Die einst gefürchtete Vitaminmangelkrankheit
Rachitis, die bei Kindern zu bleibender Knochenverkrümmung führt, schien lange Zeit zumindest in Westeuropa der Vergangenheit anzugehören. Denn eine an an Kalzium, Phospat und Vitamin D / Provitamin D reiche Ernährung und etwas UV-Licht (10 Minuten Sonne pro Tag reichen bei hellhäutigen Menschen aus) beugen der Krankheit wirksam vor. Im Notfall helfen auch (preiswerte) Vitamin-D Präparate.
Dennoch tritt sie wieder vermehrt auf - möglicherweise aus falscher Sparsamkeit.
Eine soeben erschienene Studie, die eine unerwartet hohe Rate an Vitamin D-Mangel-Erkrankungen besonders bei Kindern asiatischer Herkunft in England feststellte, rechnet den Gesundheitspolitikern vor, dass die kostenlose Abgabe von Vitamin D an alle Kinder der gefährdeten Bevölkerungsgruppen deutlich billiger wäre, als die Behandlung der Folge-Erkrankungen.
C.S.Zipitis,et al.; “Vitamin D deficiency: prevention or treatment?”
Weshalb sind Kinder "asiatischer" Herkunft (damit sind in England vor allem Pakistanis und Inder gemeint, weniger Ostasiaten wie Chinesen) besonders betroffen? Ein ganz natürlicher "Risikofaktor" im englischen Klima ist ihre dunkle Haut - 10 Minuten Sonne täglich reichen bei ihnen eben nicht aus. Weniger "natürlich", aber bei den überwiegend zu den unteren Einkommensschichten gehörenden Südasiaten weit verbreitet, ist die mangelhafte Ernährung - vor allem, da hochwertige frische Lebensmittel in England verhältnismäßig teuer sind. Die Wohnverhältnisse und das Freizeitverhalten - auch Kinder aus Pakistani-Familien verbringen heute weniger Zeit im Freien als noch vor 20 Jahren, und Familienurlaub ist finanziell für viele nicht mehr drin - tragen das ihre zum Wiederaufleben der Rachitis bei.
Nachtrag: Eine eher zufällige (?) Fundsache zum Thema auf der Website der US-amerikanischen
National Academies -
Die Aufklärung des Vitamin D Rätsels . (Sehr viele der Texte der National Academy of Science liegen außer auf Englisch auf Chinesisch, Spanisch, Deutsch und Japanisch vor.)
MMarheinecke - Mittwoch, 6. September 2006
jedenfalls im Fernsehen. Im Abstand von nur neun Tagen "starteten" die Raumschiffe "Enterprise" (8. September 1966) und "Orion VII" (17. September 1966). Die Fernsehserien "Star Trek" ("Raumschiff Enterprise") und "Raumpatrouille" genießen nicht nur bei Science Fiction-Fans noch heute "Kultcharakter".
Dieser anhaltende Ruhm ist schwerlich durch den Charme veralteter Trickaufnahmen und erkennbar aus Sperrholz, Styropor und Pappmaché bestehender Sets zu erklären. (Obwohl das mühelos als solches erkennbare Bügeleisen auf dem Leitpult der "Orion" das vermutlich meistbelächelte Requisit der deutschen Fernsehgeschichte sein dürfte.) Es ist vielmehr das Konzept dieser beiden Serien, die ihre nachhaltige Wirkung auch auf nachfolgende Generationen bewirkte. Die meisten heutigen "Enterprise" und "Orion"-Fans waren zur Zeit der Erstsendung noch nicht einmal geboren.
Was die beiden Serien von fast allen anderen Sci-Fi-Fernsehserien bis in die 1990er unterschied, war die "utopische" Idee hinter der abenteuerlichen Handlung - das Konzept einer zukünftigen Gesellschaft, die sich wesendlich von der Heutigen unterscheidet. Die meisten Sci-Fi-Produktionen beschränken sich auf technische Neuerungen und äußere Faktoren (Invasoren aus dem All, globale Katastrophen usw.), die Gesellschaft bleibt ansonsten die der Produktionszeit.
Allerdings waren die beiden Serien in dieser Hinsicht Pionierleistungen, die aus heutiger Sicht nicht immer überzeugen.
Die Zukunftswelt von "Star Trek" ist in der Originalserie ein grob skizzierter, aber deutlich durchscheinendes, Hintergrund: Die Episoden spielen in einer utopischen Zukunft, in der die Menschheit als globale Einheit die gängigen Probleme wie Rassismus, Intoleranz, soziale Ungleichheit und Krieg überwunden hat. Die Existenz eines Weltstaates wird angedeutet (dieser Konzept wurde erst in den nachfolgenden Serien und Filmen näher beleuchtet). Die Menschheit hat sich mit vielen außerirdischen Zivilisationen zur "United Federation of Planets" (UFP, mit einem dem UN-Emblem nicht unähnlichen Logo) verbündet. Obwohl die UFP mit der Sternenflotte eine militärische Organisation herausgebildet hat, ist deren Hauptfunktion die friedliche Erforschung fremder Welten und Zivilisationen.
Die Besatzung der "USS Enterprise" NCC 1701 ("No bloody A, B, C or D!")besteht aus Menschen verschiedener Nationen und einige Außerirdischen. Dies war zur Entstehungszeit der Serie sehr ungewöhnlich, da die politischen Verhältnisse in den damaligen USA immer noch stark durch Rassismus und den Kalten Krieg geprägt waren - und die Verhältnisse im Fernsehen durch eine rigorose Selbstzensur, die gesellschaftskritische oder tabuverletzende Inhalte nicht zuließ.
