Was wäre, wenn Jesus Kinder gehabt hätte? Na und?!?
Nach viel Hype und Hysterie kommt er in die Kinos - und enttäuschte die Kritiker: Der Film nach Dan Browns Bestseller" The Da Vinci Code“ ("Sakrileg"). Als Roman funktionierte das ungeheuerliche Verschwörungsgarn trotz Plausibilitätslücken, durch die man einen Supertanker steuern könnte, dank einer geschickten Kombination aus fantastischer historischer Spekulation und Rätselkrimi noch ganz gut; ein Film muß sich notgedrungen auf das Wesendliche beschränken - und das ist im Grunde herzlich wenig.
"Wenn diese Lüge erkannt wird, wird die größte Krise der Geschichte den christlichen Glauben erschüttern " - so heißt es im Roman. Und für christliche Fundamentalisten der naiveren Sorte mag das wirklich starker Tobak sein: Im "Da Vinci Code" geht es um zwei rivalisierende christliche Geheimgesellschaften. Die eine ist ein Schattenkonzil, das mit dem (real existierenden) Opus Dei zusammenhängt, die andere der Geheimbund Prieuré de Sion, angeblich eine Parallelgründung zum Templerorden (tatsächlich ein kleiner Esoteriker-Verein, gegründet 1956, der von einem französischen Geschichtsfälscher hochgestapelt wurde). Finsterlinge vom Opus Dei wollen die letzten Spuren einer verschütteten historischen Wahrheit beseitigen, während die Prieuré die Wahrheit über Jesus zumindest im Untergrund weiter überliefern: seine Ehe mit Maria Magdalena, das gemeinsame Kind, das von Jesus abstammenden Königsgeschlecht der Merowinger, das heimliche Fortbestehen der Merowinger-Dynastie bis in die Gegenwart.
Allerdings waren sich Lincoln, Baigent und Leigh, die mit ihrem Sachbuch "The Holy Blood and the Holy Grail" ("Der heilige Gral und seine Erben") diese Spekulation populär machten, der Sprengkraft der zentralen These keineswegs sicher:
Nehmen wir mal probeweise an, die zentralen Thesen der "Gralstheorie" wären wahr. Müßte etwa die katholische Kirche um ihre Legitimität bangen? Würde ihr dogmatisches und theologisches Lehrgebäude in sich zusammenbrechen wie ein Kartenhaus?
Mit Sicherheit nicht! Man muß nämlich, was Brown in seinem Roman nicht tut, und was Lincoln, Baigent und Leigh in ihren Sachbuch nicht durchhalten, mythologische bzw. religiöse und historische Quellen unterschiedlich lesen. Die Evangelien sind aber eindeutig mythische Texte. Ihre "Wahrheit" (für den Gläubigen) liegt in personalen Werten, wie Vertrauen, Weisheit, Güte, Liebe. Die adäquate Haltung gegenüber mythischen Texten wie den Evangelien ist nicht die eines kritisch-reflektierenden Abstandes, sondern diejenige der Nachfolge. Sie wollen kein historisch-biographisches Wissen darbieten, sondern Maßstäbe und Ansprüche, gekleidet in eine bildhafte Sprache.
Am konkreten Bespiel: Aus historischer Sicht stellt sich die Frage nach Jesus Auferstehung gar nicht - entweder Jesus starb am Kreuz oder er Überlebte die Kreuzigung. Die Auferstehung kann als metaphyische Glaubenswahrheit nicht Bestandteil einer methodologisch-atheistischen wissenschaftlichen Betrachtung sein.
Einiges spricht tatsächlich dafür, dass der historische Jesus verheiratet war - z. B. wird er "Rabbi" genannt, und Rabbiner müssen verheiratet sein. Aber für die metaphysische, mythologische Botschaft ist das ein unwesendliches Detail.
