgleiche Demos in vielen großen Städten. Sie hat gegenüber einer zentralen Demonstration zwei Vorteile: es gibt nicht das Problem mit der Anreise (mit der ich bei der Berlin-Demo durchaus zu kämpfen hatte), und auf den Lokalseiten ist erfahrungsgemäß Platz für lokale Demos.

Anlass ist die Bundestagssitzung am 9. November ("dem Schicksalstag der Deutschen") in der der Bundestag die Vorratsdatenspeicherung beschließen will. Demoaufruf

Also: Wem die Freiheit, ohne Überwachung und ohne Angst vor Repression zu kommunizieren, etwas wert ist, möge doch am Dienstag (06.11.) Nachmittag auf der nächstgelegenen Demo erscheinen. Kommt zahlreich und bleibt friedlich! (Auf "Radale" warten unsere Gegner nur, das passt 100 % in ihr Weltbild.)
Es sollen Grablichter, Grundgesetze und ähnliches mitgebracht werden.

Näheres, vor allem Veranstaltungsorte und Treffpunkt, gibt es bei hier: Endspurt! - Stoppt die Vorratsdatenspeicherung!

Bis morgen, 17:30, Rathausmarkt!

Montag, 22. Oktober 2007

Ein Demoaufruf, ein Tipp und ein Hinweis

Am 9. November (ausgerechnet dem "Schicksalstag der Deutschen" - Aufrufung der Republik 1918, Hitlerputsch 1923, Pogromnacht 1938, gescheitertes Attentat gegen Hitler 1940, Fall der Mauer 1989) wird der Bundestag über den "Gesetzesentwurf zur Neugestaltung der Telekommunikationsüberwachung" - und damit über die Vorratsdatenspeicherung - abstimmen.

Deshalb ruft der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ruft unter dem Motto: „Freiheit statt Angst - Für die Grundrechte!" zu bundesweiten Demonstrationen am 6. November 2007 auf: Pressemitteilung des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung vom 22.10.2007.
„Bundesweiter Demonstrationsaufruf zum Stopp der Vorratsdatenspeicherung"

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ruft unter dem Motto „Freiheit statt Angst - Für die Grundrechte!" zu bundesweiten Demonstrationen am 6. November 2007 auf, um die von der Koalition geplante Vorratsdatenspeicherung noch in letzter Minute zu stoppen.

Anlass für die Demonstrationen ist die Abstimmung des Deutschen Bundestags am 9. November über den Gesetzesentwurf zur Neugestaltung der Telekommunikationsüberwachung. Das Gesetz soll ab 2008 für Sicherheitsbehörden rückblickend über 6 Monate nachvollziehbar machen, wer wann mit welchen Adressen das Internet genutzt hat und wer mit wem per Telefon oder E-Mail Kontakt hatte, bei Handy-Nutzung einschließlich des Standorts. Diese Pläne der Regierungskoalition zur Aufzeichnung von Informationen über die Kommunikation, Beziehungen, Bewegung und Mediennutzung jedes Bürgers stellen die bislang größte Gefahr für unser Recht auf ein furchtloses, selbstbestimmtes und privates Leben dar. Wir fordern die Abkehr von diesem verfassungswidrigen Generalangriff auf Bürgerrechte und Datenschutz in Deutschland.

Deshalb rufen wir alle Bürger auf, am 6. November von 17:00 bis 19:00 Uhr mit friedlichen Protesten vor Rathäusern und Regierungsgebäuden für unsere Grundrechte einzutreten. Die Kundgebungen knüpfen an die Berliner Großdemonstration vom 22. September an, welche mit 15.000 Teilnehmern die größte Bürgerrechtsdemonstration seit der deutschen Wiedervereinigung war. Wir wollen die Unverhältnismäßigkeit einer totalen Protokollierung jeglicher Telekommunikation nun in vielen deutschen Städten deutlich machen und appellieren an die Bevölkerung, mit ideenreichen Aktionen, Reden und schweigenden Mahnwachen die Einhaltung des Grundgesetzes von unserer Regierung einzufordern.

