Freitag, 21. Oktober 2011

Zu den Sternen?

Technisch ist der Start der ersten beiden Satelliten des "Gallieo"-Navigationssystems ein voller Erfolg. Respekt vor den Techniker, dem Herstellern, den Entwicklern, den Organisatoren!

Weniger Respekt jedoch vor den europäischen Raumfahrt- und Industriepolitikern. Warum "Gallieo" alles andere als ein Ruhmesblatt ist, legt Eugen Reichl im Astra's Spacelog dar:
Galileo: Und es bewegt sich doch….

Wie kommt es zu solchen Blamagen? Nicht aus technischen Gründen hat sich "Gallieo" so verzögert. Wahrscheinlich, weil "Raumfahrt" in Europa unter "Industrieförderung" läuft und es daher kein Wunder ist, dass eben diese Industrie solche Projekte als Selbstbedienungsladen benutzt. Und dass es zu jahrelangen Streitereien um die nationalen Anteile am "Kuchen" kam.
Bei vernünftigen politischen Vorgaben und ohne das meiner Ansicht nach ideologisch motivierte Experiment, ein Raumfahrtprojekt in "Public Privacy Partnership" stemmen zu wollen, wäre das sicher nicht passiert.

Die tiefere Ursache für das "Trauerspiel Gallieo" dürfte aber tief in der Mentalität der politischen Entscheider, gerade in Deutschland, liegen: Politsprech im Orbit - die "Raumfahrtstrategie" der deutschen Bundesregierung. Kurz zusammengefasst: Raumfahrtpolitik - oder allgemeiner gesprochen: Forschungspolitik und Innovationsförderung - wird von betriebswirtschaftlich denkenden Kämerseelen und deutlich neophoben Bürokraten bestimmt.

Aber "Per aspera ad astra" ("auf rauen Wegen zu den Sternen") sei nun einmal schwierig zu vermitteln. Glauben zumindest unsere "Entscheider". Was ein europäisches Satellitennavigationssystem soll, erfordert ebenfalls zumindest eine Idee europäischer Interessen, die über reine Standortpolitik zugunsten der bestehenden Industrie hinaus geht. Denn "Gallieo" ist ein Infrastrukturprojekt, so, wie es ein europäisches "intelligentes" Höchstspannungsnetz ist, oder ein wirklich europäisches Netz für Hochgeschwindigkeitszüge.
Da ist es im Wahlkampf doch einfacher, auf sowieso viele (deutsche, französische, italienische ... - oder vielleicht auch bayrische, provencialische, lombardische ... ) Arbeitsplätze im Werk XY hinzuweisen. Und die alte, aber im Zeitalter der Globalisierung und der transnationalen Konzerne reichlich anachronistische Nummer von den "nationalen Interessen" abzunudeln.

Es gibt einen alten Witz, dass der Ausspruch "ad Astra" sich in Wirklichkeit auf eine Hamburger Biermarke und nicht auf die Sterne am Himmel beziehen würde.
Astra for Windows
(Der in der Werbung abgebildete Mensch ist übrigens in erster Linie Musiker. Und so prollig läuft er normalerweise auch nicht ´rum.) (Noch was: er ist Apple-User.)
Aber es macht nichts aus, wenn ein Bier "altmodisch" und analog bleibt. Hingegen macht es schon etwas aus, wenn Technologiepolitik tief im 20. Jahrhundert stecken bleibt.

Samstag, 15. Oktober 2011

Was die "Piraten" von den "frühen Grünen" unterscheidet

Ich gebe es ja zu: ich bin einer jener heute "alten Säcke", die gern von ihrer politisch wilden Jugend erzählen. Wobei ich zugeben muss, dass ich alles andere als "wild" war. Und entgegen einiger Legenden waren auch die GRÜNEN damals, in den 1980ern, halb so wild. Unter den eher zahmen Grünlingen war ich wohl einer der zahmsten ...

Es gibt viele Parallelen zwischen den 80er-Grünen und den heutigen "Piraten". Spätestens nach dem für viele überraschenden Erfolg der Piratenpartei bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen merken das sogar die sonst in dieser Hinsicht eher verschnarchten etablierten Medien.

Bei allen Gemeinsamkeiten - Basisdemokratie, Herkunft aus einer Protestbewegung, angebliche "ein-Punkte-Partei", die schnell ein Vollparteiprogramm entwickelt, die zeitweilige Gefahr, von "Rechtsaußen" unterwandert zu werden, usw. - und selbstverständlich sind auch die "Piraten" gegen AKWs, für regenerative Energiequellen, für mehr Umweltschutz usw. - fällt mir ein gravierender Unterschied auf.

Nein, ich meine nicht den noch ziemlich geringen Frauenanteil bei den "Piraten". Das ändert sich ja bereits. Ich meine einen grundlegenden strukturellen Unterschied.

Die "Piraten" sind fast durchweg neophil.

Die GRÜNEN waren größtenteils neophob (und sind sich, so viel sich bei den GRÜNEN geändert hat, in dieser Hinsicht treu geblieben).