Tatsächlich versuchte der geistige Vater der Serie, Gene Rodenberry, in der Tarnung eines "Weltraum-Westerns" Elemente in das Fernsehprogramm zu bringen, die ansonsten einfach nicht "gingen". Außerdem war die Serie von Anfang an ein Magnet für z. T. sehr prominente Science Fiction-Autoren, die den hohen Standard ihrer Romane und Kurzgeschichte auch bei den Drehbüchern wahrten. (Es gibt allerdings auch einige Star Trek-Folgen, deren Drehbücher man hätte gründlich bearbeiten sollen - mit dem Papierschredder.)
"Star Trek" war die erste "echte" Science Fiction Serie mit fortlaufender Handlung der Fernsehgeschichte.
Allerdings mußten auch Kompromisse gemacht werden. So war die stets nur "Nummer 1" genannte energische und kompetente Erste Offizierin des Pilotfilmes in der Serie nicht durchsetzbar - es war schwer genug, den "satanisch" aussehenden Spock zu halten. Aus heutige Sicht wirkt die Darstellung von Frauen und Minderheiten etwas altmodisch - für die 1960er Jahre war das Programm fortschrittlich und gewagt. Legendär ist z. B. der erste Fernsehkuss zwischen einem weißen und einem schwarzen Charakter in den Vereinigten Staaten - in einige US-Bundesstaaten wurde diese Folge boykottiert.
Die utopische Welt der "Raumpatrouille" ist, laut Vorspanntext, der von "Star Trek" nicht unähnlich: "Es gibt keine Nationalstaaten mehr. Es gibt nur noch die Menschheit - und ihre Kolonien im Weltraum. Man siedelt auf fernen Sternen. Der Meeresboden ist als Wohnraum erschlossen. Mit heute noch unvorstellbaren Geschwindigkeiten durcheilen Raumschiffe unser Milchstraßensystem." Die aus nur sieben einstündigen Folgen bestehende Serie wird diesem utopische Anspruch allerdings nicht gerecht: Nicht nur, dass das Hauptthema - der Kampf gegen aggressive Außerirdische, die Frogs - wirklich ein alter Hut war, die militärische-autoritären Strukturen, die immer wieder durchscheinen, dürften schon 1966 ziemlich "altmodisch" gewesen sein. Im Dialog wird sehr viel gebrüllt, heruntergeputzt, hysterisch geschrien, was bei den durchweg erfahrenen Schauspielern wohl nicht dem Overacting, sondern den Dialogautoren geschuldet ist. Alles in allem entsteht statt dem Bild eines friedlichen Utopias das einer Streitmacht mit "defekter" innerer Führung, mit autoritären Vorgesetzten, intringaten Stabsoffizieren und nur widerstrebend gehochenden Frontsoldaten. Den meisten Flottenangehörigen liegen die Nerven sichtlich blank, von der professionellen Coolness eines Captain Kirk oder gar eines Spocks ist da nichts zu spüren. Auch die Erdregierung besteht - wie die Flottenführung - offensichtlich aus zynischen Machttaktikern. Unklar bleibt auch, wozu die gewaltige Raumflotte vor dem Erscheinen der Frogs gebraucht wurde, wie auch die Invasions-Motive einer Spezies, die gar nicht auf der Erde leben könnte, unklar bleiben. Sie sind einfach a) durch und durch bösartig und b) technisch weit überlegen.
Meiner Ansicht nach wirken in allen diesen Punkten Erfahrungen aus dem 2. Weltkrieg nach, die allerdings zu wenig reflektiert wurden. Bewußt "militaristisch" oder gar "faschistoid" ist die Serie nicht, dagegen sprechen schon die häufigen (sehr plakativen) pazifistischen Aussagen. Addiert man noch die völlig Ignoranz gegenüber psysikalischen und astronomischen Gegenbenheiten und das besonders absurd geratene "Technobabble" ("Rücksturz zur Erde") hinzu, fällt "Raumpatrouille" gegenüber "Star Trek" ganz gewaltig ab.
Allerdings - zwei der Folgen, bezeichnenderweise jene, in der die bösen Frogs gar nicht agieren, könnten inhaltlich ohne weiteres in "Star Trek" bestehen: "Hüter des Gesetzes" (Thema sind die asimovschen Robotgesetze bzw. ihre problematischen Auswirkungen bei "unlogischem" menschlichen Verhalten) und und "Kampf um die Sonne" (in der ein ehemaliger Kolonialplanet. auf dem sich eine matriarchalische Gesellschaft entwickelt hat, im Mittelpunkt steht). Gerade letztere Folge zeigt einen unerwarteten "Vorsprung" gegenüber der originale "Star Trek-Serie": Das Frauenbild in "Raumpatrouille" weitaus "moderner" als das in "Raumschiff Enterprise" - zumindest ließen sich "starke" und kompetente Frauen wie GSD-Sicherheitsoffizier Tamara Jagellowsk, General Lydia van Dyke oder "SIE", die Herrscherin von Chroma, im deutschen Fernsehen leichter "unterbringen" als im US-Fernsehen.
MMarheinecke - Mittwoch, 6. September 2006