Das neue Urheberrecht, dass zur Zeit (29.06.06.) in erster Lesung im Bundestag beraten wird, hat eine Reihe problematische Punkte. Viel diskutiert wurde die de facto Einschränkung des Rechts auf die Privatkopie. tagesschau.de:
Urheberrecht: Was ist erlaubt, was ist verboten?
Nach Angaben der Bundesregierung sorgt das neue Urheberrecht für einen fairen Interessenausgleich zwischen den Kreativen, den Verwertern, der Geräteindustrie, den Nutzern sowie dem Kulturbetrieb und der Wissenschaft. Das sehen die Kreativen, Verwerter, Nutzer, der Kulturbetrieb und die Wissenschaft allerdings anders. netzeitung:
Urheberrechtsnovelle scharf kritisiert. Es ist z. B. für den Wissenschaftsbetrieb nicht gerade förderlich, wenn elektronisch verfügbare Medien nicht z. B. in Universitäts-Instituten öffentlich zugänglich gemacht und wiedergeben werden dürfen. Dieses Recht wird im Gesetzentwurf nur öffentlichen Bibliotheken, Museen oder Archiven zugestanden. Völlig praxisfremd im Zeitalter der lokalen Netzwerke ist, dass in Bildungseinrichtungen der Zugang zu elektronisch verfügbaren Medien nur auf eigens eingerichtete Leseplätze beschränkt werden soll. Außerdem erhalten kommerzielle Anbieter praktisch ein gesetzliches Monopol zur Vervielfältigung und Übermittlung von digitalen Inhalten. Ein nicht unerheblicher Kostenfaktor.
Nur die Geräteindustrie und - in Teilbereichen - die "Großen" der Musik- und Filmindustrie sowie einige Großverlage dürften mit dem Gesetzentwurf zufrieden sein.
Nach dem Gesetzentwurf soll die Vergütung für die Urheber zwischen den Verwertungsgesellschaften und den Herstellern von Geräten, mit denen Kopien gefertigt werden können, ausgehandelt werden. Der Entwurf schreibt als Obergrenze fünf Prozent des Verkaufspreises des jeweiligen Gerätes fest. Bisher sind die auf den Kaufpreis aufgeschlagenen Abgaben gesetzlich detailliert geregelt.
Das klingt liberal, nach dem Abau überflüssiger Regelungen, nach Vertragsfreiheit.
Wegen der
vorgeschriebenen(!) Obergrenze von 5% des Gerätepreises kann von "Vertragsfreiheit" keine Rede sein. Die starre Obegrenze hat bei erfahrungsgemäß eher fallenden Gerätepreisen auch fallende Vergütungen zufolge. Ein weiterer Unterschied zwischen liberaler Theorie und "Friss- oder Stirb"-Praxis liegt darin, dass die Verhandlungsposition der Verwertungsgesellschaften gegenüber der Industrie schon aus technischen Gründer sehr schlecht ist. Was unter Umständen zur Folge hat, dass noch nicht einmal die maximal möglichen 5% erreicht werden.
Nach Angaben der VG Wort drohen den von ihr vertretenen Autoren und Verlegern (das sind praktisch alle in Deutschland) Einnahmeverluste von mindestens 40 Prozent. Bei den Komponisten und Musikverlagen ist die Lage sogar noch heikler: tagesschau.de:
Musikautoren befürchten Millionenverluste
tagesschau.de:
Unternehmerinteressen vor Urheberrechten?
netzeitung:
Bündnis gegen neues Urheberrecht.
Ein weiterer Punkt, der mich (und meine Website) persönlich stark betrifft, und in dem Verleger und Autoren im Gegensatz zur Kopievergütung auf unterschiedlichen Seiten stehen, sind die Zweitverwertungsrechte.
Das sind Rechte der eigentliche "Urheber", nämlich der Autoren gegenüber den Rechteverwertern, etwa den Verlagen, auf ihr eigenes Werk. Bisher ist es etwa üblich, das nach einer angemessenen Frist, etwa einem halben Jahr, der Autor seinen z. B. in einer Zeitschrift veröffentlichten Artikel auf seine persönliche Website stellen kann. Grundsätzlich bleiben die Urheberrechte beim Autoren, auch wenn anderes vereinbart werden kann.
Nach der neuen Regelung gehen die "Urheberrechte" im Regelfall (wenn nicht anderes vereinbart wird) vom eigentlichen Urheber auf den Verwerter über. Kostenlose "Altartikel" im Internet wird es dann wohl kaum noch geben.
Das ist vor allem für die Wissenschaft wichtig. Wenn z. B. ein Student eine Tabelle zu einer Studie aus einen Zeitschriftartikel übernehmen will, dann wendet er sich bisher an das Institut, das die Studie und die Tabelle verfaßt hat. In aller Regel erhält er die Genehmigung ohne Probleme und kostenfrei.
Gemäß der neuen Regelung muß sich der Student an den Verlag zu wenden. Ob eine unkomplizierte und kostenfreien Verwendung "urheber"-rechtlich geschützten Materials dann noch möglich sein wird, darf bezweifelt werden. Verlage sind nun einmal Wirtschaftsunternehmen.
Ich gebe gern zu, dass ich in parteisch bin. Aber ich halte meine Interessen und die der wirklich "Kulturschaffenden" für äußerst legitim. Von den Interessen der "Kultur", der "wissenschaflichen Welt" oder der "Bildung", um nur einige der von mir sehr geschätzten Konstrukte zu nennen, ganz abgesehen.