"Neophil" bedeutet: das "Neue liebend". Das heißt nicht, das Menschen mit neophilen Neigungen immer allem hinterherlaufen, was gerade "neu", "in" oder nur "modisch" sind. Man kann Neophile auch nicht einfach als "fortschrittsgläubig" bezeichnen, und auch "progressiv" trifft es nicht ganz.
Nein, Neophile mögen den Wandel. Sie sind experimentierfreudig, begrüßen im Großen und Ganzen technischen und sozialen Fortschritt - wenn es in ihren Augen wirklich Fortschritt ist. Und sie schwärmen meistens für moderne Technik. Nachtrag: Neophile sind neugierig. Tatsächlich ist Neugier das typische Merkmal der Neophilen.
Natürlich sehen auch die mögliche Gefahren, auch solche, die mit moderner Technik verbunden sind, aber sie sehen sie eher in einem Missbrauch technischer oder organisatorischer Möglichkeiten, als in der Technik selbst.
Es kann aber sein, dass extreme Neophilie in Unrast, und in Lust auf Veränderung der Veränderung willen umkippt. Die Dosis macht das Gift.

"Neophob" bedeutet: das "Neue fürchtend". Das ist nicht unbedingt das selbe wie konservativ. Um den Unterschied zu verdeutlichen: Konservativ wäre eine Aussage wie:
"Die Familie hat sich als Institution und Keimzelle der Gesellschaft bewährt, deshalb wäre es falsch, sie infrage zu stellen, und deshalb sollten Familien unterstützt werden".
Neophob wäre die Aussage:
"Es gibt keine brauchbare Alternative zur Familie, wie sie nun einmal ist. Alle Versuche, die hergebrachte Kernfamilie mit Vater, Mutter und Kindern durch andere Modelle, von der Patchwork-Familie über die Homo-Ehe mit Adaptionsrecht bis zu 'Kommunen' zu ersetzen, sind gefährlich und daher entschieden abzulehnen. "
Neophobie kann anderseits eine Überlebenstatik sein - es gibt Situtationen, in denen Neugier tödlich sein kann und Angst vor Veränderung Schutz. Auch hier gilt: es ist eine Frage der Dosis. die war und ist bei den GRÜNEN und ihrem Umfeld allerdings schon verdammt hoch.
Ich wähle bewusst das Thema "Familie und Lebenspartnerschaft" als Beispiel, weil die GRÜNEN auf diesem Gebiet gerade nicht neophob sind oder waren.
Extrem neophob waren viele, sehr viele "Altgrüne" auf dem Gebiet der Technik. Geradezu legendär und aus heutiger Sicht lächerlich sind die Ängste, die sich für viele Grüne mit Computern verbanden - nicht nur wegen des möglichem Missbrauchs, nicht nur wegen der Auswirkungen der Elektronischen Datenverarbeitung (EDV), wie man es damals allgemein nannte, auf den Arbeitsmarkt, sondern an und für sich. Zwar waren auch damals unter den Grünen jene "Extrem-Ökos", die auf mein Eingeständnis, ich hätte mir einen PC gekauft, etwa so reagierten, als hätte ich einen kleinen Kernreaktor im Keller, eher die Ausnahme, aber die Beschlüsse der GAL (Grün-Alternative-Liste in Hamburg), für die Bürgerschaftsfraktion keine Computer nutzen zu wollen, kamen nicht von ungefähr.
Ein Überrest diese Haltung zeigte der Berliner GRÜNEN-Bundestagsabgeordnete Ströbele vor einigen Jahren, als er von Schüler-Reportern gefragt wurde, ob er einen Computer hätte, und er antworte: "Leider ja".
Selbst beim keineswegs technikfeindlichen und im Prinzip sogar computerfreundlichen "ökolinken" Flügel gab es Aussage wie, dass drei Technologien an sich menschenfeindlich und daher kompromisslos abzulehnen seien: Atomtechnologie, Gentechnologie und Raumfahrt.
Besonders bizarr wurde es manchmal, wenn die Rede auf regenerative, oder, wie es damals genannt wurde, alternative Energiequellen kam. Ich erinnere mich lebhaft an eine Diskussion über Photovoltaik, in der mein Gesprächspartner mir "bewies", dass immer mehr Energie für die Produktion der Solarzellen aufgewendet werden müsse, als diese Zellen jemals in ihrer Lebenszeit erzeugen könnten - und zwar "grundsätzlich". Grundlegende Verbesserungen in Wirkungsgrad und Lebensdauer schloss er aus.
Solche "Argumente" gegen Photovoltaik kannte ich sonst nur von glühenden Atomstromfans.
Noch bizarrer, wenn auch nicht in der GRÜNEN-Partei selbst angesiedelt, war eine kleine Broschüre über den Selbstbau von kleinen Windkraftwerken. Seltsam war nur, dass die AutorInnen der Broschüre behaupteten, auf Dinge wie Wirkungsgrad käme es nicht an, das sei das beschränkte Denken von Fachidioten, die nicht in alten Ölfässern (einem der Materialien, aus dem die Eigenbau-Windrotoren bestanden) denken würden. Anders gesagt: es herrschte eine starke Vorliebe für "mittlere Technologie", als Gegensatz zur "undurchschaubaren" Hochtechnologie und "das menschliche Maß übersteigenden" Großtechnik. Manchmal kam es mir so vor, als ob für manche "High-Tech" schon bei einer Fahrrad-Gangschaltung anfing.
Typisch war damals eine Wahlkampf-Aussage wie: "Wir müssen zurück zu einer ökologisch orientierten Wirtschaftsordnung", worauf sich sofort die Frage gestellt hätte, wann und wo es schon mal eine "ökologisch orientierte Wirtschaftsordnung" gegeben hätte, etwa in der Altsteinzeit? Eine ökologische Wirtschaftsordnung auf mehr als Wildbeuterniveau ist etwas noch nie Dagewesenes in der Menschheitsgeschichte. Aber vor so viel Neuem scheinen viele Menschen, vor allem in Deutschland, Angst zu haben.
Aber auch ich stellte die Frage nicht, denn ich wollte zwar nicht zurück zu vormodernen Produktionsweisen, stellte aber die implizite Behauptung, früher, in vorindustriellen Zeiten hätte es nicht nur keine nennenswerte Umweltverschmutzung gegeben, sondern wäre auch das ökologische Bewusstsein ausgeprägter gewesen, nicht in Frage.

