Bitterkeit
Ich möchte es vermeiden, zu viele zu private Details in dieses Blog zu stellen, deshalb schildere ich die Lage, in der ich mich befinde, nicht. Ich verrate aber sicher nicht zuviel, wenn ich sie als "präkär" bzw. ungesichert beschreibe.
Ich verrate auch nicht zuviel, wenn ich durchblicken lasse, dass ich mich in dieser präkären Lage nicht wohl fühle und dass ich durch Faktoren, die ich kurzfristig nicht ändern kann, nicht in der Lage bin, einfach die "Ärmel aufzukrempeln und loszulegen", um mich aus dieser unangehmen Lage herauszuarbeiten. Ich verrate auch nicht zuviel, wenn ich bei allen Versuchen, meine Situation zu verbessern, in erste Linie auf meine eigenen Initiative setze. Und auf die Hilfe von Freunden und Bekannten. Mein Vertrauen in staatliche Institutionen in leider schwer erschüttert.
Hermann Ritter hat eine Situation, bei der Bundesagentur für Arbeit, erlebt und beschrieben, die viele sicher in ähnlicher Form auch erlebt haben: Irrsinn hat Methode. Wobei: den einzelnen Mitarbeiter bei der BA oder bei den ARGEs mache ich für diesen Irrsinn nicht verantwortlich. Der ist oft genug selbst ein armes, überfordertes Schwein. Der Irrsinn steckt tief in der Struktur.
Ja, und dann gibt es dann Zeitungskommentare, die sich aufällig mit der von der derzeitigen Bundesregierung bevorzugten Linie ("Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" Münte) gegenüberSozialsschmarotzer Arbeitslosen, Rentnern und Studenten decken, aber dankenswerterweise Klartext schreibt.
Die mir unmißverständlich klar machen, was ich bin und wie ich mich gefälligst zu verhalten habe: “Warum soll ich für Sie zahlen?”
Bitte lesen - und als Betroffener die Kotztüte nicht vergessen!
(via: Lawblog:Merkeln Sie Nix?)
Im besagten Kommentar steht:
Was in mir Bitterkeit hervorruft, ist der immer mitschwingende Vorwurf, der Sozialstaat ginge finanziell kaputt, weil es den "Unpoduktiven" (die, von wenigen Ausnahmen mal abgesehen, gerne produktiv wären) es sich auf Kosten der Allgemeinheit gut gehen ließen. Dankenswerterweise schreibt Konrad Adam Klartext bzw. er holt die ganz große Keule raus.
Für Gewalt gegen Umzugsunternehmer (es gibt sogar Brandanschläge und ähnliches) habe ich nur eine Bezeichnng: blinde, aktionistische Gewaltakte, für die ich kein Mikrogramm Verständnis aufbringe.
In einem hat Konrad Adam, so wenig Realitätssinn er sonst zu haben scheint, vollkommen recht: So, wie er ist, kann der "Sozialstaat" nicht länger funktionieren.
Es kann aber nicht darum gehen, den Sozialstaat abzuschaffen. (Was Konrad Adam offensichtlich will - wahrscheinlich ist er privat gut abgesichert, sonst würde er nicht so schreiben.)
Es geht darum, ihn anders zu organisieren. Aber dass scheint irgendwie nicht mit deutschen Tradionen (die Idee von "wohltätigen Vater Staat" hüben, das "Modell Ausgrenzung" - "Schmarotzer raus" drüben) nicht zusammenzugehen. Und weil Spindocktoren, Lobbyisten und die famosen Experten (auch die vom Schlage eines Peter Hartz) viel zu viel geglaubt wird. Deshalb gibt es so viele "Verschlimmbesserungen" im Sozialbereich.
Typisches Beispiel: Hartz IV. Die Langzeitarbeitslosen haben eigentlich zu wenig Geld. (Gut, manche Politiker sind der Ansicht, dass er noch zu hoch ist, weil es ja Jobs gibt, in denen man auch nicht mehr verdient als ein Alg. 2-Empfänger. Übrigens halte ich das "ergänzende Alg. 2" für Geringverdiener für eine Fehlkonstruktion - oder eine Subventionierung von Teilzeitjobs zu lasten der Vollzeitstellen.)
