"Null Toleranz" an Schulen bringt nichts
"Zero Tolerance" ist eine manchmal verblüffend wirksame, manchmal versagende, oft aus Sicht der Bürgerrechte problematische Strategie zur Verbrechensbekämpfung. (Hierzu mehr in meinem Artikel in "Odins Auge": Exkurs: Null Toleranz.)
Seit den Erfolgen bei der Bekämpfung der Alltagskriminalität in New York Anfang der 90er Jahre gilt "Null Toleranz“ als Patentrezept gegen Kriminalität aller Art und wird entsprechend gerne als Schlagwort verwendet.
Konservative und autoritäre Politiker kamen, zuerst wieder in den USA ab Mitte der 90er Jahre, auf die Idee, das z. B. Ladendiebstählen bewährte Prinzip, nichts, aber auch nichts, durchgehen zu lassen, auch auf andere Bereiche des Lebens auszudehnen. Aufgeschreckt durch Gewalttaten unter Schülern wurde beispielsweise eine "Zero Tolerance"-Politik an vielen öffentlichen Schulen durchgesetzt: hart durchgreifen, hart strafen. Disziplinarstrafen, Schulverweise und eine niedrige Schwelle für die Anwendung des Strafrechts. (Von nicht wenigen deutschen Politikern wird das als vorbildlich für deutsche Schulen angesehen.)
Nun hat die American Psychological Association eine Studie veröffentlicht, die die Zweifel vieler Bürgerrechtler an der populären "Zero Tolerance" an Schulen bestätigen: solche eine Politik funktioniert nicht nur nicht, sondern könnte im Gegenteil Schüler sogar zu undiszipliniertem Verhalten ermutigen.
USA Today (August 9, 2006): Zero Tolerance
Die "Zero Tolerance Mode" führte zu absurden Ergebnissen:
- In Colorado wurde ein Sechsjähriger vom Unterricht ausgeschlossen, weil er die Anti-Drogen-Bestimmungen der Schule verletzt hatte, indem ein einen Zitronenbonbon mit einem Freund geteilt hatte.
- In New Jersey wurde zwei Kindergarten-Kinder ausgeschlossen, weil sie gegen Waffenbestimmungen verstoßen hatten, indem sie mit den Fingern aufeinander gezeigt hatten und dabei "Peng, Peng" riefen.
- In Georgia wurde ein High School Schüler von Unterricht ausgeschlossen, weil er seine Freundin auf dem Flur auf die Stirn geküßt hatte: der Kuss verstieß gegen die Vorschriften der Schule gegen "unsittliche Berührungen".
- In Virginia wurde acht Schüler ausgeschlossen, nachdem beim Schnupfen von Kool-Aid erwischt worden waren. Sie wurden wegen des "Besitzes von verbotenen Substanzen" angezeigt, weil sie das Brausepulver "in einer Weise benutzten, die den Gebrauch illegaler Drogen imitierte", wie Schulvertreter erläuterten.
- In Maryland wurde ein Neunjähriger ausgeschlossen, weil er auf ein Gewehr auf einem Stück Papier zeichnete.
Selbstverständlich tragen solche hysterische Überreaktionen auf ganz normales kindliches Verhalten nicht wirklich zur Sicherheit an Schulen bei.
Die American Psychological Association (APA) forderte deshalb laut USA Today mehr Flexibilität und gesunden Menschenverstand bei den Anwendung der Vorschriften. Null Toleranz sollte allein für die die Sicherheit an Schulen ernsthaft gefährdenden Verstöße vorbehalten bleiben.
Ein APA Sprechen sagte, dass der alles-über-einen-Kamm Ansatz nicht funktioniert. Aspirin zur Schule mitzubringen, ist nicht das selbe wie Kokain mitzunehmen. Ein Plastikmesser ist nicht das selbe wie eine Pistole.
Schlimmer noch, Null-Toleranz Vorschriften könneten sogas den Lernerfolg beeinträchtigen. Studien zeigen, dass Schüler an Schulen mit starkem sozialen Druck oder hohen Verweis-Raten laut APA weniger akademischen Erfolg haben. Außerdem brechen Schüler, die vom Untericht suspendiert wurden (selbst bei geringfügigen Vergehen) häufiger die Schule ab als andere Schüler.
Ich denke, dass sollte Anlaß genug für jene Bildungspolitiker sein, die "mehr Diziplin" an Schulen im Sinne der Null-Toleranz fordern, einmal den Blick auf die amerikanischen Erfahrungen zu werfen. Und Anlaß zum Nachdenken für geplagte Eltern und Lehrer, die resigniert meinen, nur noch konsequentes hartes Durchgreifen könne die Schüler dazu bringen, endlich "vernünftig" zu lernen. Offenbar ist das Gegenteil der Fall.