Genug der Anekdoten aus der Zeit, als die GRÜNEN noch "grün" waren, und ich zur Minderheit der technikaffinien "Grünlinge" gehörte. Die Neophobie beschränkte sich nämlich nicht nur auf Technik, nur fiel sie da besonders auf. Ich behaupte, auch wenn ich bei den GRÜNEN nur dabei, aber nicht mittendrin war, dass die GRÜNEN damals mehrheitlich in Veränderungen, dem Unbekannten, Gefahren sahen. Politisch äußerte sich das z. B. in der damals weit verbreiteten Ansicht, im Interesse des Friedens müsse der "Ostblock" - die von der UdSSR beherrschten "real-sozialistischen" Teile der Welt - unbedingt erhalten werden, jeder Wandel würde zu Instabilität führen und damit den Krieg unausweichlich machen. Nicht, dass die GRÜNEN damals z. B. die DDR, so wie sie war, für ideal gehalten hätte - sie sollte natürlich unweltfreundlicher und vielleicht sogar demokratischer werden - aber das politische und wirtschaftliche System an sich sollte, des lieben Friedens wegen, nicht angetastet werden.
Diese Haltung war übrigens ein wesentlicher Grund dafür, wieso die GRÜNEN nach der deutschen Vereinigung im "Osten" so schwer Fuß fassen konnten, selbst nach der Fusion mit der Ex-DDR Bürgerrechtsbewegung "Bündnis 90". Die GRÜNEN galten als "Wessipartei", die sie voll und ganz auf "Westinteressen" eingestellt hätte und denen die Probleme "der im Osten" völlig egal wären.

Ich will nicht behaupten, dass die GRÜNEN nicht viel zum Besseren bewegt hätten. Sie war eine Partei, deren Zeit gekommen war, die es einfach geben musste. Sie war mir auch lange Zeit - sogar bis zur zweiten Legislaturperiode der rot-grünen Koalition, also über Joschka Fischers Zustimmung zur deutschen Beteiligung am Kosovo-Krieg und am Afghanistan-Krieg hinweg - die mit Abstand sympathischste Partei, auch wenn ich kein Mitglied mehr war.

Aber ihre tief sitzenden Neophobie in wichtigen Feldern der Politik machte sie auf die Dauer zur in mancher Hinsicht konservativsten Partei in der deutschen Parteilandschaft. Nicht nur im Sinne von "wertekonservativ" wohlgemerkt, sondern im Sinne von "bürgerlich-konservativ". Oder, wie es Jutta Ditfurth schon vor über 20 Jahren auf ihrer drastische Art ausdrückte: Ökospiesser.

Ich hoffe, dass bei den "Piraten" ihre Neophilie nicht eines Tages ebenso verhängnisvoll werden wird, wie die Neophobie der GRÜNEN.

Sonntag, 9. Oktober 2011

Weshalb mich die vom CCC aufgedeckte Schnüffelsoftware eher beruhigt

Nein, es beruhigt mich gar nicht, dass sich unsere (deutschen) "Sicherheitsbehörden" einen feuchten Dreck um so lästige Dinge wie "Bürgerrechte", "Grundgesetz" oder "ordnungsgemäße Ermittlungen" kümmert. Dass Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht einfach ignoriert werden, ist man ja als Staatsbürger ja schon gewohnt.
(heise: CCC knackt Staatstrojaner).
Allerdings: Ich hatte ernsthaft nichts anderes erwartet.
Ich erwarte auch nicht, dass das anderswo besser wäre.

Ich habe mir mal (schließlich ist heute Sonntag) die Zeit genommen, den Original-Bericht des CCC zu lesen: Staatstrojaner-Report 23 - Analyse einer Regierungs-Malware. Die Regierungs-Malware ist offensichtlich ein ziemlich schmutziges Stück Software. In jeder Beziehung. Nicht allein, weil sich beliebige Module auf den einmal infiltrierten Computer nachladen lassen - nicht nur Überwachungs-Module, bis hin zum Zugriff auf Webkamera und Mikrofone, was praktisch ein "Großer Lauschangriff" wäre (jedenfalls solange der Rechner an und online ist), sondern sich auch für schmutzige Tricks, wie z. B. das Aufspielen "belastender" Dateien (die dann "zufällig" gefunden werden können) nutzen lassen. Sondern auch deshalb, weil das Ding auch grobe Design- und Implementierungsfehler hat, was Sicherheitsslücken vom Ausmaß eines offenen Scheunentor verursachte, die auch Dritte (z. B. Kriminelle) ausnutzen können.