Demonstrationen sind bereits in Planung in Berlin, Bremen, Frankfurt am Main, Bonn, Köln, Leipzig, Karlsruhe, München und Münster. Weitere Städte sowie Einzelheiten werden auf der Internetplattform des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung abrufbar sein. Wir rufen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Kundgebungen auf, Grundgesetze, Kerzen, Fackeln oder Grablichter mitzubringen.
Dann einen Tipp: Internetzensur ist leider nicht nur in China ein Thema, sondern auch bei uns. Eine Möglichkeit, gängige Zensurversuche zu umgehen, ist die Verwendung von Open DNS. Eine Anleitung gibt es z. B. beim Chaos Computer Club.

Manchmal hilft es schon, anonym zu surfen, d. H. seine IP-Adresse zu verbergen. Einige Tipps für schnüffelsicheres Surfen und Mailen gibt im Privacy-Handbuch.

Allen, die immer noch glauben, sie hätten nichts zu verbergen und deshalb auch nichts zu befürchten, empfehle ich dringend, mal bei annalist vorbeizusehen. Sie beschreibt, wie der Alltag sieht, wenn man bei unseren Sicherheitsbehörden in den Verdacht gerät, doch mal "etwas" zu verbergen zu haben. (Via udos lawblog.)

Freitag, 12. Oktober 2007

Kommen wir zu einem wirklich wichtigen Preis

Über die zahlreichen Diskussionen, ob Al Gore den Friedennobelpreis verdient hat oder nicht, geht die Verleihung eines wirklich wichtigen Preises unter. Ja, ja, ich bin auch der Ansicht, dass der Friedensnobelpreis für einen Klimaschützer, der bedenklich viel heiße Luft produziert, ein Fehlgriff ist. Aber angesichts solcher Klopse wie der Friedensnobelpreise für Henry Kissinger oder Jassir Arafat halte ich es für verfehlt, von einem "Skandal" oder einer "Schande" zu reden.

Heute wurden in Bielefeld die Gewinner des deutschen BigBrotherAwards bekanntgegeben.

Arbeitswelt:
Der BigBrotherAward 2007 in der Kategorie “Arbeitswelt” geht an die Novartis Pharma GmbH für die Bespitzelung ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die damit verbundene Verletzung grundlegender Persönlichkeitsrechte.

Behörden und Verwaltung:
Der BigBrotherAward 2007 in der Kategorie “Behörden und Verwaltung” geht an die Generalbundesanwältin Monika Harms. Sie erhält den BigBrotherAward für ihre Antiterror-Maßnahmen gegen Gegner des G8-Gipfels im Mai dieses Jahres, insbesondere für die systematischen Briefkontrollen in Hamburg und die Anordnung, bei Gipfelgegnern Körpergeruchsproben aufzunehmen und zu konservieren.

Regional:
Der BigBrotherAward 2007 in der Kategorie “Regional” geht an die Behörde für Bildung und Sport der Freien und Hansestadt Hamburg, vertreten durch Alexandra Dinges-Dierig, Senatorin für Bildung und Sport, für die Einrichtung eines Schülerzentralregisters mit dem (Neben-) Zweck, ausländische Familien ohne Aufenthaltserlaubnis aufzuspüren.

Politik:
Der BigBrotherAward 2007 in der Kategorie “Politik” geht an den Bundesminister der Finanzen, Herrn Peer Steinbrück, für die Einführung einer lebenslangen Steuer-Identifikationsnummer (Steuer-ID) für alle Einwohnerinnen und Einwohner der Bundesrepublik Deutschland.

Kommunikation:
Bundesministerin Brigitte Zypries erhält den BigBrotherAward 2007 in der Kategorie “Kommunikation” für den Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung. Mit diesem Gesetzentwurf soll in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikations-Verbindungsdaten eingeführt werden. Die Bundesinnenministeriun ignoriert damit bewusst die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das bereits 1983 im Volkszählungsurteil festgelegt hatte, dass die Sammlung von nicht anonymisierten Daten zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken mit dem Grundgesetz unvereinbar ist.