Das Tolle ist aber: Nach der Hartz IV Reform ist das System teurer als vorher - bei schlechteren Leistungen.
Ich hoffe sehr, dass Konrad Adams Zynismus nur ein Stilmittel ist. Ansonsten kann ich meine Gefühle ihm gegenüber nicht mehr unter Kontrolle halten
Nachtrag: Unbedingt die hochinteressante Diskussion auf dem lawblog lesen! Ich empfehle auch die themenbezogenen Blogbeiträge von Distel und momo.
Ich verrate auch nicht zuviel, wenn ich durchblicken lasse, dass ich mich in dieser präkären Lage nicht wohl fühle und dass ich durch Faktoren, die ich kurzfristig nicht ändern kann, nicht in der Lage bin, einfach die "Ärmel aufzukrempeln und loszulegen", um mich aus dieser unangehmen Lage herauszuarbeiten. Ich verrate auch nicht zuviel, wenn ich bei allen Versuchen, meine Situation zu verbessern, in erste Linie auf meine eigenen Initiative setze. Und auf die Hilfe von Freunden und Bekannten. Mein Vertrauen in staatliche Institutionen in leider schwer erschüttert.
Hermann Ritter hat eine Situation, bei der Bundesagentur für Arbeit, erlebt und beschrieben, die viele sicher in ähnlicher Form auch erlebt haben: Irrsinn hat Methode. Wobei: den einzelnen Mitarbeiter bei der BA oder bei den ARGEs mache ich für diesen Irrsinn nicht verantwortlich. Der ist oft genug selbst ein armes, überfordertes Schwein. Der Irrsinn steckt tief in der Struktur.
Ja, und dann gibt es dann Zeitungskommentare, die sich aufällig mit der von der derzeitigen Bundesregierung bevorzugten Linie ("Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" Münte) gegenüber
Die mir unmißverständlich klar machen, was ich bin und wie ich mich gefälligst zu verhalten habe: “Warum soll ich für Sie zahlen?”
Bitte lesen - und als Betroffener die Kotztüte nicht vergessen!

(via: Lawblog:Merkeln Sie Nix?)
Im besagten Kommentar steht:
Wie immer sind die Finanziers des Ganzen - gewöhnliche, rechts- und gesetzestreue Steuer- und Beitragszahler - die Dummen. Damit sie das nicht ewig bleiben, sollten sie sich ein Herz fassen und es genauso machen wie die Gegenseite, die Anonymität also durchbrechen und ihre Klagen nicht länger ans System richten, sondern an Personen. Jeder von ihnen könnte und sollte jeden Arbeitslosen, jeden Rentner und jeden Studenten danach fragen, mit welchem Recht er davon ausgeht, daß er ihm den Lebensunterhalt, die Rente oder das Studium bezahlt. Das könnte etwas Licht ins Dunkel bringen.Mit welchen Recht bezahlt "der Steuerzahler" meinen Lebensunterhalt? Ich könnte natürlich darauf antworten: Weil ich in der Zeit, in der ich noch Arbeit hatte, mittels meiner Steuern und Beiträge auch - und übrigens gerne - den Lebensunterhalt anderer mitbezahlt habe, die nicht arbeiten konnten. Nur wenn man derIllusionen anhängt, dass a) eigentlich genügend bezahlte Arbeit da ist, dass jeder, der ernsthaft Arbeit sucht, auch welche findet und b) das eigentlich jeder jeden Job erledigen kann (von hochspezialisierten Tätigkeiten auf der einen Seite und Schwerbehinderten auf der anderen Seite mal abgesehen), macht die vorwurfsvolle Frage Sinn. An Rentner gestellt, macht sie übrigens sowieso nicht viel Sinn, denn die haben ja mal gearbeitet, und Steuern und Beiträge gezahlt, und an Studenten erst recht nicht, denn die werden, wen sie (hoffentlich) Arbeit finden, einmal Steuern und Beiträge zahlen.
Was in mir Bitterkeit hervorruft, ist der immer mitschwingende Vorwurf, der Sozialstaat ginge finanziell kaputt, weil es den "Unpoduktiven" (die, von wenigen Ausnahmen mal abgesehen, gerne produktiv wären) es sich auf Kosten der Allgemeinheit gut gehen ließen. Dankenswerterweise schreibt Konrad Adam Klartext bzw. er holt die ganz große Keule raus.