Dennoch ist es kein purer Sarkasmus, wenn ich schreibe, dass mich das eher beruhigt.
Erst einmal: mit dem Stück Dreckssoftware lässt sich zwar ein Rechner online durchsuchen, aber für die legendäre "Online-Durchsuchung" taugt es nicht. Mit dem Ding lassen sich keine Daten gewinnen, die von einem unabhängigen Gericht auch nur eine entfernte Chance hätten, als Beweismittel zugelassen zu werden.
Woraus folgt: das ist wohl auch nicht der Sinn dieser Spyware. Sie dient wohl eher der Geheimdienstarbeit. (Die nicht Sache der Polizei ist - aber: siehe oben!)
Jedenfalls ist sie für den Zweck der "Quellen TKÜ" (Abhören von Internet-Telefonaten, namentlich Skype, vor der Verschlüsselung, also direkt im Rechner) etwa so geeignet, wie ein Vorschlaghammer zum Erschlagen einer Fliege: das geht zwar, aber eigentlich ist ein Vorschlaghammer für etwas anderes gedacht, und er hinterlässt dabei erhebliche Schäden. Der CCC betont, dass die sogenannte "Quellen-TKÜ" ausschließlich für das Abhören von Internettelefonie verwendet werden darf. Aber was man darf kümmerte die Ermittler offensichtlich nicht die Bohne. Was ja leider nichts Neues ist.

Dann, weil die Malware ausgesprochen dilletantisch zusammengehauen wurde. Ich könnte natürlich, misstrauisch wie ich bin, annehmen, dass dieses "Dumm-Schnüffelprogramm" von dem wirklichen "Schlau-Schnüffelprogramm"ablenken soll. Aber ein wirklich raffiniertes Spionageprogramm dürfte sich schwerlich für den "Masseneinsatz" eignen.
Vielleicht ist die gefundene Malware auch ein Stück Scareware.

Der Eindruck, "sie" wären ohnehin schon "drin", der ja durch die (Sensations-)Berichterstattung der meisten Massenmedien noch bestärkt wird, ist jedenfalls genau das, was einer autoritären und auf Sicherheit fixierten "Obrigkeit" in den Kram passt. Der dumme Bürger wird eingeschüchtert, und schreckt aus Angst vor den allgegenwärtigen Überwachern davor zurück, das effizientestes Medium der Gegenöffentlichkeit, das Internet, zum Meinungs- und Informationsaustausch zu nutzen.
Ob das Absicht ist, wage ich nicht zu beurteilen. Dass es die Selbstzensur aus Angst vor Überwachung wirklich gibt, ist aber unbestritten.

Was der CCC über das Mistding herausbekommen hat, ist jedenfalls bemerkenswert:
Wir haben keine Erkenntnisse über das Verfahren, wie die Schadsoftware auf dem Zielrechner installiert wurde. Eine naheliegende Vermutung ist, daß die Angreifer dafür physischen Zugriff auf den Rechner hatten. Andere mögliche Verfahren wären ähnliche Angriffe, wie sie von anderer Malware benutzt werden, also E-Mail-Attachments oder Drive-By-Downloads von Webseiten. Es gibt auch kommerzielle Anbieter von sogenannten Infection Proxies, die genau diese Installation für Behörden vornehmen.

Sicher können wir sagen, daß bei der Infektion zwei Komponenten installiert wurden: eine Windows-DLL im Userland
c:\windows\system32\mfc42ul.dll
sowie ein Windows-Kernel-Modul namens winsys32.sys.
Das Laden und Ausführen des DLL-Codes wird über den Registry-Key SOFTWARE\Microsoft\Windows NT\CurrentVersion\Windows\AppInit_DLLs realisiert, das Kernel-Modul wird über einen Windows-Kernel-Modul-Service vom Betriebssystem geladen.
Das Kernel-Modul liegt in Form einer unsignierten 32-bit-Datei vor. Es kann daher in dieser Form nur auf einem 32-bit-Windows funktionieren. Uns liegen keine Erkenntnisse vor, ob es auch eine 64-bit-Version gibt. Dies wäre daher interessant, da 64-bit-Versionen zwangsläufig signiert sein müssen. Über die Signatur könnte man eventuell Rückschlüsse auf den Urheber der Software ziehen.
Mit anderen Worten: die Schnüffelsoftware hat sämtliche Merkmale von zu kriminellen Zwecken eingesetzter Spyware. Mit einer Ausnahme: Computerkriminelle haben im Allgemeinen keine Möglichkeit, sich "physischen Zugang" zu verschaffen - staatliche Organe können das - z. B. bei Grenzkontrollen, z. B. unter dem Vorwand einer Sprengstoffkontrolle eines Laptops. Was tatsächlich schon gemacht wurde. Denkbar ist ein Zugriff auch im Zuge einer Hausdurchsuchung. Bei einem eher geheimdienstlichen Einsatz ist auch ein Einbruch denkbar.
Was machen die Ermittler aber, wenn der "Zielrechner" z. B. unter Linux läuft? (Was wiederum darauf hinweist, dass es gar nicht darum geht, mit dem dreckigen Stück Malware der organisierten Kriminalität oder dem Terrorismus beizukommen.)