Technik:
Der Big BrotherAward 2007 in der Kategorie “Technik” geht an PTV Planung Transport Verkehr AG für ihr System zur individuellen Berechnung der Kfz-Versicherung mittels eines so genannten “Pay as you drive”-Systems, also einem Gerät, das Fahrtroute und Fahrverhalten aufzeichnet und an die Versicherung meldet.

Wirtschaft:
Der BigBrotherAward 2007 geht an die Deutsche Bahn AG, da sie systematisch anonymes Reisen auf vielfältige Art und Weise unmöglich macht: Auflösen von Fahrkartenschaltern, Automaten ohne Bargeldannahme, personalisierter Kauf im Internet, Abfrage/Speicherung des Geburtsdatums und Zwangsabgabe eines Bildes bei Bahncards, flächendeckende Videoüberwachung und ein RFID-Chip in der Bahncard 100 ohne Kunden zu informieren.

Verbraucherschutz:
Internationale Hotelketten in Deutschland z.B. Hyatt, Mariott, Intercontinental etc. für die Erfassung und zentrale Speicherung äußerst persönlicher Daten ihrer Gäste ohne deren Wissen. Dazu gehören Trink- und Essgewohnheiten, Pay-TV-Nutzung, Allergien, alle privaten und beruflichen Kontaktadressen, Kreditkartendaten, Sonderwünsche und Beschwerden - alles wird festgehalten.

Außer Konkurrenz:
Kein BBA an Wolfgang Schäuble.

Warum Dr. Wolfgang "Seltsam" Schäuble dem Preis entging, geht aus diesem Ausschnitt aus der Laudatio hervor:
Viele werden sich die Frage stellen, warum denn ausgerechnet ein Traumkandidat für den BigBrotherAward diese Auszeichnung im Jahr 2007 nicht erhält. Manche werden von der Entscheidung der Jury enttäuscht sein, hätte er den Preis doch wie (k)ein anderer verdient – als fanatischer Triebtäter in Sachen „Sicherheit & Terror“, überqualifiziert wie seinerzeit nur sein Vorgänger im Amt, Otto Schily (SPD). Und in der Tat: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) versteht es wie kaum ein anderer, mit seiner Panikmache und Drohpolitik die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen – womit er einen klassischen Wesenszug des Terrors erfüllt; mit dem Ziel, Bevölkerung und Parlamentarier so lange weich zu klopfen, bis sie seine umstrittenen Pläne geradezu herbeisehnen und absegnen. Als „Gegenterrorist“ ist er mit seinen grundrechtssprengenden Denkanschlägen, die er fast täglich verübt, längst zum Gefährder von Demokratie, Menschenrechten und Datenschutz geworden – und damit reif für seine eigene Antiterrordatei, die wir im vorigen Jahr mit dem BigBrother- Award ausgezeichnet haben.

Und dennoch: Zum einen wäre es falsch, sich zu sehr auf Schäuble zu konzentrieren, ihn zu dämonisieren und die Terrordebatte auf diese Weise zu verengen. Denn „Schäuble“ ist nur eine Metapher für die verhängnisvolle Tendenz einer „Terrorismusbekämpfung“ auf Kosten der Bürgerrechte und für eine Systemveränderung zu Lasten des demokratischen und sozialen Rechtsstaats. Und zweitens haben wir die begründete Befürchtung, dass Schäuble die Verleihung des BigBrotherAwards als besonderen Ansporn verstehen könnte, seinen Sicherheitsextremismus noch zu verstärken, um seiner Vision vom präventiv-autoritären Sicherheits- und Überwachungsstaat näher zu kommen. Deshalb können wir eine Verleihung so lange nicht verantworten, bis Schäuble als „Verfassungsminister“ endlich über seine eigenen verfassungswidrigen Projekte stolpert und sich zum Rücktritt gezwungen sieht. Dann wäre womöglich an die Verleihung des BigBrother-Lifetime-Awards zu denken – wie ihn weiland Otto Schily im Jahr 2005 erhalten hat, nachdem er als Innenminister der rot-grünen Bundesregierung demissionieren musste.

