Und wieder ein Beitrag aus der lockeren Reihe "Was jeder weiß, stimmt garantiert nicht". Dieses Mal geht es ums "Vorbräunen" und das Prinzip "Trau schau wem".
Aktueller Anlaß ist die Frage einer Bekannten, die im April für satte drei Wochen nach Gran Canaria fliegen möchte. Sie hatte vorgehabt, im Sonnenstudio ihre Haut an die mutmaßlich am Urlaubort herrschenden sonnigen Bedingungen zu gewöhnen. Nun hätte sie gelesen, dass Solariumsbräune überhaupt nicht vor Sonnenbrand schützen würde. Anderswo hieße es aber, das "Vorbräunen" eine sinnvolle Urlaubsvorbereitung sei. Wer hätte nun recht?
Gibt man nun "Google"
vorbräunen solarium ein, ist die Verwirrung komplett. Ganz grob lassen sich die gefundenen Antworten in zwei Kategorien einteilen:
Die Werber (vor allem Sonnenstudiobetreiber).
Da heißt es etwa:
Vorbräunen ist sinnvoll. Wir müssen die Haut auf die kräftige Sonne im Urlaub vorbereiten und ihr Zeit geben, den Lichtschutz aufzubauen, den sie am Urlaubsort benötigt. Das funktioniert am effektivsten auf modernen Sonnenbänken mit natursonnenähnlichem Licht.
Die Warner (vor allem Gesundheitsseiten). Berufen sich in aller Regel auf die "Deutsche Krebshilfe":
Ein Vorbräunen im Solarium ist weder möglich noch wünschenswert. Da auf den Sonnenbänken fast ausschliesslich UV-A Strahlen verabreicht, die schützenden Lichtschwielen aber ausschliesslich von den UV-B Strahlen produziert werden, ist der Schutzeffekt der Solarienbräune gleich Null. Außerdem ist der Solariumsbesuch eine zusätzliche und überflüssige Belastung der Haut mit UV-Licht, auch UV-A fördert die Hautalterung und die Entstehung bösartiger Tumore.
Wem also glauben? Nach konventioneller Weisheit den "Warnern" - denn die Befürworter sind ganz überwiegend Solarien-Hersteller oder -Betreiber, oder berufen sich auf "Photomed", den Verband der Solariumsbetreiber. Hingegen sind die "Warner" anscheinend unabhängig von Interessenvertretern.
Allerdings kontert die "Pro-Solarium"-Fraktion mit Argumenten, die sich nicht mit einem Handwedeln beiseite schieben lassen:
Das Strahlenspektrum der Solarienröhren hat sich über die Jahre immer stärker dem Spektrum der natürlichen Sonnenstrahlen angenähert und enthält heutzutage genug UV-B, um eine echte Schutzwirkung zu erzielen.
Die Angaben über die Zusammensetzung des Strahlungsspektrums modernen Solariumsröhren lassen sich prüfen, die Angaben über den UV-B-Anteil stimmen. Damit ist es völlig plausibel, dass in solchen Solarien die Haut genau so reagiert wie in der "echten" Sonne, einschließlich der Schutzwirkung. Untermauert wird das durch klinische Studien, die die sonnenbrand-vorbeugende Wirkung der Solariumsbräune belegen:
Forscher der Universität Bochum untersuchten 3 Wochen lang bei Freiwilligen, die in dieser Zeit 6 Besonnungen auf der Sonnenbank erhielten, welche Wirkungen das UV-Licht auf die
Verdickung der Hornschicht der Oberhaut hat.
Dazu wurden spezielle Stellen der Haut für die UV-Bestrahlung freigegeben, andere abgedeckt, so dass kein UV-Licht an diese Kontrollstellen kommen konnte.
Die Hornschichtdicke der Hautstellen, an die UV-Licht herankam,war nach der UV-Expositionszeit gegenüber den Kontrollstellen messbar dicker geworden. Als Ergebnis formulierten die Forscher, dass die Photoadaptation (Anpassung der Haut an die UV-Strahlung) nicht nur durch die Pigmentbildung, sondern durch die Verdickung der Hornschicht der Oberhaut erfolgt.
(Die Studie wurde veröffentlicht in
Photodermatology Photoimmunology & Photomedicine, Februar 2004)
Es sieht so aus, als hätte die eigennützigen Lobbyisten
in diesem Punkt recht - und nicht die uneigenützigen Warner.
Das gilt natürlich nicht für die übergeordnete Frage, ob Sonnenbaden
an sich gesundheitsschädlich ist. Ist es immer gesundheitsschädlich, ist jede zusätzliche Belastung zu vermeiden. Also auch das Vorbräunen.
Zur Sonnen-Hautkrebs-Problematik:
Was jeder weiß ...
... stimmt garantiert nicht!
MMarheinecke - Dienstag, 14. März 2006