Dem sarkastische Fazit des CCC kann ich mich nur anschließen:
Wir sind hocherfreut, daß sich für die moralisch fragwürdige Tätigkeit der Programmierung der Computerwanze keine fähiger Experte gewinnen ließ und die Aufgabe am Ende bei studentischen Hilfskräften mit noch nicht entwickeltem festen Moralfundament hängenblieb.

Samstag, 8. Oktober 2011

Was ein "blinder Alarm" verrät

Sicherlich haben viele schon aus den Medien von der Sperrung des Flensburger Hauptbahnhofs wegen eines liegengelassen Paketes mit einem Gartengerät erfahren. Die ganze Absurdität der Situation wird aber erst deutlich, wenn man die im lakonischen Polizeideutsch abgefasste Pressemeldung der Polizei Flensburg liest:
POL-FL: Flensburg - Gartenfreund verursacht Vollsperrung am Hauptbahnhof

Flensburg (ots) - Sonnabendmittag, gegen 12:50 Uhr, eilten Beamte des 1. Polizeireviers zum Hauptbahnhof, da hier ein mit Folie und Strick umwickeltes 80x80x30 cm großes Paket ohne Beschriftung auf dem Vorplatz lag.

Sofort erfolgte gemeinsam mit 16 Beamten der Bundespolizei die Räumung und großräumige Absperrung des Nahbereiches bis Höhe Hauptpost.

Der Zugverkehr wurde vorläufig gestoppt, Schienenersatzverkehr ab Tarp eingerichtet.

Die Maßnahmen wurden alle in enger Zusammenarbeit mit der Bundespolizei und anderen Institutionen getroffen. So hielten sich Kräfte der Berufsfeuerwehr einsatzklar. Rettungswagen und Notarzt standen vor Ort bereit.

Der Kampfmittelräumdienst untersuchte das Paket, nachdem sich alle weiteren Einsatzkräfte aus der unmittelbaren Nähe entfernt hatten. Zunächst wurde ein mobiles Röntgengerät eingesetzt. Nach Auswertung des Bildmaterials wendeten die Spezialisten die Bewegungsprobe auf Distanz an.

Sie gaben Entwarnung, im Paket befand sich letztlich ein Vertikutierer.

Ob das Paket wissentlich herrenlos platziert oder einfach vergessen wurde, ist nicht bekannt.

Die Absperrmaßnahmen wurden gegen 16:00 Uhr aufgehoben.

Zeugen, Hinweisgeber oder Eigentümer melden sich bitte bei der Polizei unter 0461/484-0.
Die Überschrift lässt kaum einen Zweifel, dass auch die Polizei Flensburg von einem "Versehen" ausgeht. An der Stelle desjeniger, der seinen Vertikulierer vergessen hat, würde ich mich übrigens auf keinen Fall als Eigentümer melden - denn die möglichen Forderungen, die auf ihn oder sie zukommen, übersteigen den Wert des Gartengerätes um das Mehrtausendfache. Selbst wenn keine Absicht oder auch nur grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann, und daher eine Inrechnungstellung für den Fehlalarm nicht zu erwarten ist, sind damit Schadenersatzforderungen, etwa der Deutschen Bahn, nicht aus der Welt. (Jedenfalls erwarte ich, dass die Bahn es "erst mal versuchen" wird, auch bei für sie ungünstiger Rechtslage. Denn überraschend viele Menschen sind schon aus schlechtem Gewissen und Angst vor einem Rechtsstreit bereit, auch unberechtigten Forderung nachzugeben. Eine menschliche Schwäche, die erfahrungsgemäß gnadenlos ausgenutzt wird!)
Ich wünsche dem Paketvergesser viel Glück, gute Nerven, und gegebenenfalls eine kulante Haftpflichtversicherung und einen guten Anwalt.

Aber das ist nur ein Nebenaspekt. Vor dem "Krieg gegen den Terror" hätte so ein Paket keinen Großalarm ausgelöst. Es hätte wahrscheinlich erst mal eine Streifenwagenbesatzung das verdächtige Paket angesehen - und erst beim konkreten Verdacht Absperrungen angeordnet und den Kampfmittelräumdienst alarmiert. Wenn das Paket überhaupt der Polizei gemeldet worden wäre. (Ehrlich gesagt: wenn ich auf dem Bahnhofsplatz, also auf offener Straße ein herrenloses Paket sehe, dann sehe ich es mir erst mal aus der Nähe an, und wenn es so schlecht verpackt ist, schaue ich vielleicht sogar neugierig hinein. Falsches Heldentum? Nein, weil ich unter normalen Umständen bei so etwas so wenig an eine Bombe denke, wie beim Überqueren der Straße vor meiner Tür an einen mit über 200 km/h heranrasenden Sportwagen. Es gibt solche Idioten, aber sie sind zum Glück sehr selten.)
Inzwischen herrscht aber ein Klima, in dem grundsätzlich von dem schlimmsten vorstellbaren Szenario ausgegangen wird. Nicht nur, dass sofort der Verdacht, es könnte eine Bombe sein, aufkommt. Nein, es wird auch angenommen, dass die Bombe einen berührungsempfindlichen Zünder hat. Übrigens wären selbst wenn das Paket randvoll mit fachmännisch verdämmten militärischem Sprengstoff gefüllt gewesen wäre, die umfangreichen Absperr-Maßnahmen und Evakuierungen nur bei einer äußerst pessimistischen Einschätzung der Sprengwirkung wirklich sachlich gerechtfertigt gewesen.
Wahrscheinlich war die Angst, es könnte jemand den Vorwurf erheben, die Polizei hätte nicht das Menschenmögliche getan, ausschlaggebend. Was ich, aus der Sicht der Polizisten, sogar nachvollziehen kann. Dieses paranoide Denken ist ja sozusagen politische Vorgabe.

