"No go areas"

Ein paar Gedanken zur der Diskussion um gewaltätigen Rassismus in Deutschland, die dankenswerterweise durch ein paar klare Worte des ehemaligen Regierunssprechers Uwe-Karsten Heye in die richtige Bahn gelenkt wurde. Wo Heye recht hat, hat er recht. Zusatzlich befeuert durch die wahrscheinlich "gut gemeinte" Website nogoarea.de, in der praktisch der gesamte "Osten" als "No go Area" für "erkennbar Nichtdeutsche" dargestellt wird. Wobei der Schockeffekt durchaus beabsichtigt ist:nogoarea-info. Dennoch halte ich "gut gemeint" und "gut gemacht" auch in diesem Fall für zwei verschiedene Dinge.

In den USA versteht man unter "no go area" Bereiche, in denen die staatlichen Institutionen nicht mehr in der Lage sind, Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten und somit vor der zunehmenden Gewalt und der Verwahrlosung in gesamten Stadtvierteln resignieren. So etwas gibt es (ansatzweise) leider auch in Deutschland - eben jene Stadtteile, die man besser nachts meidet, da man sonst gefahr läuft, überfallen und niedergeschlagen zu werden - auch als "erkennbarer" Deutscher. (In einigen "Ghettos" sogar: gerade als Deutscher. Diese Tatsache muß bekanntlich gerne zum Aufrechnen und Verharmlosen rassistischer Gewaltaten herhalten. Wobei: ein "weißer" Deutscher mit eingeschlagem Schädel und ein Schwarzer (Ausländer, Moslem, Jude usw.) mit eingeschlagenem Schädel sind immer noch zwei Menschen mit eingeschlagenen Schädeln.) Wobei es in solchen "verwahrlosten" Stadtteilen besonders gefährdete Gruppen gibt - so viel ich weiß, wurde der Begriff "no-go-area" zuerst von Frauengruppen gepägt, die vor bestimmten "gefährlichen Ecken" warnen, in denen allein gehende Frauen oft Vergewaltigern zum Opfer fallen.

Die "national befreiten Zonen" sind dagegen eine ganz andere Sorte "no go area". Bereiche, in denen "Recht und Ordnung" nach Maßgabe einer nicht legitimierten Gruppe (konkret: Nazis) "aufrechterhalten" wird. Also das, was man in den USA "Gangland" nennt - eine kriminelle Gang "beherrscht" ein Gebiet, wobei die Kriminellen in diesem Fall z. B. keine Drogenhändler oder Schutzgeld-Erpresser, sondern politisch Kriminelle sind. Äußerlich ist alles ruhig und ordentlich - solange "man" sich nach den "Spielregeln" der herrschenden Gang richtet. Das fällt vielen Bewohner besagter Zonen leider deshalb leicht, weil die "Spielregeln" der Nazis sich weitgehend mit den Vorstellungen weiter Bevölkerungsteile von "Recht und Ordnung" decken. Die berüchtigtigen rechtsextremistischen Leitbilder in der Mitte der Gesellschaft.

"No go areas", in denen die "staatliche Ordnung" zusammengebrochen ist, lassen sich nicht mit jenen gleichsetzen, in denen (Polit-)Kriminelle die "Ordnung" übernommen haben - oft unter Wegsehen oder sogar Billigung der offiziellen Staatsorgane.

Was speziell die "braunen Zonen" im "Osten" betrifft - da grassiert ein flächendeckender Denkfehler: Die Schuld (auch schon ein fragwürdiger Begriff!) für die eigene, schwierige Situation auf andere zu schieben. Bevorzugt Menschen, denen "man" auch "habhaft" werden kann. Arbeitslosigkeit ist keine Entschuldigung für Rassismus. Nicht mal eine Erklärung.
Und die gern von konservativen Politikern bemühte "DDR-Vergangenheit" (immerhin über 16 Jahre her) taugt auch nicht so recht als Erklärung für die traurige Tatsache, die Volker Pispers so beschrieb: "Schau mal rüber in Osten: realer Ausländeranteil ist unter zwei Prozent, gefühlter Ausländeranteil liegt bei fünfzig". Eher schon das, was nach ´89 geschah. Unter reger Beteilung konservativer Politiker.

Ach ja, und auch das noch: die Hardcore-Nazis vom "Schutzbund Deutschland" (die mit der Kampagne: "Du bist nicht Deutschland - Du bist BRD") versuchen, die Diskussion um "no go areas" in ihrem Sinne umzudrehen. Nach der Methode der Gleichsetzung von weichen Birnen und Kieselsteinen. (Für Leute mit starken Magennerven: Bitte selbst eintippen oder copy-paste anwenden, die verlinke ich noch nicht mal mit "nofollow" Attribut - und ich habe immerhin die Hamas verlinkt!)
www.schutzbund-deutschland.de/index.php?section=propagandal&rid=aufkleber
la deutsche vita - 23. Mai, 22:00

No go areas sind entweder solche, in die sich die Polizei nicht mehr reintraut oder solche, in denen der Staat seine Bürger oder Gäste zwar schützen könnte, es aber nicht will. Warum? Weil er das Problem einfach nicht sehen kann oder will. Letzteres ist in Brandenburg und anderen ostdeutschen no go areas der Fall. Die Tatsache, dass die Worte von Heye nicht als Ansporn genommen wurden, der rechtsextremen Gewalt Grenzen zu setzen, sondern als lediglich als ungerechtfertigte Beleidigung verstanden wurden, zeigt das nur zu eindrucksvoll.

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