Ambivalenzen ertragen ist schwierig
Dass der von mir sehr geschätzte Dichter Rainer Maria Rilke auch seine "dunklen Seiten", sprich eine Neigung zum schwärmerisch "Deutsch-Völkischen" hatte, ist mir nicht neu.
Dennoch erschreckte es mich, als ich im Zuge meiner Recherchen über die "Bremer Böttcherstraße" auf diesen Artikel von Ferdinand Krogmann stieß:
Rilke als "Kulturheld des Jahres".
Ich nehme Krogmanns Darstellung sehr ernst, da er, als geradezu bessener Archivgänger, seine unangenehmen Wahrheiten z. B. über die Künstlerkolonie Worpswede und über die Böttcherstraße akribisch belegen kann. nordwestradio: Wird im Künstlerdorf Worpswede Geschichte geschönt?
Ich zweifle keine Sekunde daran, dass Krogmann auch in diesen Aufsatz alle Fakten "gerichtsfest" recherchiert hat. (Dass Krogmann andersseits anachronistisch argumentiert, sei ihm nachgesehen. "Nordisch" ist z. B. im Kontext der Lebensreformer und Frühexpressionisten durchaus anders zu verstehen als in der NS-Rassenlehre. Auch wenn es Verbindungslinien gibt.)
Es war vielleicht keine Verwirrung des Denkens, wenn Rilke in seinen letzten Lebensjahren für Mussolini und den Faschismus schwärmte.
Dennoch erschreckte es mich, als ich im Zuge meiner Recherchen über die "Bremer Böttcherstraße" auf diesen Artikel von Ferdinand Krogmann stieß:
Rilke als "Kulturheld des Jahres".
Ich nehme Krogmanns Darstellung sehr ernst, da er, als geradezu bessener Archivgänger, seine unangenehmen Wahrheiten z. B. über die Künstlerkolonie Worpswede und über die Böttcherstraße akribisch belegen kann. nordwestradio: Wird im Künstlerdorf Worpswede Geschichte geschönt?
Ich zweifle keine Sekunde daran, dass Krogmann auch in diesen Aufsatz alle Fakten "gerichtsfest" recherchiert hat. (Dass Krogmann andersseits anachronistisch argumentiert, sei ihm nachgesehen. "Nordisch" ist z. B. im Kontext der Lebensreformer und Frühexpressionisten durchaus anders zu verstehen als in der NS-Rassenlehre. Auch wenn es Verbindungslinien gibt.)
Indem Rilke die Mitmenschlichkeit mißbilligt, greift er 1926 sein politisches Glaubensbekenntnis wieder auf, das er 1896 in seiner Erzählung "Der Apostel" verkündet hatte. Es lautet: In der menschlichen Seele gibt es keine schlimmeren Gifte als Nächstenliebe, Mitleid und Erbarmen, Gnade und Nachsicht. Deshalb geht der "Apostel", das Sprachrohr des Dichters, in die Welt, um die Liebe zu töten. Höhnisch bekennt er: "Wo ich sie finde, da morde ich sie." Denn das christliche Gebot der Nächstenliebe schwächt diejenigen, die es "blind und blöde" befolgen; und "der, den sie als Messias preisen, hat die ganze Welt zum Siechenhaus gemacht". Träger des Fortschritts kann nie die stumpfe Menge sein, sondern nur "der Eine, der Große, den der Pöbel haßt"; nur er kann rücksichtslos den Weg seines Willens gehen, "mit göttlicher Kraft und sieghaftem Lächeln". Ein Recht zu leben hat nur der Starke. Der marschiert vorwärts, selbst wenn die Reihen sich lichten. "Aber wenige Große, Gewaltige, Göttliche werden sonnigen Auges das neue gelobte Land erreichen, vielleicht nach Jahrtausenden erst, und sie werden ein Reich bauen mit starken, sehnigen, herrischen Armen auf den Leichen der Kranken, der Schwachen, der Krüppel. Ein ewiges Reich!"Etwas, das ich dem so empfindsamen und einfühlsamen Dichter nicht zugetraut hätte. Und doch - es paßt ins Bild. Selbst, wenn man unterstellt, das "der Apostel" kein "Sprachrohr des Autor" war.
Es war vielleicht keine Verwirrung des Denkens, wenn Rilke in seinen letzten Lebensjahren für Mussolini und den Faschismus schwärmte.
MMarheinecke - Montag, 16. April 2007