Das heißt anderseits: Auch wenn in diesem Fall gar keine Terroristen am Werk waren, haben die Terroristen auch in Flensburg wieder einmal gewonnen. Ihr Ziel: Angst verbreiten - und, dialektisch gedacht, den Staat zu für die Bevölkerung unerträglichen Maßnahmen veranlassen.

(Ich warte nur auf den "Sicherheitsexperten", der fordert, dass auch die "fahrlässige Vortäuschung einer Straftat", sprich, Vergessen eines Gepäckstückes, künftig unter Strafe gestellt werden soll. Unseren panikerfüllten Panikmachern traue ich in dieser Beziehung alles zu.)

Mittwoch, 28. September 2011

Die Wurzeln des "Krieges gegen Drogen"

"Genau so wie die Drogengesetze", fügte er hinzu. "Über Nacht wurden hundertausende harmlose Junkies zu Kriminellen; und wie? Durch Kongreßbeschluß, damals, 1927. Zehn Jahre später, 1937, wurden alle Grasraucher über Nacht zu zu Kriminellen ... durch Kongreßbeschluß. Und als die Gesetzesvorlagen mal unterzeichnet waren, wurden sie wirklich zu Kriminellen. Die Gewehre bewiesen es. Geh mal vor den Gewehren entlang, mit 'nem Joint in der Hand, und weigere dich stehenzubleiben, wenn sie dich rufen. Ihre Imagination wird innerhalb einer Sekunde zu deiner Realität."
Robert Shea / Robert A. Wilson: Illuminatus!

Dass der "War on Drugs", den praktische alle Staaten der Erde seit Jahrzehnten mit enormen Aufwand führen, nicht zu gewinnen ist, ist keine neue Erkenntnis. Es ist auch nicht so, dass er eine US-amerikanische Angelegenheit wäre, auch wenn die martialische Formulierungen eines "Krieges" tatsächlich von einem US-Präsidenten stammt, und die Anti-Drogen-Politik seitens der USA mit besonderem Aufwand verfolgt wird. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass die Erkenntnis, der Anti-Drogen-Krieg sei nicht zu gewinnen, gerade in den USA besonders deutlich ausgesprochen wird: Jimmy Carter sieht "War on Drugs" gescheitert. In Europa, vor allem in Deutschland, sind die Töne leiser, die Strafverfolgung "dezenter", die Strafen in der Regel weniger hart. Aber das Ziel, eine Drogenprohibition durchzusetzen, ist das selbe. Die Besonderheit der USA liegt darin, dass sie die größte Volkswirtschaft der Erde sind - das heißt, die Drogenpolitik der USA wirkt sich automatisch auch auf "den Rest der Welt" aus, während z. B. die harte Prohibition vieler islamischer Staaten kaum "Fernwirkung" hat. Eine weitere Besonderheit der USA nach dem 2. Weltkrieg war ihre interventionistische Außenpolitik - Staaten, die eine andere Drogenpolitik als die USA verfolgen, müssen mit wirtschaftlichen Nachteilen, unter Umständen auch mit militärischem Druck rechnen. (Das soll keine deutsch-arroganter Seitenhieb gegen "die bösen Amis" sein - die europäischen Staaten, einschließlich Deutschlands, sind ebenfalls Interventionisten mit dem Hang, sich in die Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen. Allerdings mit weniger Machtmitteln.)

Nun ist Alkohol ebenfalls eine Droge, und zwar eine ziemlich gefährliche. Man kann auch nicht behaupten, dass eine Politik der Alkoholprohibition keine Probleme lösen würde. Beispielweise ging die Zahl der Leberzirrhosen während der Alkoholprohibition in den USA 1919-1933 deutlich zurück.
Man kann auch nicht behaupten, dass eine kleine, puritanische Minderheit einer trinkfreudigen Mehrheit ihre Maßstäbe aufgedrückt hätten. Die Prohibition war durchaus populär: schon vor 1916 führten 23 US-Staaten die Prohibition ein, 17 davon durch Volksabstimmung.
Dabei half ein bekannter gruppendynamischer Effekt den "Trockenen" (Befürworter eines Alkoholverbotes): die wenigsten Menschen gehören gern zu einer verachteten Minderheit. Ihre Bereitschaft, sich öffentlich zu ihrer Meinung zu bekennen, hängt in bestimmten Fällen von dem ab, was sie als (vermeintliche) "Mehrheitsmeinung" wahrnehmen. Im Falle der Prohibitionsgesetze hatten die "Trockenen", salopp gesagt, die bessere Presse. Hinzu kommt, dass in der US-Gesellschaft puritanische Moralvorstellungen (auch wenn sie nicht geteilt werden) hohes Prestige genießen.
Prohibition versprach und verspricht einfache Lösungen für komplizierte gesellschaftliche Probleme - und kann diese Versprechen, anders als andere "Patentlösungen", zumindest teilweise und vordergründig einlösen. Daher ist Prohibition eine beliebte Forderung populistischer Politiker. Besonders, wenn es nicht um eine "etablierte" Droge wie Alkohol, sondern im "Minderheitendrogen" geht.