Auf der anderen Seite müssen wir jedoch dankbar konstatieren, dass der Innenminister sich durchaus beachtliche Verdienste um das Datenschutzbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger erworben hat, die inzwischen zu Tausenden auf die Straße gehen, Internet-Demos organisieren und Massenbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht ankündigen, um sich gegen seine Horrorpläne zur Wehr zu setzen. Wegen dieser verdienstvollen, wenn auch unfreiwilligen Mobilisierung oppositioneller Kräfte ist ihm gar die Ehrenmitgliedschaft in der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD) angetragen worden.
Mehr Infos auf BigBrotherAwards.de.

Montag, 1. Oktober 2007

Mahnwache gegen den Überwachungsstaat

Die Piratenpartei Hessen ruft zu einer Mahnwache für mehr Bürgerrechte und gegen die Unterwanderungen der Demokratie durch den Staat in Form von Massendatenspeicherung, Rasterfahndungen, Erhebung von biometrischen Daten und Online-Durchsuchungen auf.

Am 2.10.2007 zwischen 19:00 und 21:00 Uhr wird die erste "FrankfurtErWacht" - Mahnwache auf der Konstablerwache in Frankfurt am Main statt finden. Mehr Infos: Mahnwache gegen den Überwachungsstaat.

Auch übrigens: wer meint, dass er "nichts zu verbergen hätte" und folglich nichts von schnüffelwütigen Strafverfolgungsbehörden zu befürchten hätte, sollte sich diesen Artikel des "Tagesspiegels" einmal gründlich durchlesen: Der falsche Klick - und auch folgende Blog-Beiträge beachten:
Udos Law Blog: Schon mal beim BKA gesurft?
Netzpolitik: BKA fahndet mit Honeypots
B.L.O.G: Neue Internetstrategien des BKA.

Übrigens: In Belgien gibt es die Vorratsdatenspeicherung schon. Mit katastrophalen Auswirkungen für den investigativen Journalismus.
Netzpolitik: Vorratsdatenspeicherung und Journalismus

futurezone (ORF): Der Weg in den Geheimdienststaat.

Montag, 24. September 2007

Die verschwiegene Demo ...

An und für sich werde ich die Großdemonstration "Freiheit statt Angst" in angenehmer Erinnerung behalten, und nicht nur wegen des schönen Spätsommerwetters: zahlreiche Teilnehmer (über 8000 nach Polizeiangaben, 15000 nach Angeben der Organisatoren), gute Organisation und - trotz eines meines Erachtens unnötigen Zugriffs der Polizei auf den geschlossen marschierenden "linksradikalen Block". Denn dieser Block war allenfalls mit dem Mundwerk aggressiv, ein gewaltbereiter "schwarzer Block" sieht anders aus (ich spreche da durchaus aus Erfahrung). Von anderen Demo-Teilnehmern erfuhr ich, dass das "Spielchen" zwischen den Schwarzvermummten und den Weissbehelmten beinahe bei jeder größeren Demo ähnlich abläuft, und dieses Mal vergleichsweise glimpflich abging. (Ähnliche Gewalt-"Spielchen" kenne ich auch aus Hamburg, z. B. war es nach dem "Schanzenfest" wieder mal soweit - 15 Verletzte.)
Erfreulich an dieser Demomonstration war auf jeden Fall, dass sich ein über viele ideologische Grenzen hinweg reichendens Protestpotential gebildet hat, und dass es möglich ist, auch für ein vergleichsweise "abstraktes" Problem tausende Demonstranten auf die Straße zu bringen.

Unerfreulich: die Demonstration ging in der Massenmedien beinahe unter. Das wäre fast "das Übliche" - nämlich, dass über Demos ohne "Sensationswert" (sprich "Krawall"), zumal wenn sie "unbequeme Fragen" aufwerfen (sprich: wenn mal tatsächlich recherchiert und nachgehakt werden muss) eher wenig berichtet wird. Dafür, dass die Journalisten stark selbst betroffen sind - es geht ja auch um den Informantenschutz bei Recherchen - und das z. B. Journalistenverbände mitdemonstrierten - erstaunt das spärliche Echo dann aber doch.