Die Nebenfolgen dieses sozialen Klimawandels zeigen sich auf der Empfängerseite in einer zunehmenden Neigung zu Tätlichkeiten. Nach der alten Sponti-Parole, die dazu einlädt, kaputtzumachen, was einen kaputtmacht, gehen Leute, die Hartz IV für eine normale Einkommensquelle halten, auf jene los, die Ernst machen mit dem Versuch, Förderung mit Forderungen zu verbinden. Ihr Unmut richtet sich gegen Beamte, die nicht länger auf fremde Kosten großzügig sein dürfen, gegen Umzugsbeauftragte, die Hartz-IV-Empfängern zu angemessenem Wohnraum verhelfen, und gegen Unternehmer, die ihre Geschäfte mit den Reichen machen.Ich kann dem nur persönlich antworten: Ich halte "Hartz IV" (richtig wäre "Arbeitslosengeld 2") nicht für eine normale Einkommensquelle. Zumal es ja so knapp bemessen ist, dass ich selbst in einem schlecht bezahlten Job locker mehr verdienen würde. Um "Förderung" muß ich mich, nach meinen bisherigen Erfahrungen, selbst bemühen, es sein denn, es geht um irgendwelche merkwürdigen, nicht immer sinnvolle Kurse (wie Bewerbe ich mich nach der neuesten Mode usw). Gegen Beamte hege ich keinen persönlichen Groll - siehe oben, auch oft arme Schweine. Was das "Fordern" bzw. den Druck auf Arbeitslose angeht: Nichts dagegen. Unter der Vorrausetzung allerdings, dass das Umfeld so gut ist, dass dieser Druck zu mehr führt, als zu Frust bei Leuten, die mangels Angebot dennoch keine Arbeit finden können.

Für Gewalt gegen Umzugsunternehmer (es gibt sogar Brandanschläge und ähnliches) habe ich nur eine Bezeichnng: blinde, aktionistische Gewaltakte, für die ich kein Mikrogramm Verständnis aufbringe.
In einem hat Konrad Adam, so wenig Realitätssinn er sonst zu haben scheint, vollkommen recht: So, wie er ist, kann der "Sozialstaat" nicht länger funktionieren.
Es kann aber nicht darum gehen, den Sozialstaat abzuschaffen. (Was Konrad Adam offensichtlich will - wahrscheinlich ist er privat gut abgesichert, sonst würde er nicht so schreiben.)
Es geht darum, ihn anders zu organisieren. Aber dass scheint irgendwie nicht mit deutschen Tradionen (die Idee von "wohltätigen Vater Staat" hüben, das "Modell Ausgrenzung" - "Schmarotzer raus" drüben) nicht zusammenzugehen. Und weil Spindocktoren, Lobbyisten und die famosen Experten (auch die vom Schlage eines Peter Hartz) viel zu viel geglaubt wird. Deshalb gibt es so viele "Verschlimmbesserungen" im Sozialbereich.
Typisches Beispiel: Hartz IV. Die Langzeitarbeitslosen haben eigentlich zu wenig Geld. (Gut, manche Politiker sind der Ansicht, dass er noch zu hoch ist, weil es ja Jobs gibt, in denen man auch nicht mehr verdient als ein Alg. 2-Empfänger. Übrigens halte ich das "ergänzende Alg. 2" für Geringverdiener für eine Fehlkonstruktion - oder eine Subventionierung von Teilzeitjobs zu lasten der Vollzeitstellen.)
Das Tolle ist aber: Nach der Hartz IV Reform ist das System teurer als vorher - bei schlechteren Leistungen.
Ich hoffe sehr, dass Konrad Adams Zynismus nur ein Stilmittel ist. Ansonsten kann ich meine Gefühle ihm gegenüber nicht mehr unter Kontrolle halten

Nachtrag: Unbedingt die hochinteressante Diskussion auf dem lawblog lesen! Ich empfehle auch die themenbezogenen Blogbeiträge von Distel und momo.