Eine bekannte "Nebenwirkung" der Prohibition ist der Anstieg der Kriminalität. In den meisten Fällen bleibt es dabei bei Kleinkriminalität - Schwarzbrennen und -brauen, Schmuggel in überschaubarem Umfang. Aufgrund dieser Erfahrungen schienen die "kriminogenen" Auswirkungen der Prohibition in den USA hinnehmbar zu sein.
Es kam anders. Unter den Bedingungen der USA in den 1920er Jahren war die Prohibition praktisch ein Gesetz zur Förderung der organisierten Kriminalität. Die Mafia und andere Gangstersyndikate erwirtschafteten in dieser Zeit (geduldet durch die zum Teil bestochenen, zum Teil andere Interessen verfolgenden, oft nur einfach gleichgültigen) Behörden riesige Gewinne. Gangsterbosse wie Johnny Torrio oder Al Capone bauten sich eine Untergrund-Alkohol-Industrie samt Vertriebsnetz auf - ein profitables Geschäft, da das Verbot es ermöglichte, vielfach höhere Preise für Alkohol zu verlangen, als in "nassen" Zeiten.
Um die Kontrolle dieser lukrativen Schwarzmärkte lieferten sich rivalisierende Banden in Chicago oder New York fast täglich Schießereien. Die Kriminalität stieg schon im Jahr 1921 um 24% gegenüber dem Vorjahr.
Auch wenn die USA die Prohibition 1933 wieder abschafften, wirken die Spätfolgen bis heute nach. Die Strukturen des organisierten Verbrechens suchten nach dem Ende der Prohibition nach neuen Geschäftsfeldern - die "Syndikate" stiegen auf nach wie vor illegale Drogen um.
Ein zweiter struktureller Effekt: der riesige Staatsapparat, der zur Bekämpfung von Alkoholschmuggel errichtet worden war, suchte sich ein neues Beschäftigungsfeld. Er wurde auf die Bekämpfung der bis dahin noch legalen Cannabis-Produkte umgestellt. Die Prohibition einer "Mehrheitsdroge" wurde durch die Prohibition einer "Minderheitendroge" abgelöst. (Hierzu schrieb ich 2007 etwas: 70 Jahre Marihuana-Verbot in den USA - ein fragwürdiges Jubiläum.) Einer der Wurzeln des "Krieges gegen Drogen" ist in der Tat die Alkohol-Prohibition in den USA.

Einer der Gründe, wieso die USA die Bekämpfung der Drogenkriminalität zum "Krieg" ausweiteten, dürfte, wie einst die Alkohol-Prohibition, letzten Endes religiösen Ursachen haben. Im Falle der islamischen Länder mit Drogenprohibition ist die religiöse Begründung eindeutig. In Falle der USA vermutet z. B. Peter Michael Lingens, der ehemalige Herausgeber des österreichischen Nachrichtenmagazins "Profil", dass christlich-konservative Kreise in den USA via UN der der "Drogenkrieg" der ganzen Welt aufgezwungen hätten. Drogenmissbrauch: Sind die USA für die Rauschgiftkriminalität verantwortlich?
In den USA ist es nicht möglich, gegen die christlich-konservativen Kreise Politik zu machen. Für das Konzept eines "Krieges" gegen die Drogen ist sicherlich auch das Selbstbild der religiösen Rechten als gottgefällige, rechtschaffene und patriotische Bürger, die sich als "Mitte" der Gesellschaft fühlen, ausschlaggebend. Aus diesem Weltbild heraus sind Drogen "unamerikanisch", etwas, was von Neueinwanderer "eingeschleppt" wird. Ansatzweise ist das auch bei uns zu beobachten, zum Beispiel werden Schwarze auch in Deutschland häufiger durch die Polizei auf Drogen kontrolliert, als Weiße.

Ist der "Krieg gegen die Drogen" wirklich "alternativlos", wie oft behauptet wird?

Länder mit einer weniger strikten Gesetzeslage - wie Portugal, die Niederlande und Australien — haben nicht den explosionsartigen Anstieg des Drogenkonsums beobachten müssen, der von den Befürwortern des Drogenkriegs prophezeit wurde. Stattdessen wurde dort sowohl ein wesentlicher Rückgang von drogenbedingten Verbrechen festgestellt, als auch niedrigere Abhängigkeitsraten und weniger Todesfälle.

Fraglich bleibt, ob ein solcher Strategiewechsel politisch überall durchsetzbar wäre. Nicht nur in den USA, sondern auch (und vielleicht gerade) in Deutschland werden moralische und juristische Argumente gern absichtlich verwechselt - gelten Drogenkonsumenten als "moralisch verkommen", kann ein Politiker, der hartes Durchgreifen fordert, damit im Wahlkampf punkten.
Der Puritanismus mit seinen religiös begründeten harten moralischen Forderungen ist hierzulande längst nicht so stark wie in den USA. Dafür ist in Europa, vor allem auch in Deutschland, die Vorstellung gängig, man könnte gegen gesellschaftlich unerwünschtes Verhalten mit gesetzgeberischen und polizeilichen Mitteln "vorbeugen". "Suchtprävention" mit Zwangsmaßnahmen, auch gegen die Junkies.