Da die Berichterstattung so spärlich war (die 20 Uhr "Tagesschau" berichtete z. B. gar nicht darüber), werden viele Menschen gar nicht mitbekommen haben, dass in Berlin mindestens 8000 Teilnehmern gegen den Abbau von Bürgerrechten demonstriert haben.
Da eine gewisse Absicht zu unterstellen, liegt ziemlich nahe, nicht im Sinne einer Verschwörungstheorie, sondern im Sinne einer sich freiwillig "regierungstreu" gleichschaltenden Presse, etwa in dem Sinne, dass Maßnahmen zur "Terrorabwehr" nicht kritisiert werden, da, wenn dann doch ein Anschlag vom Ausmaß der Londoner U-Bahn-Attentate stattfindet, jeder, der nicht uneingeschränkt "dafür" war, als Komplize oder Sympathisant dastehen könnte.
Sowohl seitens der Politik wie der meisten Medien wird nicht mit offenen Karten gespielt, sowohl der Hinweis auf die Gefahren (Schäuble beruft sich auf nie bei Namen genannte "Experten") wie die Begründung für die geplanten Abwehrmaßnahmen bleiben im Diffusen. Frau Bundeskanzlerin Merkel weiß z. B. genau, dass Online-Durchsuchungen bei darauf vorbereiteten Straftätern ins Leere laufen würden. (Woher ich das wissen will? Ganz einfach: Geheimsachen werden im Bundeskanzleramt grundsätzlich nur auf einem PC ohne Internetanschluss bearbeitet und verschlüsselt bzw. entschlüsselt. Die verschlüsselten Dateien werden dann "von Hand", per USB-Stick, vom abgeschotteten Rechner auf den vernetzten Rechner übertragen, so das niemals eine unverschlüsselte Datei mit brisanten Inhalten auf einem "online durchsuchbaren" Rechner liegen wird. Dieses Procedere wurde schon vor über 15 Jahren unter Kanzel Kohl eingeführt. Es gibt keine Grund, weshalb es ein "professioneller" Krimineller anders machen sollte.) Dennoch schließt sie sich öffentlich der Argumentation Innenminister Schäubles an:
"Es kann nicht sein, dass der Computer und die darin liegende Festplatte ein Raum sind, wo der deutsche Rechtsstaat sagt: Da greifen wir nicht zu", sagte Merkel beim Landesparteitag der niedersächsischen CDU am Sonnabend in Oldenburg.
Merkel für Online-Durchsuchungen.
Der deutsche Rechtsstaat darf schon längst zugreifen und z. B. Festplatten bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmen. Anders kann er auch nicht zugreifen, wenn es z. B. ein Terrorist genau so macht wie das Kanzleramt.

Jan Schejbat:
Freiheit-statt-Angst-Demo: Berichterstattung und Teilnehmerzahlen.
Jens Scholz: Demo gegen Überwachung in Berlin: Bloggerstimmen
Sven Scholz: Demo in Berlin

Montag, 17. September 2007

"Planet unter Beobachtung"

"Was einst schlechte Science Fiction war ...

Link: sevenload.com
... wird morgen schon Wirklichkeit sein! (Wenn wir uns nicht wehren!)"

Z. B. auf der Demonstration gegen Vorratsdatenspeicherung nächsten Samstag in Berlin.
Weiter Infos: www.Vorratsdatenspeicherung.de

Video von Alexander Svensson
Via: Netzpolitik

Übrigens: Thomas Knüwer zeigt, woher Dr. Wolfgang "Seltsam" Schäuble seine apokalyptische Visionen bezieht.

Sonntag, 16. September 2007

Immer dieses lästige Grundgesetz!

Das scheint inzwischen Konsens unter deutschen Politikern zu sein: das Grundgesetz vor allem als Hindernis bei der "Gefahrenabwehr" zu sehen.
Da wäre zum einen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), der würde ein für einen Terroranschlag entführtes Verkehrsflugzeug notfalls auch ohne Rechtsgrundlage abschießen lassen:
"Ich wünsche mir eine verfassungsrechtliche Klarstellung. Aber da gibt es noch keinen Konsens in der Koalition."
Jung in einem Interview mit dem Magazin "Focus": Jung würde Befehl zum Abschuss geben.