Hinzu kommt, dass alle "außerbiblischen" und "apokryphischen" Überlieferungen für die christliche Theologie wenig relevant sind. Der christliche Jesus ist allein der Jesus, wie er im Neuen Testament erscheint. Diesem Jesus kommt es auf Nachfolger an, nicht auf Nachkommen. Egal, wie viele Kinder der historische Rabbi Jeshua ben Josef möglicherweise hatte! Käme nun ein archäologischer Beweis dafür ans Licht, dass Jesus mit Maria Magdalena Kinder hatte, würde das zwar für einige Aufregung sorgen, aber das theologische Gebäude gerade der katholischen Kirche wäre wenig erschüttert.
Erst recht gilt das für die Abstammung der Merowinger. Die germanischen Stämme zählte auch Götter zu ihren Ahnen, Könige führten ihre Abstammung auf Wotan, Ing oder Mannus zurück. Für einen Germanenfürsten war es völlig selbstverständlich gewesen, nach der Taufe Jesus zu "seinen Ahnen" zu zählen - mythisch verstanden, nicht genetisch!
Tatsächlich dürfte es (genetische) Nachkommen der Merowinger geben, denn als die Karolinger dieses fränkische Königsgeschlecht entmachteten, brachten sie nicht alle Menschen mit "Merowingerblut" um. Es ist gut möglich, dass die französische Adelsfamilie Monpézat, aus der z. B. der dänische Prinzgemahl Henrik, Comte de Laborde de Monpézat, stammt, sich bis auf merowingische Vorfahren zurückführen läßt. Wenn die "Gralstheorie" stimmen würde, wäre Kronprinz Frederik ein heißer Anwärter auf den Thron von Jerusalem und den Thron eines Kaiser des Abendlandes. Irgendwelche Ambitionen in dieser Richtung sind seitens des dänischen Hofes nicht bekannt. Tatsächlich vermischen sich ausgerechnet die "heißesten Anwärter" auf ein "Gralskönigtum" freudig mit "bürgerlichem Blut" ...
Ob sich daran auch nur das Geringste ändern würde, wäre die "Gralsfamilien"-Hypothese wahr, darf durchaus bezweifelt werden.
Der einzige für die katholische Kirche wirklich brisante Punkt wäre die libertäre Sexualethik, die sich aus der "Gralshypothese" ergibt. Allerdings hat es in der Kirchengeschichte immer Rebellen und "Ketzer" gegeben, die mit der repressiven Sexualmoral der katholische Kirche über Kreuz lagen. Die meisten von ihnen beriefen sich auf biblische, von der Kirche anerkannte, Texte - und konnten die katholische Kirche dennoch nicht erschüttern. "Gralsanhängern" würde wahrscheinlich, selbst mit einem archäologischen Beweis im Rücken, nichts anderes übrig bleiben, als ihre eigene Kirche aufzumachen.
Also: der Vatikan hätte, selbst wenn die Gralsfamilien-Geschichte wahr wäre, wenig zu befürchten. Die dem Thriller Dan Browns zugrunde liegende Annahme hat in Wirklichkeit gar keinen Thrill.
Nichts ist es mit "der größten Krise der Geschichte des christlichen Glaubens". Allenfalls naive Fundamentalisten - die es weder im Vatikan noch im Opus Dei geben dürfte - könnte die wage Möglichkeit, dass an der Gralsgeschichte etwas dran sein könnte, ernsthaft beunruhigen.
Übrigens, folgt man den Kritiken definiert der Film nicht gerade das Spannungskino neu.
Stern online findet den Film immerhin noch unterhaltsam: Indiana Jones für Studiosus-Kunden
Spon ist da schon weniger gnädig: Mönchhausens Abenteuer
Die Welt online bringt es auf den Punkt: Viel Lärm um nichts
Sachlich, aber eindeutig, die SZ: Viel Gral um nichts
Saftiger Veriss eingehende Kritik in der NZZ online: Ausgedörrt
Auch Christiane Peitz vom "Tagesspiegel" war nicht begeistert: Die Gralsverhüter
Ich weiß schon, welchen Film ich unbedingt versäumen werde.