MMarheinecke - Samstag, 20. Mai 2006
Was soll man da antworten...
Wissen Sie, vielleicht liegt das daran, daß wir gewisse Werte und Moralvorstellungen haben, die übrigens in allen menschlichen Gesellschaften entwickelt werden, und die dafür sorgen daß so eine menschliche Gruppe ohne Mord und Totschlag zusammenleben kann.
Sicher, es gab auch Ausnahmen. Zum Beispiel gab es vor vielen Jahren hier eine Zeit, wo Behinderte getötet worden sind, weil sie soviel Geld kosten und dem Volk nichts nützen. Aber das war eine Zeit, wo ganz viele Menschen auch Angst gehabt haben vor den anderen Menschen in ihrer Gesellschaft, weil sie schon gemerkt haben: Da wo Menschen umgebracht werden, ohne daß sie selbst was dafür können, bringt man vielleicht auch mich mal um, ohne daß ich was dafür kann."
...Ihr Geld nicht verdient haben, übersetze ich in die alte faschistische Rede, wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Das sind Todesdrohungen, die latent da drunter stehen. Die gehören da nicht hin. (Klaus Theweleit)
Sie bezahlen für mich, weil sie Teil von einer Gesellschaft sind, wo man sagt: "Wir können die Leute nicht einfach verhungern lassen".
Darum. Ist doch eine gute Sache, oder? Würden Sie lieber wo leben, wo sie vor den Anderen Angst haben müssten? Oder wo Sie vielleicht verhungern würden oder versklavt würden? Würden Sie lieber in einer Gesellschaft ohne soziale Werte leben?"
@Martin: Mir ist das vorgestern auch aufgefallen, als ich in der Küche den Reis aufgesetzt habe, und aus dem Fernsehen im Nebenraum waberte der Satz herüber "..wer arbeitet, muss mehr haben, als wer nicht arbeitet..." - und ich dachte mir - wie, warum so ein redundantes Gelaber, immerhin ist das doch längst so..
Mir fällt grade wieder Karans Beitrag über Community ein. Hm, sollte das immer noch eine "Altlast" aus der Nazizeit sein, daß wir ne gesellschaftliche Kultur haben, wo man eher Angst hat vor den anderen Menschen, und mißtrauisch ist, als daß man sich denkt, "gemeinsam können wir Dinge schaffen, die alleine nicht gehen"? Naja, mir ist bewusst, die Rechnung ist viel zu einfach.
Gründe zum verbittern gibts viele, aber es gibt einen Grund, nicht zu verbittern, der viel schwerer wiegt als alle Gründe zum Verbittern: Es macht keinen Spaß verbittert zu sein, man wird davon krank, und kaputt, und dann bietet man selber ein Bild, was wiederum andere mitfühlende Menschen dazu bringt, zu verbittern und krank und kaputt zu werden, und das geht immer so weiter.
Ich finde das gut, daß viele Menschen argumentativ dagegen halten, unter anderem du.
Danke Distel,
Verbitterung läßt sich aber nicht zu ohne weiteres abschalten - und Wut auch nicht. Es sei denn, man schmeißt sich heftige Dosen Psychopharmaka rein. (Das Zeugs ist teuer und trägt nicht unwesendlich zu den allseits beklagten wachsenden Arzneimittel-Aufwendungen bei.)
Bezeichnend übrigens, dass Münte (in welcher Partei war der noch mal? SPD?) die Bibel glatt falsch zitiert hat: Es heißt im 2. Brief an die Thessalonicher: "Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen". Ein entscheidender Unterschied! Vom konkreten Zusammenhang, in dem das Zitat steht, ganz abgesehen - es geht gegen den Mißbrauch von Gastfreundschaft und ist eine Ermahnung an die frühen Christen, einem geregelten Leben nachzugehen. (Scheint allerhand religiös verbrämte Schmarotzertypen unter den Frühchristen gegeben zu haben - typisch Sekte, sach ich da nur.)
Nein, unsere gesellschaftliche Kultur der Angst und des Mißtrauens ist kein Erbe der Nazizeit. Eher einer der Gründe dafür, weshalb die Nazi sich an die Macht schleichen und sie dann behalten konnten.