Samstag, 6. Mai 2006

"Wie ham ja soooo sehr aus unserer Geschichte gelernt ..."

Eine notwendige Ergänzung zum Beitrag Antisemitismus auf Schwedisch
Ein Problem des deutschen Umgangs mit Antisemitismus ist die Konzentration auf die Vergangenheit. Das ist dann problematisch, wenn es um die Auseinandersetzung mit Antisemiten geht, die weder "Deutsche" noch "Nazis" sind.
Hendryk M. Broder läuft manchmal, wenn er nicht mit seinen persönlichen Lieblingsfeinden beschäftigt ist, zu alter Form auf. Z. B. hier: Welcome, Mr. President!
Die Deutschen, die so stolz darauf sind, sich ihrer Vergangenheit zu stellen, haben keinen Bezug zur Gegenwart. Sie rufen „Wehret den Anfängen!“ und „Nie wieder 33!“ - und sie meinen es wörtlich. Nie wieder soll die NSDAP an die Macht kommen, und nie wieder soll die Judenfrage in Deutschland gelöst werden. Hitler war ein böser Mann, und wer den Holocaust leugnet, kommt vor Gericht. Was freilich im Nahen Osten passiert, ist eine andere Geschichte. Und wenn ein iranischer Politiker, der schon eine halbe Million iranische Kinder als Minenspürhunde im Krieg gegen den Irak geopfert hat, in aller Ehrlichkeit sagt, wie er sich die nächste Endlösung der Judenfrage vorstellt, so ist das zwar nicht nett, entbindet die Deutschen aber nicht von der Pflicht, gute Gastgeber zu sein.

So ist es eben, wenn man immer nur den Anfängen wehren will und das Ende der Geschichte nicht im Auge hat.
(Die als "Minenspürhunde geopferten Kinder" spielen auf die Zeit an, als Ahmadinejad zu den Revolutionsgardisten gehörte - die sich in der Tat nicht scheuten, im Krieg gegen den Irak massenhaft Kindersoldaten einzusetzen - vor allem für Minenräumarbeiten. Die Verluste waren schrecklich.)
Noch um einiges schärfer äußert sich Liza zu diesem traurigen Thema: Welcome to Germany!.
Da läuft etwas falsch, und zwar gründlich. Eine wirksame Alternative zum drohenden Krieg der USA (und Verbündeter) gegen den Iran wären wirtschafliche Sanktionen, zumal unter einem Krieg vor allem die keineswegs durch die Bank mullahfreundliche iranische Bevölkerung leiden würde - und das Regime aller Erfahrung nach im Kriegfall sie zuerst die "Verräter in den eigenen Reihen", sprich die gar nicht wenigen Oppositionellen, vorknüpfen würde. Am besten wäre natürlich eine Kombination aus Unterstützung der Opposition und gezieltem Boykott.
Wer könnte am wirksamsten Sanktionen verhängen? Richtig, die Deutschen!
„Wenn es unter den westlichen Nationen überhaupt eine gibt, die [dem iranischen Atomwaffenprogramm] mit wirksamen Sanktionen begegnen könnte, ist es die deutsche“, führte der deutsche Politikwissenschaftler Matthias Küntzel Ende letzten Jahres im Transatlantic Intelligencer aus. „Heute ist Deutschland mit konstanten Wachstumsraten von über 20 Prozent das mit Abstand wichtigste Lieferland für den Iran. So wurden in 2004 Güter im Wert von 3,6 Milliarden Euro aus Deutschland in den Iran exportiert. Gleichzeitig ist die Bundesrepublik der größte Abnehmer iranischer Nichtölprodukte sowie der größte Gläubiger des Iran.“
Und wer macht auf Appeasement? Na klar, auch die Deutschen! Wobei langfristig gesehen sowohl ein Krieg gegen den Iran (wohl mit deutscher Beteiligung) wie auch ein dank "Bombe" zur lokalen Großmacht avancierter Iran volkswirtschaftlich erheblich teuer kämen, als ein paar "Exportausfälle" - vor allem wenn Israel als wichtiger "High Tech"-Standort und stärkste Industrienation des "nahen Ostens" "ausfällt". Von ethischen und moralischen Fragen ganz abgesehen. Aber hierzulande haben ja leider die in Kostenstellen denkenden "Betriebswirte" das Sagen, auch jene, die sich manchmal "liberal" schimpfen.
Ahmadinejad hat leider auch "richtige" deutsche Freunde. Auf der äußersten politischen Rechten aufgrund weitgreifenden ideologischer Schnittmengen Allianz zwischen Neonazis und radikalen Islamisten? und Deutsche Neonazis solidarisieren sich mit 'islamischen Völkern' - idgr: Die unheilige Allianz zwischen Hakenkreuz und Halbmond
Der ideologische Kitt, der die deutschen Neonazis und die iranischen Mullahs zu Verbündeten macht, ist der Kampf gegen "Judentum" und vermeintliche Imperialisten. (Nur eine Frage der Zeit, wann man auf Seiten der NPD zwischen "guten" und "schlechten" Islamisten unterscheiden wird - und vielleicht sogar darauf kommt, dass "Iran" "Land der Arier" bedeutet .... )
Auf der politische "Linken" schlagen sich Leute wie Werner Pirker in der "Jungen Welt" nach dem Motto "der Feind meines Feindes ..." ganz "antiimperialistisch" auf die Seite eines Regime, das reaktionärer ist als alles, was es im Westen gibt. Siehe wieder mal Che, der hat da nämlich vollkommen recht: Es pirkert mal wieder - auch damit:
"antideutscher, philosemitischer, kryptorassistischer Mythos auf der einen Seite, antiamerikanischer, antizionistischer neostalinistischer Mythos auf der anderen."
Ich hoffe sehr, dass ich mit diesem Beitrag nicht zu weit in die antideutsche, philosemitische und kryptorasstische Ecke begeben habe.
zwischen Gut und Böse

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