"Wenn diese Lüge erkannt wird, wird die größte Krise der Geschichte den christlichen Glauben erschüttern " - so heißt es im Roman. Und für christliche Fundamentalisten der naiveren Sorte mag das wirklich starker Tobak sein: Im "Da Vinci Code" geht es um zwei rivalisierende christliche Geheimgesellschaften. Die eine ist ein Schattenkonzil, das mit dem (real existierenden) Opus Dei zusammenhängt, die andere der Geheimbund Prieuré de Sion, angeblich eine Parallelgründung zum Templerorden (tatsächlich ein kleiner Esoteriker-Verein, gegründet 1956, der von einem französischen Geschichtsfälscher hochgestapelt wurde). Finsterlinge vom Opus Dei wollen die letzten Spuren einer verschütteten historischen Wahrheit beseitigen, während die Prieuré die Wahrheit über Jesus zumindest im Untergrund weiter überliefern: seine Ehe mit Maria Magdalena, das gemeinsame Kind, das von Jesus abstammenden Königsgeschlecht der Merowinger, das heimliche Fortbestehen der Merowinger-Dynastie bis in die Gegenwart.
Allerdings waren sich Lincoln, Baigent und Leigh, die mit ihrem Sachbuch "The Holy Blood and the Holy Grail" ("Der heilige Gral und seine Erben") diese Spekulation populär machten, der Sprengkraft der zentralen These keineswegs sicher:
Die Schlußfolgerungen, die wir zogen, waren zwar verblüffend, aber durchaus nicht erschütternd. Weder machten sie eine Neubewertung unserer persönlichen Überzeugungen nötig, noch ließen sie uns an unseren persönlichen Wertmaßstäben zweifeln.Noch deutlicher, einige Seiten weiter:
Überhaupt ist es schwer, sich vorzustellen, wodurch sie ein Nachfahre Jesu von der übrigen Menschheit unterscheiden sollte. Er hätte in der Zwischenzeit nicht nur jegliche übernatürliche Aura eingebüßt, sondern es wäre den meisten Menschen höchst gleichgültig, ob der Sohn Gottes zu seinen Vorfahren zählt oder nicht. Nach unserer Meinung würde sogar ein "unwiderlegbarer Beweis" für ein solches dynastisches Erbe nicht für irgendwelches Aufsehen sorgen.Diese realistische Einschätzung klingt nicht gerade nach "der größten Krise der Geschichte des christlichen Glaubens".
Nehmen wir mal probeweise an, die zentralen Thesen der "Gralstheorie" wären wahr. Müßte etwa die katholische Kirche um ihre Legitimität bangen? Würde ihr dogmatisches und theologisches Lehrgebäude in sich zusammenbrechen wie ein Kartenhaus?
Mit Sicherheit nicht! Man muß nämlich, was Brown in seinem Roman nicht tut, und was Lincoln, Baigent und Leigh in ihren Sachbuch nicht durchhalten, mythologische bzw. religiöse und historische Quellen unterschiedlich lesen. Die Evangelien sind aber eindeutig mythische Texte. Ihre "Wahrheit" (für den Gläubigen) liegt in personalen Werten, wie Vertrauen, Weisheit, Güte, Liebe. Die adäquate Haltung gegenüber mythischen Texten wie den Evangelien ist nicht die eines kritisch-reflektierenden Abstandes, sondern diejenige der Nachfolge. Sie wollen kein historisch-biographisches Wissen darbieten, sondern Maßstäbe und Ansprüche, gekleidet in eine bildhafte Sprache.
Am konkreten Bespiel: Aus historischer Sicht stellt sich die Frage nach Jesus Auferstehung gar nicht - entweder Jesus starb am Kreuz oder er Überlebte die Kreuzigung. Die Auferstehung kann als metaphyische Glaubenswahrheit nicht Bestandteil einer methodologisch-atheistischen wissenschaftlichen Betrachtung sein.
Einiges spricht tatsächlich dafür, dass der historische Jesus verheiratet war - z. B. wird er "Rabbi" genannt, und Rabbiner müssen verheiratet sein. Aber für die metaphysische, mythologische Botschaft ist das ein unwesendliches Detail.