Ein weiteres Problem sind die im "Krieg gegen Drogen" geschaffenen Strukturen. Das sind einerseits Behörden bzw. deren Leiter, die um ihre Existenzberechtigung oder doch wenigstens um ihre "Wichtigkeit" (die sich in der Höhe des Budgets misst) bangen.
Auf der anderen Seite steht die internationale Drogenmafia, die sich den Ausfall ihrer "Geschäftsbasis" nicht kampflos gefallen lassen würde. Bei aller Skepsis gegen Verschwörungstheorien: es liegt im Geschäftsinteresse der organisierten Kriminalität, dass Drogen auch weiterhin illegal bleiben. Daher halte ich es für durchaus möglich, dass so manche "Kampf-den-Drogen-Initiative" insgeheim von den "Drogenbaronen" "gesponsort" wird.

Montag, 19. September 2011

Zum Thema "Piraten"

Grade noch geschafft: heute ist "Talk like a pirat day". Also los:
»Für die Piratenpartei Deutschland ist es natürlich ein ganz besonderer Erfolg, in das erste Landesparlament einzuziehen. Es verleiht Glaubwürdigkeit und bietet die Chance zu beweisen, dass Piraten nicht nur Idealisten sind, sondern auch in der Lage tatsächlich etwas zu bewirken und die Politik in Deutschland nachhaltig zu verändern. Wir haben nun den Beweis angetreten, dass wir wählbar sind, dass eine Stimme für die Piraten nicht "verschenkt ist". Wir scheitern nicht mehr an der Fünf-Prozent-Hürde und haben damit erwiesenermaßen klargemacht zum Entern!«
(von Sebastian Nerz und hier.)

Gibt es, außer müden Kalauern (wie meinem) Gemeinsamkeiten zwischen Piraten und "Piraten"? Eher nicht! "Pirat" wurde, als Begriff mit negativer Konnotation ("Seeräuber", "Gesetzloser") benutzt, um Wirtschaftsdelikten, die bei Licht besehen, von wenigen gewerbsmäßig betriebenen Ausnahmen abgesehen, allenfalls Bagatellstraften sind, das Odium des Schwerkriminellen anzudichten: "Softwarepiraten". (Analog zur unfreiwillig komischen, aber trotzdem manchmal nervigen Kampagne "Raubkopierer sind Verbrecher".)
Wer entschieden Reformen des Urheberrechts angesichts der durch Digitalisierung und das Internet gegenüber der Vor-Digital-Zeit völlig veränderten Produktions- und Vertriebswegen forderte, vielleicht sogar z. B. zu fordern wagte, das Filesharing von Privatkopien zu legalisieren, wurde als Vertreter der "kriminellen Raubkopierer" hingestellt, eben als "Pirat".

Was die Vertreter der "alten Medien", vor allem der Musikindustrie, übersahen: "Piraten" stammt vom griechischen πειρᾶν (peiran), was "nehmen" bedeutet - die Einschränkung auf "illegales Wegnehmen" und schließlich "Seeraub" stammt von Menschen, die keine Griechen waren und diese grundsätzlich für Räuber, Wegelagerer und Betrüger hielten. (Nein, ich rede nicht von der "Zeitung" mit den vier großen Buchstaben, sondern von altrömischen Politikern.)
Man kann auch nehmen, was einem rechtmäßig zusteht. Zum Beispiel kann man von einem legal erworbenen Dokument (egal, ob Schriftstück, Musikstück oder Video) eine Kopie zur privaten Nutzung machen.
Jene, die scharfe Kritiker des bestehenden Urheberrechts und vor allem des Verwertungsrechts "Piraten" nannten, vergaßen außerdem, dass "Pirat" eine sozialromantische Konnotation hat. Daher wurde der Begriff sehr schnell von den so Angesprochenen als ironisierende Selbstbezeichnung aufgegriffen.

Diese Zeichnung hier heißt "Piratin":
Piratin

Nach einem Lied der Singvøgel, zu hören auf dem Album "Für Zeiten wie diese", geschrieben und gesungen von Karan - die übrigens tatsächlich "Piratin" ist.

Donnerstag, 15. September 2011

Perry Rhodan Neo - schon 1996!

Perry Rhodan Neo - das ist der in Fankreisen nicht unumstrittene Versuch, die Anfänge der unbestritten langlebigsten und umfangsreichsten Science-Fiction-Roman-Serie noch einmal neu zu erzählen. Also keine unveränderte oder überarbeitete Neuauflage der 50 Jahre alten Originale, sondern das, was man Neudeutsch einen "Reboot" nennt.
Einiges dazu verriet Klaus N. Frick im Interview mit Phantastik News: „Perry Rhodan Neo“: Ein Interview mit Klaus N. Frick.
Die Idee, Perry Rhodan einmal neu zu starten, ist selbst allerdings nicht ganz neu.
Es gab dieses Jahr z. B. eine Fanautoren-Wettbewerb, Perry Rhodan einmal ganz neu, in einem anderen SF-Universum, zu erzählen Perry Rhodan reloaded – Wir haben einen Sieger!. Der Sieger, Michael Tinnefeld, schrieb mit "Der Unsterbliche – Phase Download" einen heftigen Cyberpunk-Roman.

Aber die Idee ist natürlich viieeel älter. Ich ließ Perry schon anno 1996 noch mal ganz klein anfangen:
Perry-Kid

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