Sind Blogs abgetriebene Gedanken?

Autorin und Moderatorin Else Buschheuer will nach zehn erfolgreichen Blogger-Jahren aufhören. Was mich an sich nicht stören würde, denn an und für sich sind die Gründe dafür allein ihre Sache. Leider sieht Frau Buschheuer das nicht so und legt im Spiegel-Interview auf diese Gründe öffentlich dar. "Erfolgsautorin Buschheuer "Blogs sind abgetriebene Gedanken".
Buschheuer:: Ich bin mir sicher, dass ich mein bestes Buch noch nicht geschrieben habe - und dass mein Internet-Tagebuch einer der Vorwände war, mich davon abzuhalten. Ich hab' mir dort die Seele aus dem Leib geschrieben: Bloggen, das sind viele kleine Fehlgeburten, abgetriebene Gedanken, aber eine Geschichte zu einer großen, geschlossenen Form zu bringen, das hat Majestät.
Nebenbei: ich lese ihr Blog schon lange nicht mehr. Weil es mich schlicht langweilte. Das Bloggen ist nun einmal nicht immer die angemessene Form, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen. Politische Themen - im weitesten Sinne - funktionieren in Blogs, Hobbies sicher auch, aber literarische Tagebücher? Ich denke: Eher nicht. Wer über Alltagserfahrungen Bücher schreiben will, der tut in der Tat gut daran, nicht alle Alltagserfahrungen sofort ´rauszuhauen. Die müssen erst mal lagern und später mit Abstand reflektiert werden, damit da guter Lesestoff draus wird. Da aber die wenigsten Schriftsteller über ihre Alltagserfahrungen schreiben, haben sie dieses Problem logischerweise nicht.

Was die gute Frau im Interview sagt, gilt also für sie persönlich und für ihre Art zu schreiben und zu bloggen.
Andere bloggende Schriftsteller trennen sorgsam zwischen Inhalten: die "für den Buchdruck" vorgesehenen, die dann allenfalls auszugsweise als Leseprobe auftauchen, und den Blog-Inhalten, die einer "kommerziellen Nutzung" entzogen sind. Dass große Verlage keine Texte wollen, die schon im Netz stehen, und dass sie deshalb bereits gebloggte Texte nicht mehr dort unterbringen kann, das weiß schließlich jeder Schriftsteller.

Dass sie sich in ihrem Internet-Tagebuch "die Seele aus dem Leib" geschrieben hat, und sie daher, das vermute ich, zu wenig unveröffentlichtes Material für das noch zu schreibende beste Buch im (vielleicht nur virtuellen) Zettelkasten hat, ist auch kein Problem der bloggenden Schriftsteller an und für sich. Wobei sie ja angibt, mehr als genügend Ideen zu haben.

Um die Frage in der Titelzeile zu beantworten: Für Autoren wie Else Buschheuer und ihre Art zu schreiben und zu bloggen, mag das richtig sein, aber verallgemeinern lässt sich diese Einsicht nicht.
Bestimmt trifft sie nicht auf mich zu - aber ich bin schließlich auch kein Erfolgsschriftsteller.
banger - 28. Apr, 18:38

Ich hatte anfangs auch eine dezente Blutdruckerhöhung beim Lesen der Schlagzeile, das gab sich aber beim Lesen des Artikels. Zumindest für mich hat es den Anschein, als beziehe Frau Buschheuer diese Aussage auf sich und ihre eigene Bloggerei und gäbe somit ihre eigene Kapitulationserklärung ab.
Da aber in der Vergangenheit schon des öfteren ätzende Spitzen aus der Print-Ecke in Richtung Blogs abgefeuert wurden, tendiert man anfangs wohl eher zu einer Fehleinschätzung dieser Aussage.

Gregor Keuschnig - 28. Apr, 19:01

Wieder ein Girlie, welches der SPIEGEL zur Schriftstellerin hochstilisieren will; erkennbar an dem Adjektiv "erfolgreich". Beim Überfliegen dieses Geschreibes überkam mich Langeweile. Decouvrierend die Antwort, sie lese keine anderen Blogs, weil das zu "inzestuös" sei. Vermutlich liest sie aus diesem Grund auch keine Bücher. Mit ihrem Vokabular bringt es die Autorin bestimmt noch weit. Die Redakteure werden schon dafür sorgen.

MMarheinecke - 28. Apr, 20:55

Ich wundere mich auch über das Wort "Erfolgsautorin"

Für mich ist jemand nicht schon deshalb "Erfolgsautor", weil der oder die nicht irgendwann mal in der Bestsellerliste auftauchte. Schließlich redet niemand bei einem "One-Hit-Wonder" schon von einem "Erfolgsmusiker". Außerdem erregt es mein Misstrauen, wenn jemand betont, eine Schriftstellerin sei "erfolgreich". Genau aus dem selben Grund, aus dem mich ein Arbeitszeugnis stutzig macht, in dem betont wird, dass ich "pünktlich und sorgfältig" wäre - denn damit gibt mein Ex-Arbeitgeber zu verstehen, dass seiner Ansicht nach sonst mit mir nicht viel los wäre. (Ich nehme nicht an, dass das im Falle des "Spiegels" Absicht ist.)

Buschheuers Blog lese ich nicht mehr, weil es mir schlicht zu langweilig war. Tatsächlich hat der Stil "gepflegte Langeweile" in ihrem Blog mich davon abgehalten, ihre Bücher zu kaufen. Da einige ihrer Bücher tatsächlich auf ihrem Blog beruhen, ist das im Falle dieser Bücher nicht mal ein Vorurteil ;-)
Gregor Keuschnig - 28. Apr, 22:01

"Erfolgsautorin" soll ähnlich wie "Professor" oder "Nobelpreisträger" zu einer Art Vornamenersatz werden, der unabänderlich mit der Person gesagt und gedacht wird. Damit muss man früh anfangen, damit es sich in die Gehirne der potentiellen Konsumenten festsetzt. Irgendwann hab ich mal gelesen, daß viele Leute Mehdorns Vornamen als "Bahnchef" assoziiert hatten, so einschlägig wurde das von den Medien genannt.

Die nächste Steigerung auf dieser Marketing-Rangleiter wäre dann "Bestseller-Autorin". Dann sitzt die Dame in den von ihr jetzt noch so abschätzig betrachteten Talkshows. Kommt alles noch.
MMarheinecke - 28. Apr, 22:50

Damit hätte sie - als Ex-Talkshow Moderatorin - nur die Seiten gewechselt. ;-) - Nein, sie war früher selbst häufiger Talkshow-Gast. Tatsächlich hat sie zeitweilig keine Gelegenheit ausgelassen, sich selbst zu präsentieren, was sie ja selbst in einem alten "Spiegel"-Interview (aus dem Jahr 2001) einräumt: "Das zeitgeistige Pointengeschnatter ging mir auf die Nerven!".
Ich vermute ich, dass sich ohne ihre gewisse Prominenz - die sie ja nicht ihren Büchern verdankt - der "Spiegel" nicht um sie kümmern würde. (Und schon das damalige "Spiegel"-Interview zielte darauf ab, sie als Autorin "großzuschreiben". Über die Motive der "Spiegel"-Redakteure dafür kann ich nur spekulieren.)

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