Linksliberal?!?

Dr. Dean, Betreiber des linksliberalen Blogs Der Morgen, hat eine Blogroll aus seiner Ansicht nach ebenfalls linksliberalen Blogs zusammengestellt:
Update Blogroll: Linksliberale Blogs und Internationales

Ich akzeptiere dankbar, dass ich auf dieser Liste stehe, zumal ich mich selbst gern "linksliberal" nenne. Allerdings besagt dieses Etikett, wie ein Blick auf die Liste zeigt, herzlich wenig ...
Distelfliege eine Linksliberale? Pantoffelpunk hat sich ob dieser Bezeichnung sogar erschrocken.

Was Dr. Dean unter "linksliberal" versteht? Er geht von einigen ganz vernünftigen Minimalkriterien aus:
Nun, hmmja, Freiheitsliebe, Humanismus, Pazifismus, Anti-Rassismus, etwas Bildung und gelegentliche Intelligenzbeweise gehören schon mal dazu.
Allerdings reichen diese hinten und vorne nicht, eine politische Richtung zu definieren - und so finden sich finden sich z. B. AnarchistInnen neben demonstrativ bildungsbürgerlichen Intellektuellen jener Sorte, die auf Anarchos erfahrungsgemäß wie ein Brechmittel wirken. (Ich fürchte, auch ich wirke auf rebellische Anarchos manchmal wie ein klassischer "Scheißliberaler".) Auch meine eigene Einordnung ist so klar nicht, ich könnte mich ohne weiteres als "(liberaler) demokratischer Sozialist" bezeichnen, und habe das in der Vergangenheit auch getan. Inzwischen ist der Begriff "demokratischer Sozialismus" auch im "Westen" von den "Linken" (PDS & assimilierte WASG) vernutzt, im Sinne eines ganz strammen Etaismus ("Starker Staat") assimilated. Außerdem schätze ich Karli Marx sehr, aber Karli Poppers Kritik an Marx ebenfalls. "Sozialdemokrat", was unter Umständen auch passen würde, mag ich mich nicht nennen, da ich die "alte Tante" zwar respektiere, aber nicht so sehr, dass ich der SPD beitreten würde.

In einer Diskussion mit einem amerikanischen "Libertarian" (der, anders als es Ches polemischer, aber im Großen und Ganzen treffender Artikel nahelegt, kein Anarchokapitalist, sondern ein "typischer Späthippie" ist) kam ich auf die Formel "Neither Big Gouverment nor Big Buisiness should rule". Eine Definition, die mühelos Leute wie mich und die meisten AnarchistInnen unter einen Hut bekommt.

Momo präsizierte in einem Kommentar Dr. Deans Minimalkriterien in, wie ich finde, sinnvoller Weise:
Ich glaube, wenn man jene Positionen, die Du als "linksliberal" klassifizierst, näher kennzeichnen will, sind's solche, die

a.) Freiheitsrechte nicht in Opposition zu solidarischem Handeln begreifen, sondern einen unauflöslichen Zusammenhang, ein wechselseitiges Bedingungsverhältnis zwischen beidem nicht nur belegen können, sondern auch leben, und die

b.) Individualität wirklich ernst nehmen, also sich wenig um Gruppenzugehörigkeit, Fraktionszwang und Ideologiehaftigkeit kümmern, sondern lieber selbst denken und die deshalb

c.) Kollektividentitäten, die als a priori behauptet werden und mit WERTUNGEN versehen werden, zurückweisen - Klasse, "Rasse" (die's ja nicht gibt im Falle des Menschen), Nation im vorpolitischen Sinne etc. -, aber auf die Kritik gesellschaftlicher Verhältnisse trotzdem nicht verzichten wollen (...) .

Insofern ist Selbstbestimmung auf allen Ebenen das Zentrum dieses Denkens - und allein sich selbst bestimmen geht nicht.

Die Möglichkeit zur Selbstbestimmung will man allen gleichermaßen zugestehen, nicht etwa, wie die Wirtschafts-Liberalen, nur den "Unternehmern". (...)
Allerdings müßten, nach meiner Formel und erst recht nach Momos Präzisierung, so einige Kandidaten hochkant von Dr. Deans Liste fliegen.
Rayson - 23. Apr, 15:47

Wenn man MomoRules' Kriterien ernst nimmt, dann müssten sich Linksliberale eigentlich auch gegen die Einordnung als solche wehren. Analog zur Marx-Regel (Groucho, nicht Karl).

MMarheinecke - 23. Apr, 17:57

Stimmt auffällig!

First_Dr.Dean - 23. Apr, 23:14

Okay, Rayson wurde von der Liste gestrichen. ;-)

Ihr vergesst etwas: Ich verfüge über eine Geheimformel. Sie ist unfehlbar. Ich hoffe ja noch immer darauf, dass mir jemand Geld dafür bietet, dass ich ihn von der Liste streiche.

Mist! Muss ich mir wieder eine neue Geschäftsidee ausdenken.

che2001 - 27. Apr, 09:27

Die Kategorien sind schwierig: Linksliberal meint einmal den linken Flügel des Liberalismus, aktuell also vor allem Liberale mit starkem Bezug auf Menschen- und BürgerInnenrechte, Engagement in humanitären Initiativen usw. mit ordoliberalen wirtschaftspolitischen Vorstellungen in Abgrenzung zu Wirtschaftsliberalen, da, wo ich her komme, bezeichnet der Begriff hingegen nichtkommunistische Linke, und zwar deren gemäßigten Flügel in Angrenzung zu Linksradikalismus. Da sind dann linke Grüne und SozialdemokratInnen, die den bürokratisch-korporatistischen Kanalarbeitern, den "Betonsozis" fernstehen Lnksliberale. In der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft ist es allgemein üblich, "Zeit", "Stern", "Spiegel" als liberale, "FR", "SZ" und "taz" als linksliberale Presse zu bezeichnen. Was für eine Schnittmenge von Linksliberalismus bleibt denn da übrig?

US-Libertarian: Die Standpunkte von Leuten, die sich in den USA so nennen, reichen von Anarchokapitalisten über Menschenrechtsaktivisten mit ökologischen und antisexistisch/antirassistischen Positionen bis zu klassischen Anarchisten, nur die Leute in Deutschland, die sich mit Rekurs auf US-Libertarians Libertäre nennen, sind das, was ich da skizziert hatte. Kommunitaristen von Etzoni bis Walzer sind in den USA teilweise das, was bei uns Liberale wären, teilweise würde man sie als Realo-Grüne einordnen. Dr. Dean, pack mal Dein Patentrezept aus, da wartet noch eine Mail auf Antwort.

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