Donald Duck im Nazi-Land

Unter Ducktators habe ich bereits einen Klassiker des propagandischen Zeichentrickfilms des 2. Weltkriegs präsentiert. Dank Don stieß ich in Youtube auf einen noch berühmterer und ähnlich komischen Anti-Nazi-Cartoon: "Der Fuehrers Face" aus den Walt Disney Studios:
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Der Film gewann den ersten "Oscar", der in der Kategorie "bester animierter Kurzfilm" vergeben wurde.

Siehe "Duckipedia": Der Fuehrers Face.

In Ergänzung zum Duckipedia-Artikel etwas zum propagandistischen Hintergrund: Der Film wurde 1942 produziert, die Produktion bekann unmittelbar nach Kriegseintritt der USA. Er stellte den Alltag eines Durchschnittsdeutschen so negativ wie möglich dar - und konterte damit die bis Ende 1941 in die USA hineinwirkende Selbstdarstellung Nazideutschlands. Die "sozialen Losungen" des NS-Programms entsprachen den Forderungen, Wünschen und Sehnsüchten der internationalen Arbeiterbewegung bzw. waren dort abgeschaut. Die NS-Variante des Sozialstaates war schon im Inland erfolgreich gewesen, indem sie viele vormals "rote" Arbeiter an die "Volksgemeinschaft" band, sie war offensichtlich aber auch für Arbeiter in den USA und sogar im längst im Krieg mit Nazi-Deutschland befindlichen Großbritannien attraktiv.
Es waren Errungenschaften wie die "KdF"-Urlaubsreisen, die relativ hohen Löhne für deutsche Arbeiter, die für damalige Verhältnisse großzügigen Freizeitregelungen und auch das in der NS-Zeit weiter ausgebaute Sozialversicherungssystem, die in der NS-Auslandpropaganda Nazi-Deutschland wie ein "Paradies der kleinen Leute" wirken ließ.
Geschickt greift der Disney-Film diese Versprechen auf: unter Kriegsbedingungen waren KdF-Urlaub und früher Feierabend nichts als blanke Theorie. Auch der ständige Druck, die dauernde Kontrolle und die Allgegenwart der NS-Symbolik, die "Der Fuehrers Face" so treffend Karrikiert, waren keine antideutschen Klischees, sondern bittere Realität. Hinzu kamen auch von deutscher und pro-deutscher Seite nicht zu leugnende Versorgungsschwierigkeiten: die kostbare und deshalb im Safe verschlossene Kaffeebohne, das synthetische Schinken-mit-Ei-Aroma und das steinharte Brot waren von der Realität des deutschen "Normalverbrauchers" 1942 / 43 gar nicht einmal so weit entfernt. Auch die spürbare Ironie, in der die dick aufgetragene heile amerikanische Welt sich dem aus dem Nazi-Alptraum erwachten Donald präsentiert, hatte ihren propandistischen Sinn: die Zuschauer spürten ja am eigenen Leib, dass die USA kein Paradies waren, und auch in den USA gab es Lebensmittelrationierungen (wenn auch nie so einschneidend wie in Großbritannien oder in Deutschland nach 1942 - von der buchstäblich verhungernden Sowjetbevölkerung ganz zu schweigen).

Nach dem Krieg war die Botschaft des Filmes nicht nur überholt, sie war auch fragwürdig, weil sie der (falschen) Ansicht, letzten Endes wären "die einfachen Deutschen" auch Opfer des NS-Regimes gewesen, Vorschub leistete. Da in "Der Fuehrers Face" Donald zeitweilig als Nazi dargestellt wurde, sperrte der stets um ein sauberes Image bemühte Walt Disney den Film nach 1945 für die öffentliche Vorführung.

Ein großartiger, weil beklemmend inszenierter und inhaltlich wahrheitsgemäßer Anti-Nazi-Cartoon aus den Disney-Studios ist der Cartoon "Education for Death", ebenfalls 1942 produziert und im Januar 1943 veröffentlicht. Er zeigt die Erziehung eines deutschen Kindes unter der Herrschaft der Nazis. Der kleine Hans wird gegen seinen anfänglichen Willen zum Nazi erzogen - und tötet und stirbt am Ende für das "Dritte Reich". Der Film entstand unter Mitarbeit deutscher Emigranten und ohne staatlichen Auftrag. Die Darstellung der NS-Erziehung trifft sogar in den bizarrsten Details zu, es gab wirklich propagandistisch umgedichtete Kindermärchen und es gibt einen NS-Unterrichtsfilm, der genau dem Schema der pseudo-darwinistischen "nur der Stärkere hat ein Recht auf Leben"-Biologie-Stunde entspricht. Das Gemälde, das Hitler als rettenden Prinz zu Pferde in glänzender Rüstung zeigt, ist kein satirischer Einfall, es war als Kunstdruck in den 30er Jahren sehr populär.
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"Education for Death" beruht lose auf dem gleichnamigen Buch von Gregor Ziemer, der von 1928 bis 1939 die "American School" in Berlin leitete und das NS-Erziehungswesen aus nächster Nähe kannte.


Auch in der Duckipedia: Die Disney-Studios im Krieg

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