Seit den Erfolgen bei der Bekämpfung der Alltagskriminalität in New York Anfang der 90er Jahre gilt "Null Toleranz“ als Patentrezept gegen Kriminalität aller Art und wird entsprechend gerne als Schlagwort verwendet.
Konservative und autoritäre Politiker kamen, zuerst wieder in den USA ab Mitte der 90er Jahre, auf die Idee, das z. B. Ladendiebstählen bewährte Prinzip, nichts, aber auch nichts, durchgehen zu lassen, auch auf andere Bereiche des Lebens auszudehnen. Aufgeschreckt durch Gewalttaten unter Schülern wurde beispielsweise eine "Zero Tolerance"-Politik an vielen öffentlichen Schulen durchgesetzt: hart durchgreifen, hart strafen. Disziplinarstrafen, Schulverweise und eine niedrige Schwelle für die Anwendung des Strafrechts. (Von nicht wenigen deutschen Politikern wird das als vorbildlich für deutsche Schulen angesehen.)
Nun hat die American Psychological Association eine Studie veröffentlicht, die die Zweifel vieler Bürgerrechtler an der populären "Zero Tolerance" an Schulen bestätigen: solche eine Politik funktioniert nicht nur nicht, sondern könnte im Gegenteil Schüler sogar zu undiszipliniertem Verhalten ermutigen.
USA Today (August 9, 2006): Zero Tolerance
Die "Zero Tolerance Mode" führte zu absurden Ergebnissen:
- In Colorado wurde ein Sechsjähriger vom Unterricht ausgeschlossen, weil er die Anti-Drogen-Bestimmungen der Schule verletzt hatte, indem ein einen Zitronenbonbon mit einem Freund geteilt hatte.
- In New Jersey wurde zwei Kindergarten-Kinder ausgeschlossen, weil sie gegen Waffenbestimmungen verstoßen hatten, indem sie mit den Fingern aufeinander gezeigt hatten und dabei "Peng, Peng" riefen.
- In Georgia wurde ein High School Schüler von Unterricht ausgeschlossen, weil er seine Freundin auf dem Flur auf die Stirn geküßt hatte: der Kuss verstieß gegen die Vorschriften der Schule gegen "unsittliche Berührungen".
- In Virginia wurde acht Schüler ausgeschlossen, nachdem beim Schnupfen von Kool-Aid erwischt worden waren. Sie wurden wegen des "Besitzes von verbotenen Substanzen" angezeigt, weil sie das Brausepulver "in einer Weise benutzten, die den Gebrauch illegaler Drogen imitierte", wie Schulvertreter erläuterten.
- In Maryland wurde ein Neunjähriger ausgeschlossen, weil er auf ein Gewehr auf einem Stück Papier zeichnete.
Selbstverständlich tragen solche hysterische Überreaktionen auf ganz normales kindliches Verhalten nicht wirklich zur Sicherheit an Schulen bei.
Die American Psychological Association (APA) forderte deshalb laut USA Today mehr Flexibilität und gesunden Menschenverstand bei den Anwendung der Vorschriften. Null Toleranz sollte allein für die die Sicherheit an Schulen ernsthaft gefährdenden Verstöße vorbehalten bleiben.
Ein APA Sprechen sagte, dass der alles-über-einen-Kamm Ansatz nicht funktioniert. Aspirin zur Schule mitzubringen, ist nicht das selbe wie Kokain mitzunehmen. Ein Plastikmesser ist nicht das selbe wie eine Pistole.
Schlimmer noch, Null-Toleranz Vorschriften könneten sogas den Lernerfolg beeinträchtigen. Studien zeigen, dass Schüler an Schulen mit starkem sozialen Druck oder hohen Verweis-Raten laut APA weniger akademischen Erfolg haben. Außerdem brechen Schüler, die vom Untericht suspendiert wurden (selbst bei geringfügigen Vergehen) häufiger die Schule ab als andere Schüler.
Ich denke, dass sollte Anlaß genug für jene Bildungspolitiker sein, die "mehr Diziplin" an Schulen im Sinne der Null-Toleranz fordern, einmal den Blick auf die amerikanischen Erfahrungen zu werfen. Und Anlaß zum Nachdenken für geplagte Eltern und Lehrer, die resigniert meinen, nur noch konsequentes hartes Durchgreifen könne die Schüler dazu bringen, endlich "vernünftig" zu lernen. Offenbar ist das Gegenteil der Fall.
MMarheinecke - Donnerstag, 17. August 2006