Hartz-IV-Ombudsratsbericht, Politiker und Medien
Es ist bemerkenswert und bezeichnend. Vorgestern erschien der Bericht des Ombudsrates für Grundsicherung über die Auswirkungen der Hartz IV-Reform. Darin wurde festgestellt, dass es ein Kompetenzwirrwarr in den ARGEs gibt, das ein effizientes Arbeiten nahezu unmöglich macht. Außerdem macht der Bericht deutlich: der Missbrauch beim Arbeitslosengeld II ist kein Massenphänomen. Die Agentur für Arbeit selbst beziffert ihn auf unter 3%.
Trotzdem wird die "Schmarotzerlegende" weiterverbreitet. Zum Beispiel vom Fraktionsvorsitzenden der SPD, Dr. Peter Struck. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 25.6. meinte er:
Diese Legende ist bequem, sie erspart es den verantwortlichen Politikern, schwere handwerkliche Fehler bei der Reform und illusionäre wirtschaftpolitische Vorstellungen zugeben zu müssen. Diese Legende kommt natürlich auch bestimmten, konservativen und (pseudo-)wirtschaftliberalen, Interessenvertretern zupaß. Und sie ist populär, denn primitives Kostenstellendenken ist hierzulande genau so Massenerscheinung wie Sozialneid. ("Ich muß für meine paar Kröten ohne Ende malochen, und die da kriegen fürs faul Rumsitzen fast dasselbe" - die Aussagen Strucks und Becks ziehen genau auf dieses Klientel, so wie Müllers Arbeitsdienstidee bei autoritär gestrickten Kleinbürgern gut ankommen dürfte.)
Ärgerlich - und bezeichnend - ist auch die Berichterstattung über den Ombudsratbericht in den Medien. Die Erkenntnisse des Ombudsrates im Bezug auf den angeblichen Missbrauch beim ALG II scheinen eher totgeschwiegen zu werden. Man findet im Internet hauptsächlich gekürzte Artikel, in denen zwar das Kompetenzwirrwarr bei den ARGEs ausführlich behandelt wird, aber Informationen über den geringen Umfang des ALG II Missbrauchs fehlen.
Das ruft natürlich Verschwörungstheorien auf den Plan:
In solchen Fällen gilt die Faustregel:
Versuche nie durch Konspiration zu erklären, was auf Chaos oder Inkompetenz zurückgeführt werden muss. (J.Joffe)
Die Legende vom massenhaften ALG II Missbrauch paßt sehr gut zum allgemein boulevardisierten Journalimus - dem Drang, spannende Unterhaltung auch dort zu liefern, wo sie nicht hingehört, dem Zwang zur Kürze und Vereinfachung, dem Hang, Themen zu personalisieren, und der Neigung, die Vorurteile der Zuschauer und Leser zu bestätigen. Rechnet man den tatsächlichen Einfluß von Lobbyisten, Seilschaften und Parteienfilz hinzu, überrascht es nicht, dass die Schmarotzerlegende von "Stern" bis "Bild", von "Christiansen" bis "taff" so verbreitet ist.
Nun verpaßt der Bericht des Ombudsrates nicht nur Politikern, sondern auch vielen, sehr vielen, Journalisten eine schallende Ohrfeige: "Ihr habt die ganze Zeit Unsinn verbreitet". Es überrascht mich nicht, dass diese peinliche Tatsache gern vertuscht wird. Zumal sich mit Stories über Sozialschmarotzer so schön Auflage und Quote machen läßt.
Trotzdem wird die "Schmarotzerlegende" weiterverbreitet. Zum Beispiel vom Fraktionsvorsitzenden der SPD, Dr. Peter Struck. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 25.6. meinte er:
Das Menschenbild, das wir hatten, war vielleicht zu positiv. Es war zu optimistisch anzunehmen, dass Menschen das System nur in Anspruch nehmen, wenn sie es wirklich brauchen.Dieser Satz, wäre angemessen, wenn es wirklich eine unerwartete Kostenexplosion durch massenhaften Leistungsmißbrauch geben würde. Auch die bizarren (und grundgesetzwidrigen) Vorschläge des CSU-Abgeordneten Stefan Müllers, die eine Art "Arbeitsdienst" vorsehen, sind nur vor dem Hintergrund der Massenmißbrauchs-Legende verständlich.
Diese Legende ist bequem, sie erspart es den verantwortlichen Politikern, schwere handwerkliche Fehler bei der Reform und illusionäre wirtschaftpolitische Vorstellungen zugeben zu müssen. Diese Legende kommt natürlich auch bestimmten, konservativen und (pseudo-)wirtschaftliberalen, Interessenvertretern zupaß. Und sie ist populär, denn primitives Kostenstellendenken ist hierzulande genau so Massenerscheinung wie Sozialneid. ("Ich muß für meine paar Kröten ohne Ende malochen, und die da kriegen fürs faul Rumsitzen fast dasselbe" - die Aussagen Strucks und Becks ziehen genau auf dieses Klientel, so wie Müllers Arbeitsdienstidee bei autoritär gestrickten Kleinbürgern gut ankommen dürfte.)
Ärgerlich - und bezeichnend - ist auch die Berichterstattung über den Ombudsratbericht in den Medien. Die Erkenntnisse des Ombudsrates im Bezug auf den angeblichen Missbrauch beim ALG II scheinen eher totgeschwiegen zu werden. Man findet im Internet hauptsächlich gekürzte Artikel, in denen zwar das Kompetenzwirrwarr bei den ARGEs ausführlich behandelt wird, aber Informationen über den geringen Umfang des ALG II Missbrauchs fehlen.
Das ruft natürlich Verschwörungstheorien auf den Plan:
Es scheint so, als wäre einigen Menschen daran gelegen die Tatsache, daß der Missbrauch beim ALG II eben nicht wie von einigen behauptet katastrophal hoch ist, möglichst totzuschweigen. Diese Menschen scheinen über solch große Macht zu verfügen, daß die gängigen Onlinemedien am heutigen Tage nicht mehr darüber berichten.(auf indimedia).
In solchen Fällen gilt die Faustregel:
Versuche nie durch Konspiration zu erklären, was auf Chaos oder Inkompetenz zurückgeführt werden muss. (J.Joffe)
Die Legende vom massenhaften ALG II Missbrauch paßt sehr gut zum allgemein boulevardisierten Journalimus - dem Drang, spannende Unterhaltung auch dort zu liefern, wo sie nicht hingehört, dem Zwang zur Kürze und Vereinfachung, dem Hang, Themen zu personalisieren, und der Neigung, die Vorurteile der Zuschauer und Leser zu bestätigen. Rechnet man den tatsächlichen Einfluß von Lobbyisten, Seilschaften und Parteienfilz hinzu, überrascht es nicht, dass die Schmarotzerlegende von "Stern" bis "Bild", von "Christiansen" bis "taff" so verbreitet ist.
Nun verpaßt der Bericht des Ombudsrates nicht nur Politikern, sondern auch vielen, sehr vielen, Journalisten eine schallende Ohrfeige: "Ihr habt die ganze Zeit Unsinn verbreitet". Es überrascht mich nicht, dass diese peinliche Tatsache gern vertuscht wird. Zumal sich mit Stories über Sozialschmarotzer so schön Auflage und Quote machen läßt.
MMarheinecke - Sonntag, 25. Juni 2006