Doch, es gibt diese verfassungsrechtliche Klarstellung: Leben darf nicht gegen Leben aufgerechnet werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht eindeutig festgestellt. Ein vollbesetztes Passierflugzeug abschießen zu lassen, ist Mord. Mord, der - vielleicht - durch extremen Notstand gerechtfertigt werden kann. Aber dennoch muss jeder Minister, jeder Lufwaffenkommandeur und jeder Pilot der Möglichkeit gegenwärtig sein, dass er mit einer Anklage wegen Mordes rechnen muss, wenn er einen Abschussbefehl gibt - oder aus freien Stücken den Feuerknopf drückt. Diese Damoklesschwert der Anklage ist der m. E. einzige Schutz gegen Missbrauch, dagegen, dass vielleicht mal ein entführter Jet "präventiv" abgeschossen wird: "Hätte ja sein können, dass ... "

Auch das berüchtigte "Weltuntergangs"-Interview, das Bundesinnenminister Schäuble der FAS gab, weist darauf hin, dass Schäuble zu mindestens, was seine "instrumentelle" Auffassung des Grundgesetzes angeht, nicht alleine steht:
Der SPD-Vorsitzende Beck hat mehrfach gesagt, wenn einige rechtliche Bedenken, die er offenbar noch hat, beseitigt seien, stehe einem Gesetz nichts mehr im Wege. Da muss ich doch nicht warten, ob ein Landesgesetz vom Verfassungsgericht gutgeheißen wird.
Schäuble im Interview: "Wir sind und bleiben bedroht"

Beck hat also noch "einige rechtliche Bedenken" - wo er eigentlich sagen müsste: "Der Entwurf für das BND-Gesetz ist verfassungswidrig - die SPD kann dem nicht zustimmen." (Denen, die immer noch glauben, dieses Gesetz ginge sie nichts an: Ausführlicher Bericht auf Zeit online, Gesetzentwurf zum herunterladen beim CCC.)

Das nordrhein-westfälisches Gesetz zur Online-Durchsuchung harrt noch eines Urteils durch das Verfassungsgericht - übrigens ein Gesetz, das die verfassungrechtlich gebotene Trennung von Geheimdiensten und Polizei im Gegensatz zum Gesetzentwurf für das BKA-Gesetz nicht infrage stellt.

Faktisch könnte sich ein Terrorist keinen besseren (unfreiwilligen) "Partner" als Schäuble wünschen. Weil der nach Kräften hilft, Angst und Schrecken (sprich: Terror) zu verbreiten. Und nach Kräften dass tut, was ein (dialektisch denkender) Terrorist anstrebt: den Aufbau eines Polizeistaates, das Ende der offenen Gesellschaft.

Schäuble betätigt sich als Angstmacher, obwohl er zur Gelassenheit mahnt:
Die größte Sorge aller Sicherheitskräfte ist, dass innerhalb des terroristischen Netzwerkes ein Anschlag mit nuklearem Material vorbereitet werden könnte. Viele Fachleute sind inzwischen überzeugt, dass es nur noch darum geht, wann solch ein Anschlag kommt, nicht mehr, ob. Wir sind bedroht und bleiben bedroht. Aber ich rufe dennoch zur Gelassenheit auf. Es hat keinen Zweck, dass wir uns die verbleibende Zeit auch noch verderben, weil wir uns vorher schon in eine Weltuntergangsstimmung versetzen.
(Hervorhebungen von mir.)

Ich verstehe Herrn Schäuble so: er rechnet fest mit einem atomaren Terroranschlag. Aber bis es so weit ist, genießen wir das Leben und versuchen, so viele Terroristen wie möglich hinter Gitter zu bringen.