Hinzu kommt, dass alle "außerbiblischen" und "apokryphischen" Überlieferungen für die christliche Theologie wenig relevant sind. Der christliche Jesus ist allein der Jesus, wie er im Neuen Testament erscheint. Diesem Jesus kommt es auf Nachfolger an, nicht auf Nachkommen. Egal, wie viele Kinder der historische Rabbi Jeshua ben Josef möglicherweise hatte! Käme nun ein archäologischer Beweis dafür ans Licht, dass Jesus mit Maria Magdalena Kinder hatte, würde das zwar für einige Aufregung sorgen, aber das theologische Gebäude gerade der katholischen Kirche wäre wenig erschüttert.
Erst recht gilt das für die Abstammung der Merowinger. Die germanischen Stämme zählte auch Götter zu ihren Ahnen, Könige führten ihre Abstammung auf Wotan, Ing oder Mannus zurück. Für einen Germanenfürsten war es völlig selbstverständlich gewesen, nach der Taufe Jesus zu "seinen Ahnen" zu zählen - mythisch verstanden, nicht genetisch!
Tatsächlich dürfte es (genetische) Nachkommen der Merowinger geben, denn als die Karolinger dieses fränkische Königsgeschlecht entmachteten, brachten sie nicht alle Menschen mit "Merowingerblut" um. Es ist gut möglich, dass die französische Adelsfamilie Monpézat, aus der z. B. der dänische Prinzgemahl Henrik, Comte de Laborde de Monpézat, stammt, sich bis auf merowingische Vorfahren zurückführen läßt. Wenn die "Gralstheorie" stimmen würde, wäre Kronprinz Frederik ein heißer Anwärter auf den Thron von Jerusalem und den Thron eines Kaiser des Abendlandes. Irgendwelche Ambitionen in dieser Richtung sind seitens des dänischen Hofes nicht bekannt. Tatsächlich vermischen sich ausgerechnet die "heißesten Anwärter" auf ein "Gralskönigtum" freudig mit "bürgerlichem Blut" ...
Ob sich daran auch nur das Geringste ändern würde, wäre die "Gralsfamilien"-Hypothese wahr, darf durchaus bezweifelt werden.
Der einzige für die katholische Kirche wirklich brisante Punkt wäre die libertäre Sexualethik, die sich aus der "Gralshypothese" ergibt. Allerdings hat es in der Kirchengeschichte immer Rebellen und "Ketzer" gegeben, die mit der repressiven Sexualmoral der katholische Kirche über Kreuz lagen. Die meisten von ihnen beriefen sich auf biblische, von der Kirche anerkannte, Texte - und konnten die katholische Kirche dennoch nicht erschüttern. "Gralsanhängern" würde wahrscheinlich, selbst mit einem archäologischen Beweis im Rücken, nichts anderes übrig bleiben, als ihre eigene Kirche aufzumachen.
Also: der Vatikan hätte, selbst wenn die Gralsfamilien-Geschichte wahr wäre, wenig zu befürchten. Die dem Thriller Dan Browns zugrunde liegende Annahme hat in Wirklichkeit gar keinen Thrill.
Nichts ist es mit "der größten Krise der Geschichte des christlichen Glaubens". Allenfalls naive Fundamentalisten - die es weder im Vatikan noch im Opus Dei geben dürfte - könnte die wage Möglichkeit, dass an der Gralsgeschichte etwas dran sein könnte, ernsthaft beunruhigen.
Übrigens, folgt man den Kritiken definiert der Film nicht gerade das Spannungskino neu.

Stern online findet den Film immerhin noch unterhaltsam: Indiana Jones für Studiosus-Kunden
Spon ist da schon weniger gnädig: Mönchhausens Abenteuer
Die Welt online bringt es auf den Punkt: Viel Lärm um nichts
Sachlich, aber eindeutig, die SZ: Viel Gral um nichts
Auch Christiane Peitz vom "Tagesspiegel" war nicht begeistert: Die Gralsverhüter
Ich weiß schon, welchen Film ich unbedingt versäumen werde.
MMarheinecke - Mittwoch, 17. Mai 2006