Schäuble antworte auf die Frage: "Begreifen die Menschen die Gefahr auch deswegen nur schwer, weil die Bedrohung vielfältig ist?"
Der Mensch lebt ja auch von der Hoffnung: Mich wird es schon nicht treffen. Im Übrigen ist die Gefahr, Opfer eines Verkehrsunfalls zu werden, nach wie vor um ein Vielfaches höher als das Risiko, durch einen Terroranschlag getötet zu werden. Vielleicht lässt die Unübersichtlichkeit der Bedrohung auch Ängste entstehen.
Womit Schäuble meines Erachtens seinen eigenen Gemütszustand genau beschreibt: Er begreift die Welt nicht mehr und begreift sie deshalb als Bedrohung. Womit er unter politischen und militärischen Entscheidern leider keine Ausnahme ist.
Ich vermute aufgrund dieses Interviews, dass Schäuble sich darüber im Klaren ist, dass diffuse "Weltuntergangs-Ängste" genau das sind, was Terroristen erzeugen möchten. Aber sein Weltbild und seine Ängste lassen ihm nicht die Wahl, entsprechend dieser Einsicht zu handeln.
Hinzu kommt die ausgeprägte "Angst vor der Moderne", die mit (technischen) "Mitteln der Moderne" bekämpft werden soll. Damit ist Schäuble, vom Denkstil her, gar nicht so weit entfernt von religiös motivierten Apokalyptikern wie der "Religous Right" in den USA, aber auch einer bestimmten Gruppe islamischer Dschihadisten. Ich halte Schäuble "nur" für einen besonders ausgeprägten Vertreter dieses Denkens, es dürfte einer der häufigsten Persönlichkeitstypen der "politischen Klasse" sein.

Leider gibt es sogar Politiker, die nicht einmal Angst vor Terroranschlägen haben müssen, um das Grundgesetz zu ignorieren: Manchmal reicht schon aus, die Bedeutung von makaberem religösen Wandschmuck zu überschätzen.

Samstag, 8. September 2007

Zur Erinnerung: am 22. September Demonstration gegen Überwachung und Vorratsdatenspeicherung in Berlin

Angesichts der traurigen Tatsache, dass die Festnahme von drei Terrorverdächtigen in Nordrhein-Westfalen von interessierten Politikern erfolgreich als "Argument" für Online-Durchsuchungen instrumentalisiert wird, sind Demonstrationen gegen die Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchung noch wichtiger geworden.
Kurz nach der Festnahme von drei Terrorverdächtigen in Nordrhein-Westfalen fühlt sich die große Mehrheit weiterhin sicher in Deutschland, stimmt aber trotzdem für mehr Überwachung. In einer heute in Köln vorgestellten Umfrage für die ‘Tagesthemen’, erhoben von Infratest Dimap unter 1.000 Bundesbürgern, sagen 81 Prozent, dass sie sich alles in allem sicher in Deutschland fühlen. Das sind fast ebenso viele wie im Juli dieses Jahres (84 Prozent), als diese Frage zum letzten Mal gestellt wurde. Nur 18 Prozent fühlen sich derzeit eher unsicher im Land.

Am 22. September findet die große Demonstration gegen Überwachung und Vorratsdatenspeicherung in Berlin statt.
Wer nicht in Berlin wohnt, kann u. U. preisgünstig auf Bus-Initiativen aus verschiedenen Regionen Deutschlands zurückgreifen.
Weiter Infos auf netzpolitik:
Mit dem Bus zur Demonstration gegen Überwachung in Berlin

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Geheimauftrag MARIA STUART...
Krisenfall Meuterei Der dritte Roman der Reihe "Geheimauftrag...
MMarheinecke - 9. Apr, 19:42
Urlaubs-... Bräune
Das "Coppertone Girl", Symbol der Sonnenkosmetik-Marke...
MMarheinecke - 1. Aug, 08:34
Geheimauftrag MARIA STUART...
Ahoi, gerade frisch mit dem Postschiff eingetoffen. Der...
MMarheinecke - 26. Mär, 06:48
Kleine Korrektur. Man...
Kleine Korrektur. Man kann/sollte versuchen die Brille...
creezy - 11. Nov, 11:29
strukturell antisemitisch
Inhaltlich stimme ich Deinem Text zwar zu, aber den...
dummerle - 5. Jun, 11:12

Suche

 

Status

Online seit 7083 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 24. Jul, 02:01

Credits


doof-aber-gut
Gedankenfutter
Geschichte
Geschichte der Technik
Hartz IV
Kulturelles
Medien, Lobby & PR
Medizin
Persönliches
Politisches
Religion, Magie, Mythen
Überwachungsgesellschaft
Umwelt
Wirtschaft
Wissenschaft & Technik
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
development